Nach St. Pauli jetzt der HSK: Weissenhaus-Akademie lotst Huschenbeth und Costa von München nach Hamburg

Die Weissenhaus-Akademie hat jetzt binnen weniger Tage die zweite Partnerschaft mit einem Hamburger Bundesligisten verkündet, eine, die “der schachlichen Substanz” diene. Am Ziel, den heimischen Nachwuchs international konkurrenzfähig zu machen, wollen Akademie und Club gemeinsam arbeiten. Die Partnerschaft mit dem FC St. Pauli und dessen Neuzugang Magnus Carlsen hingegen sei auf “Aufmerksamkeit und Präsenz fürs deutsche Spitzenschach” angelegt.

Bei der Ausbildung der in der Weissenhaus-Akademie versammelten Ausnahmetalente wird der Hamburger SK sein Know-how einbringen. Der Traditionsclub, 750 Mitglieder, Gründungsmitglied der Bundesliga, zeigt seit Jahrzehnten kontinuierlich, dass er weiß, wie es geht.

Für Luis Engel gab es immer nur den Hamburger SK. Zwischenzeitlich hat sich der einstige Wunderknabe gegen eine Profikarriere und für ein Studium entschieden, spielt aber unverändert erfolgreich für den HSK in der Bundesliga.

Bundestrainer und Nepo-Sekundant Jan Gustafsson ist ein Kind der Hamburger Schachschule. Luis Engel, einst jüngster Großmeister in Deutschland, ein anderes. Klaus Junge schloss sich seinerzeit nach der Rückkehr seiner Familie nach Deutschland dem Hamburger SK an, bevor er zum potenziellen Weltklassespieler aufstieg. Das Hamburger Gewächs Julian Kramer ist ein aktuelles Beispiel, nicht Weltklasse, aber nach seiner zweiten, jetzt in Limburg erzielten GM-Norm auf dem Weg zum GM-Titel und längst ein veritabler Bundesligaspieler.

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„Für unser gemeinsames Ziel, den heimischen Nachwuchs im internationalen Wettbewerb bestmöglich zu unterstützen, haben wir mit dem Hamburger SK den idealen Partner gefunden. Zusammen sind wir noch stärker“, sagt Jan Henric Buettner, Gründer der Weissenhaus-Akademie, gemäß einer gemeinsamen Pressemitteilung von Akademie und Klub.

Seine erste Turnierpartie spielte Klaus Junge 1936 im Hamburger Schachklub.

Schon seit der Akademie-Gründung während des Freestyle-Turniers im Februar 2024 sind die HSK-Mitglieder und Nationalspieler Rasmus Svane und Frederik Svane Teil des Akademie-Teams. Als Trainer und Mentoren sollen die Svane-Brüder ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen, um den Ausnahmebegabungen des deutschen Schachs zu helfen, zur nächsten Generation von Spitzengroßmeistern heranzuwachsen. Als Spieler, die ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben, können beide Svanes auf die Unterstützung der Akademie zählen.

„Unser Know-how und unsere Erfahrung in der Nachwuchsförderung bringen wir gerne in die Arbeit der Akademie ein“, sagt HSK-Chef Thomas Woisin. Und ergänzt: „Auf der anderen Seite freuen wir uns über Verstärkungen für unsere Bundesligamannschaft.“

In Diensten von Bayern München” hat sich jetzt erledigt. Niclas Huschenbeth spielt ab sofort wieder für den Hamburger SK.

Eine dieser Verstärkungen für die kommende Saison ist ein weiteres HSK-Gewächs. Niclas Huschenbeth, in Hamburg Großmeister geworden, war 2019 zum FC Bayern München gewechselt. Zwar klotzen die Bayern nach ihrem Wiederaufstieg in die höchste Liga personell nicht, verabschiedeten sich aber in einer immer stärkeren Bundesliga nach und nach vom nach dem Jellissen-Debakel ausgerufenen Amateur-Prinzip. Die Bayern hatten Huschenbeth angeboten, bei ihnen am ersten Brett zu spielen.

