Die Steinmauer

Was hat sich denn der Schwarze da für einen Klumpen von Bauern ins Zentrum gestellt?

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“Stonewall” (Steinmauer) nennt sich diese schwer zu knackende Konstruktion, gekennzeichnet von Bauern auf f5, e6, d5 und c6. Der Aufbau steht für die gleichnamige Eröffnung; der Stonewall ist ein System der Holländischen Verteidigung (1.d2-d4 f7-f5), kann sich aber durch verschiedene Zugfolgen ergeben. Weiß kann sich gegen den schwarzen Bauernblock auf allerlei Weise aufbauen, trotzdem heißt es immer “Stonewall”, wenn die schwarzen Bauern auf f5, e6, d5 und c6 stehen.

Oft nutzt Weiß seinen Anzugsvorteil, um Raumvorteil zu erlangen. Gegen den Stonewall gelingt ihm das nicht, die Hauptidee dieses Aufbaus: Schwarz kontrolliert mindestens so viel Raum wie der Weiße; er kontrolliert sogar einige Felder auf der weißen Bretthälfte, speziell e4.

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Eine überragende Eröffnung also? Ja und nein. Der Stonewall ist allseits respektiert, unter anderem Weltmeister Magnus Carlsen spielt ihn gelegentlich. Aber wer sich so weit aus aus dem Fenster lehnt wie hier der Schwarze, der muss auch Nachteile in Kauf nehmen.

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Indem er alle seine Bauern auf die weißen Felder gestellt hat, hat der Schwarze seine schwarzen Felder geschwächt. Das wird er besonders dann zu spüren bekommen, wenn es dem Weißen gelingt, die schwarzfeldrigen Läufer zu tauschen, eines der Hauptziele des Weißen gegen den Stonewall. Speziell das Feld e5 neigt zur Anfälligkeit, weil es kein schwarzer Bauer mehr verteidigen kann.

Seinen weißfeldrigen Läufer hat sich der Schwarze hinter seinem Bauernblock eingesperrt. Wer zufällig mal ein Schachbuch in der Hand hatte und das Kapitel “Guter Läufer vs schlechter Läufer” aufgeschlagen hat, der ahnt, in welche Kategorie der Läufer auf c8 fällt. Ein schlechter Läufer, verurteilt zu Passivität in einer blockierten Stellung, mit der sich Läufer ohnehin schwer tun. Läufer sind stark, wenn sie Raum haben.

Aus diesen beiden Problemen, schwarzfeldrige Anfälligkeit und schlechter Läufer, ergibt sich die Strategie des Schwarzen: Das Feld e5 wird er stets bestreichen wollen, damit sich dort niemand einnistet, und er wird nach Wegen suchen, seinen schlechten Läufer ins Spiel zu bringen. Deren gibt es sogar zwei: Entweder die lange Route über d7-e8-h5 oder das Fianchetto …b7-b6, gefolgt von …Lb7 oder …La6 (und oft dem Zentrumsschlag …c5).

Den Stonewall gibt es übrigens auch als Eröffnung für Weiß. Meistens entsteht der so genannte “Stonewall-Angriff” aus der Bird-Eröffnung 1.f2-f4, gilt aber als harmlos. Dem Schwarzen stehen eine Reihe von Wegen offen, sich dagegen wirksam aufzustellen.

Neulich am Bodensee hat sich Überlingens Sergej Pokrovski eine Steinmauer gebaut. Nach acht Zügen stand es so:

Frage 20

Siegfried Oswald – Sergej Pokrovski, November 2017

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Gerade hat der Schwarze seinen Springer nach a6 entwickelt mit dem Plan, ihn im nächsten Zug nach c7 zu überführen.

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[…] einen Stonewall gebaut (Wer nicht weiß, was das bedeutet, geht bitte direkt zu den Beiträgen „Die Steinmauer“ und „Die Steinmauer II“, zieht unterwegs keine 500 Elo ein, lernt ein paar […]

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[…] den Beitrag „Die Steinmauer“ gelesen hat, der weiß, dass sich gelegentlich auch die Weißspieler einen Stonewall bauen, und der […]

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[…] vor die Bauernkette gelangen kann oder dahinter eingesperrt bleibt. Davon hängt zum Beispiel in Stonewall-Strukturen oft ab, wie die Stellung zu bewerten […]

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[…] das immer gleiche Schema, und ihn interessiert nicht die Bohne, ob er damit Schachfreund Thiebes Stonewall im Anzug die ersehnte Idealaufstellung erlaubt oder […]

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[…] Beitrag „Die Steinmauer“ haben wir für den Holländisch-Neuling einige Stonewall-Grundlagen aufgeschrieben. Auch darüber […]