“Wenn es gut werden soll, muss man es selbst machen”, dachte sich der spanische Priester und Schachmeister Ruy López de Segura, als er sich Ende der 1550er-Jahre durch das seinerzeit rare Angebot an Schachliteratur ackerte. Weil ihm sämtliche Bücher missfielen, schrieb er kurzerhand selbst eines: “Libro de la invención liberal y arte del juego del Axedrez”, das Buch von “Einfallsreichtum und Spielkunst im Schach”, behandelte ausführlich eine Eröffnung, die bis heute fast überall auf der Welt “Ruy Lopez” genannt wird. In Deutschland heißt sie “Spanisch”, und sie steht fast 500 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch bei jedem Kinderturnier ebenso regelmäßig auf dem Brett wie bei Weltmeisterschaftskämpfen.
Die Züge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 bilden den Auftakt der spanischen Partie.
Wer glaubt, dass wir mit einem Zeitsprung zu Ruy López und seiner Eröffnung schon weit in die Schachgeschichte zurückgereist sind, der schnallt sich jetzt besser an.
Mehr als 3.000 Jahre vor dem spanischen Priester soll ein Mann namens Noah einen Kahn gezimmert haben, um sich und andere vor der Sintflut zu retten. Ob der alttestamentarische Skipper ein Schachbrett an Bord hatte, ist nicht überliefert, aber wir können heute mit Sicherheit sagen, dass zumindest sein Schiff Eingang in die Schachtheorie gefunden hat, oder, präziser: in die Theorie der spanischen Eröffnung.
In die “Arche-Noah-Falle” sind seit Ruy López’ Zeiten Generationen von Spanisch-Spielern getappt, und jeden von ihnen hat es den stolzen weißfeldrigen Läufer gekostet, als die Falle zuschnappte. Hätten sie bloß diese Stellung und das darin verborgene Motiv gekannt:
Schwarz hat per …b7-b5 den weißen Läufer nach b3 zurückgetrieben, und nun wird er ihn einsperren und erobern, indem er seinen c-Bauern bis nach c4 vorschnellen lässt. Erst tauscht er auf d4 die Springer, Weiß schlägt auf d4 zurück, dann folgt …c7-c5 mit Angriff auf die Dame (mit Tempo, sagen Schachspieler), die muss ziehen, und Schwarz fängt mittels …c5-c4 den Läufer ein.
Die Arche-Noah-Falle gibt es in dutzenden Variationen, auch in anderen Eröffnungen, aber das Motiv ist immer dasselbe. Wer 1.e4 e5 spielt, sei es mit Weiß oder mit Schwarz, der wird eher früher als später die Arche-Noah-Falle auf dem Brett haben.
Neulich in der Bezirksklasse Bodensee war es bei Baldur soweit. Aus der weißen Perspektive schaute er sich folgende Stellung an und erwartete den schwarzen Zug. Für die stirnrunzelnden Zuschauer sah es derweil danach aus, als habe gleich die Arche-Noah-Falle in Person von Baldur ihr nächstes Opfer gefunden.
Frage 17:
(Baldur Patzel – Gordon Kunkel, Oktober 2017)
Kann Schwarz nicht einfach das Arche-Noah-Rezept befolgen, …b7-b5 spielen, dann auf d4 tauschen gefolgt von …c7-c5-c4 und Figurengewinn?
[…] die Angelegenheit ist nicht trivial. Nehmen wir an, Schwarz befolgt in der Diagrammstellung von Frage 17 das Arche-Noah-Rezept, spielt 1…b5 2.Lb3 exd4 3.Lxd4 Sxd4 4.Dxd4 c5, dann steht es […]
[…] und Schachmeister Ruy Lopez (1530 bis 1580) kennen die Leser dieses Blogs ja schon. Im Beitrag „Baldur und die Arche Noah“ über die Arche-Noah-Falle in der Spanischen Partie haben wir beleuchtet, dass Meister Ruy Lopez so […]