Ein Angebot, das er nicht ablehnen wollte. Seinen Hamburgern hinterließ Huschenbeth auf deren Website diese Worte: “Natürlich ist mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen, weil ich hier in Hamburg und beim HSK meine Wurzeln habe. Ich möchte mich weiter verbessern und in die Nationalmannschaft und die Top 100 kommen. Dazu halte ich es für essenziell, gegen so viele und so starke Spieler wie möglich zu spielen und das ist bei Bayern möglich. Selbstverständlich werde ich dem HSK weiterhin verbunden sein.”

Zuletzt war Huschenbeth in der seitdem weiter verstärkten Bayern-Mannschaft die Nummer drei. Jetzt kehrt zu seinen Wurzeln zurück. 24/25 spielt er wieder für den HSK in der Bundesliga.

Nummer eins beim FC Bayern München war in der vergangenen Saison der Iraner Amin Tabatabaei. Der wird im Juni als Teilnehmer des nächsten Z-Turniers in Moskau wahrscheinlich Sergey Karjakin die Hand reichen.

Der zweite Neuzugang, Leonardo Costa, kommt ebenfalls aus München, allerdings nicht von den Bayern, sondern vom Münchener SC 1836, der jetzt auf den Bundesligaaufstieg verzichtet hat. Die Costa-Konstellation repräsentiert das zweite Prinzip, nach dem die Weissenhaus-Akademie die erste Mannschaft des HSK mit starken Spieler zu füttern vermag: Den Talenten aus der Akademie, die stark genug für die Bundesliga sind, winkt in der ersten Mannschaft des HSK ein Platz in dieser Liga. Dort bekommen sie Wettbewerb mit starken Gegenspielern.

Leonardo Costa war nach einer längeren Phase der Stagnation knapp unter 2400 Elo zuletzt im Aufwind. Ein starkes Turnier in Ungarn, Bronze bei der U16-Weltmeisterschaft, ein starkes “German Masters”, zuletzt ein starkes Grenke-Open (Performance 2542) haben seine Elo auf 2486 klettern lassen. Der 16-jährige IM spielt seit Monaten auf einem Level, das Großmeisternormen zu einer Frage der Zeit macht.

WM-Bronze für Leonardo Costa, Auftakt einer starken Phase.

Akademie-Direktor Sebastian Siebrecht will die Zusammenarbeit mit dem HSK um eine weitere Kooperation ergänzen. Siebrecht fahndet nach Wegen, die dem Hamburger SK verbundene Eliteschule des Sports in Hamburg in das gemeinsame Förderprogramm einzubauen. In der Eliteschule trägt der Hamburger SK traditionell seine Bundesliga-Heimspiele aus. Schulleiter ist der schachaffine Björn Lengwenus, Miterfinder des zeitlos guten und beständig neu variierten “Fritz&Fertig“.

Ob mit Eliteschule oder ohne, in Ostholstein/Hamburg ist jetzt ein ganzheitliches Schach-Leistungszentrum entstanden, das erste, das auch den notorischen Schwachpunkt im deutschen Schach adressiert: Aufmerksamkeit erzeugen, den Sport aus den Hinterzimmern holen und ins Rampenlicht stellen. Um nicht weniger als das geht es bei der Kooperation der Akademie mit dem FC St. Pauli.

Ob die Vorkämpfer vom Millerntor bei einer Mehrheit der Bundesligisten den Impuls auslösen, ihr Erscheinungsbild und noch mehr das des Liga-Spielbetriebs in Richtung Profisport zu reformieren, erscheint fraglich. Im Juni tagt die Schachbundesligaverwaltung, bevor im Oktober die neue Spielzeit beginnt. Zwei Arbeitsgruppen gibt es in der Liga. Die eine befasst sich mit, wie sollte es im organisierten Schach anders sein, – “Satzung und Ordnungen”, die andere seit bald fünf Jahren mit “Teilnahmevoraussetzungen”.

Den Bundesligisten und ihrem Dachverein ist eine potenzielle Riesensaison in den Schoß gefallen, die mit dem Pauli-Carlsen-Deal noch einmal riesiger geworden ist. Jetzt wäre die Zeit, sie vorzubereiten. Aber um seit Jahren ignorierte Themen wie Schachbundesliga-TV oder versetzte Spieltage wird es in der Bundesligaversammlung eher nicht gehen. Um Satzung und Ordnungen bestimmt.

