Schacholympiade 2022 – der Ticker: Usbekistan, Ukraine und Jana Schneider!

186 Länder, 1733 Spieler und Spielerinnen, 250 Großmeister. Endlich, nach vier Jahren, ist wieder Schacholympiade. Deutschland ist in Chennai mit jeweils einer Herren- und einer Frauenmannschaft am Start, die Herren an neun, die Frauen an acht gesetzt, beide jung und mit Perspektive nach oben. Die letzte Runde am Dienstag, 9. August, beginnt um 6.30 Uhr. Schachdeutschland TV überträgt live.

350 Mannschaften, 700 Bretter, 2 Spielsäle. | Foto: Lennart Ootes/FIDE
Die Abschlussfeier

|| Runde 11, 9. August

Usbekistan!

■ Der umkämpfte Sieg über Deutschland entpuppte sich als Auftakt eines grandiosen Endspurts: Usbekistan gewinnt Gold vor Armenien und Indien 2.

Endstand via chess-results.com

Ukraine!

■ Der umkämpfte Sieg über Deutschland entpuppte sich als Auftakt eines grandiosen Finales. Die Ukraine gewinnt Gold vor Georgien und Indien.

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https://twitter.com/FIDE_chess/status/1556941603234877440
Abschlusstabelle via chess-results.com

Jana Schneider!

■ Goldmedaille für Deutschland: Jana Schneider gewinnt die Einzelwertung am fünften Brett: 9 Punkte aus 10 Partien, Performance 2414, so gut war keine andere Spielerin.

1:3 gegen Indien 2, 2,5:1,5 gegen Indonesien

■ Die Männer beenden das Turnier mit einer 1:3-Niederlage gegen Indien 2, und es passiert das, was nach einer Niederlage in der Schlussrunde leicht passiert: ein Absturz in der Tabelle. Als 18. mit 15:7 Punkten schließt die Mannschaft von Jan Gustafsson den Wettbewerb ab.

https://youtu.be/P56-Xyv8Lso
Rasmus Svanes Strategiedebatte mit Praggnanandhaa zum Abschluss der Schacholympiade.

Die Frauen schlagen dank Matchwinnerin Dinara Wagner Indonesien mit 2,5:1,5. In der Endabrechnung stehen 16:6 Punkte und Platz 8 unterm Strich.

Die Anti-Terminator vom Fair-Play-Team

Bild
Gukesh, die Menschmaschine? | via Antonsquaredme

■ “Antonsquaredme ist wieder da!”, das war eine der besten Nachrichten des Kandidatenturniers. Und sie brachte die Frage mit sich, ob der Schach-Foto-Künstler auch die Schacholympiade begleiten würde. Wer es noch nicht mitbekommen hat: Er hat sie begleitet. Unter anderem hat Anton aus Minnesota Schachfreund Gukesh terminatorhaft inszeniert, als der sich mit 8 Punkten aus 8 Partien am ersten Brett zu einer übermenschlichen Leistung aufschwang. Mittlerweile ist die Performance des 16-jährigen Inders auf unter 3000 gefallen, und sie wird weiter fallen, da er in der letzten Runde gegen Vincent Keymer um nicht mehr als ein Remis kämpft (das er wahrscheinlich bekommt).

Allerdings stand schon nach Sieg Nummer acht (gegen Fabiano Caruana) außer Frage, dass Gukesh allein mit der Kraft seiner Neuronen arbeitet, ganz ohne implantierte Chips. Dafür bürgt das Fair-Play-Team, dessen eifrige Mitarbeiter vor jeder Runde die Köpfe der Spieler scannen. Ein Terminator würde sofort auffallen.

Als ein Spieler der Aseris den Ohrenscan des eifrigen Fair-Play-Helfers als Belästigung empfand – und Shakh Mamedyarov ihn überzeugen musste, sich scannen zu lassen. Im Hintergrund demonstriert Fair-Play-Chef Klaus Deventer, wie sich eine solche Prozedur möglichst respektvoll und geräuschlos absolvieren lässt.

