Turm hoch und aus! (III)

Anfänger lernen recht bald, dass Figuren unterschiedlich wertvoll sind: Die Leichtfiguren, Läufer und Springer, drei Bauern, der Turm fünf Bauern, die Dame neun Bauern.

Diese Lektion hat unser neuer Schachfreund Şafak schon gelernt. Und weil er schlau ist, versucht er natürlich, sofort die starken Figuren ins Spiel zu bringen.

Neulich war Şafak zum ersten Mal im Schachclub. Und er begann seine Partie so, wie es unter Anfängern oft zu sehen ist: 1.a4, gefolgt von 2.Ta3.

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Oje.

Diesen Unfung haben wir ihm natürlich sofort ausgetrieben, einen kleinen Vortrag übers Zentrum gehalten, außerdem diesen: erst die Springer raus, dann einen Läufer, dann den König in Sicherheit rochieren. Erst danach, vielleicht, schauen wir uns nach Betätigungsfeldern für unsere Türme um.

Wenn der Anfänger zum Fortgeschrittenen wird, dann merkt er recht bald, dass die Figuren eben keinen fixen Wert haben, sondern dass sich dieser je nach Partieverlauf verschiebt.

Läufer zum Beispiel sind meistens etwas wertvoller als Springer, und im Paar sind sie besonders stark. Trotzdem sind Dame und Läufer meistens schwächer als Dame und Springer, weil sich letztere besser ergänzen.

Je länger die Partie dauert, desto stärker werden Türme

Manchmal ist die Dame stärker als zwei Türme, manchmal andersherum, je nachdem, ob die Türme Raum haben und wie gut sie zusammenarbeiten.

Und der Turm, na ja, der ist leider zu Beginn der Partie kaum etwas wert. Türme brauchen offene Linien und Reihen, und die ergeben sich erst, wenn Material vom Brett verschwindet. Je länger die Partie dauert, desto stärker wird der Turm. Im Endspiel kann er es oft allein mit zwei Leichtfiguren aufnehmen.

Während sich allgemein herumgesprochen hat, dass Türme offene Linien lieben, ist der Wert einer offenen Reihe nicht so bekannt. Und das, obwohl eine offene Reihe ein Manöver ermöglicht, das schon so manche Partie entschieden hat: Den Turmschwenk oder, wie wir es nennen:

Turm hoch und aus!

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So etwas kann nur der Turm: In Windeseile den Flügel wechseln und auf der anderen Seite machtvoll eine Attacke unterstützen. In diesem Fall ist der Turm so mobil, weil er sich einer offenen dritten Reihe erfreut – so ähnlich, wie wir es neulich bei den Isolani-Stellungen gesehen haben.

Şafak hatte ja den richtigen Riecher, aber er hätte sich mit seinem Turmschwenk ein wenig gedulden müssen. Vielleicht lässt er sich das gelegentlich noch einmal von unserem Schachfreund Ramadan erläutern, denn der gilt am Bodensee als Spezialist für Turmschwenks.

Frage 76

Ramadan Deliu – Julian Preuss, Überlingen, März 2018

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Weiß am Zug gewinnt. Wie?

Nach der Vorrede müsste ja eigentlich klar sein, worum es hier geht. Schwarz ist gelähmt, er sieht sich ohne Gegenspiel einem Königsangriff ausgesetzt. Aber noch hält die schwarze Festung.

Wie überführte der Weiße jetzt entscheidend Truppen zum Königsflügel, damit sein Angriff durchbricht?

Frage 77

Ja, bei der Antwort auf Frage 76 spielt das Konzept des Turmschwenks eine entscheidende Rolle. Und noch ein zweites Konzept.

Welches?

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[…] Wert einer offenen Reihe für Turmschwenks haben wir im vergangenen Beitrag kennengelernt. Leider kommt die Praxis selten so eindeutig daher wie die theoretischen Anschauungsbeispiele, aber […]

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[…] zu schaffen. Aber auch das ist nicht so klar. Zum Beispiel nach 21. cxb4 Qa3 22. Rc2 Nxd4 23. Rc3 droht ein tödlicher Turmschwenk, und die weiße Initiative läuft auch nach 23…g6 […]

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[…] verhält es sich übrigens mit den Türmen, wie wir neulich schon am Beispiel unseres neuen Schachfreundes Şafak gesehen haben. Türme werden erst stark, wenn sich im Verlauf der Partie Linien (horizontal) und Reihen […]

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[…] Den Partien unseres Schachfreunds Ramadan zu folgen, ist eine ambivalente Angelegenheit. Wenn er seinen berühmten Turmschwenk aufs Brett bekommt, dann ist alles gut. Wenn nicht, dann steht er sehr oft sehr früh sehr […]