Ob in der Weissenhaus-Akademie analog zum Pauli-Engagement “Markenbildung für Profisportler” auf dem Stundenplan stehen wird? Karriereplanung? Naheliegend wäre es, nötig auch, sobald Profitum eine Perspektive sein soll. Am Beispiel des mit Abstand führenden Weissenhaus-Profisportlers können diejenigen in seinen Fußstapfen sehen, wie es nicht geht.

Von Meilenstein zu Meilenstein, das ist leider vorbei. Jetzt kommt die Mühsal der 2750-Ebene.

Die Jahre mit Wunderkind-Bonus und rasant steigender Elozahl sind vorüber. Niemand hat diesen Elfmeter verwandelt, niemand hat Vincent Keymer geholfen, den Selbstläufer in Marktwert umzusetzen. Stattdessen verging über Jahre kaum ein Interview, in dem das Jahrhunderttalent des deutschen Schachsports nicht öffentlich nach Sponsoren fragen musste – vergebens. Niemand hatte ihn in die Lage versetzt, welche zu finden, geschweige denn das Finden selbst übernommen, damit sich Keymer zuvorderst dem widmen kann, worin er begnadet ist.

Vor dem in Sachen Karriere offenbar auf sich gestellten Einzelkämpfer liegt nun die Mühsal der 2750-Ebene, und es wird als Ex-Wunderkind auch abseits des Brettes nicht leichter. Man stelle sich vor, der 19-Jährige stünde jetzt allein mit dem Grenke-Grundstock, mit einem ruinierten Schachbund und einer mutmaßlich in Auflösung befindlichen Bitcoinbude an seiner Seite im Wettbewerb mit den Praggs, Gukeshs oder Abdusattorovs. Vincent Keymer wäre, um ihn selbst zu zitieren, “nicht konkurrenzfähig“.

Auf Vincents Homepage, die Keymers dem Vernehmen nach für eine gelungene halten, finden sich, nein, nicht ganz oben, sondern ganz unten die Unterstützer, darunter ein ruinierter Sportverband und eine ehemalige Bitcoinbude, die seit einem Vierteljahr kein Lebenszeichen von sich gegeben hat. Der wahrscheinlich größte Unterstützer steht dort nicht. Jan Henric Buettner wird das ebenso verschmerzen können wie den Umstand, dass Vincent Keymer auf seinen unterentwickelten Kanälen die Existenz seines Förderers bislang nicht einmal öffentlich erwähnt, geschweige denn “Danke” gesagt hat. Gut sieht das trotzdem nicht aus. Immerhin, es ist guter Stoff für den nächsten Karriereplanung-Unterricht in der Weissenhaus-Akademie.

Welch ein Glück für alle Beteiligten, dass ihm eingangs einer schwierigen Phase ein Buettner vom Himmel gefallen ist. Der Hamburger Unternehmer hat zuletzt zwei Schlüsselwörter gesagt – nein, nicht “Carlsen”, nicht “St. Pauli”, das war Bling-Bling für die breite Öffentlichkeit, sondern: “nachhaltig” und “langfristig”. Derartige Konzepte waren bei Keymer bislang ausschließlich auf dem Brett zu sehen.

Jan Henric Buettner und Vincent Keymer. | Foto: Lennart Ootes
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Matthias
23 Tage zuvor

Die Beteiligung des HSK gewährleistet jedenfalls, dass das ganze kompetent vonstatten gehen wird.
Die Homepage von Vincent Keymer ist zum fremdschämen, aber sein Bundestrainer hatte bis vor kurzem, auch während seiner ganzen Carlsen, Chess24, etc. Zeit ebenfalls eine uralte und nicht gepflegte Homepage online. Also scheint das irgendwie so Sitte zu sein 😉

Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
22 Tage zuvor

Schach ist günsig zu haben. Ein Schleckermaul kann sich eine große gemischte Tüte leisten. Wenn die Zahlungen mal ausbleiben ist das auch OK , dann
hofft man auf den nächsten Zahltag und mault nicht rum.