Vor allem geht es natürlich darum, dass auch ein Knopf im Ohr sofort auffallen würde. Ansonsten wäre es für Spielererinnen mit Betrugsabsicht mit wenig Aufwand möglich, sich von Komplizinnen während der Partie Terminatorzüge einflüstern zu lassen, eine naheliegende und gängige Betrugsmethode:

Vor diesem Hintergrund mag der lästige Ohrenscan eine Notwendigkeit sein. Aber (abseits der Befürchtung, dass hier ein sich verselbstständigender, weiterer Wasserkopf der Schachverwaltung wächst) er steht auch für ein Konfliktfeld, über das zu reden sein wird. Der gemeine Fair-Play-Soldat wünscht sich, dass neben Spielern und Coaches möglichst wenige, idealerweise keine Menschen Zutritt zu seinem Hoheitsgebiet haben. Dieser Wunsch beißt sich mit der Notwendigkeit, Nähe fürs Publikum herzustellen, Bilder und Emotionen von den Kämpfen einzufangen. Bei der Schacholympiade in Chennai 2022 hat sich dieser Konflikt offenbart – und der Umstand, dass ihn seitens der FIDE niemand hat kommen sehen.

Bei kommenden Schacholympiaden wird, keine leichte Aufgabe im Schach, Flexibilität vonnöten sein, um die die rechte Balance zwischen Regel- und Fair-Play-Hütern und denen, die Schach präsentieren wollen, zu finden. | Foto: Stev Bonhage/FIDE

Erstmal einen Kaffee

Indien 2 versus Deutschland an den TV-Tischen. | Foto: Lennart Ootes

■ An den TV-Tischen! Zum Abschluss erleben die deutschen Spieler ein neues Szenario: Nicht in der Reihe sitzen sie, sondern im Quadrat, jeder an seinem eigenen Tisch. Nicht am Nachmittag spielen sie, sondern zur für Schachspielerverhältnisse nachtschlafenen Zeit – am Vormittag, brrr. Und sie waren anfangs umringt von Berichterstattern. Liviu Dieter Nisipeanu ging dem Trubel aus dem Weg, indem er zwei Minuten Bedenkzeit opferte und sich erstmal einen Kaffee holte. Die Fotografen und Kameraleute waren eh vor allem auf die Inder fokussiert. Wenig später auf dem Brett ging Nisipeanu keinem Trubel aus dem Weg. Gegen Raunak Sadhwani zettelte er ein wildes Handgemenge an, das allerdings die Engine gar nicht mochte.

Kaffee geholt, die Uhr läuft schon, jetzt kann’s losgehen: Raunak Sadhwani versus Liviu Dieter Nisipeanu. | Foto: Lennart Ootes

|| Runde 10, 8. August

Traumlos zum Abschluss

■ Ob die Spieler das auch so sehen? Morgen in der letzten Runde (ab 6.30 Uhr!) kommt es aus deutscher Sicht zum Höhepunkt des Turniers: Ein Match gegen Indien 2, das noch um Medaillen kämpft. Die Frauen spielen gegen Indonesien.

1,5:2,5 gegen die Frauen, 3:1 für die Männer

■ Das war nicht so deutlich, wie 3:1 klingt. Und es bleibt, wie es mit Ausnahme des Serbien-Kampfes bislang war: wackelig – mit Ausnahme des 17-Jährigen am ersten Brett. Es tut ein bisschen weh, das mitanzuschauen, denn in den Interviews klingt durch, wie ehrgeizig die Jungs sind und wie gerne sie noch mehr reißen würden als das, wozu sie selbst in unterdurchschnittlicher Form in der Lage sind: 15:5 Punkte, direkt hinter der Spitzengruppe, morgen vielleicht sogar sehr weit oben. Nur für Medaillen wird es diemal noch nicht reichen.

Auch nicht für die Frauen, die der klar favorisierten Ukraine einen couragierten Kampf geliefert haben. Elisabeth Pähtz und Josefine Heinemann neutralisierten das Muzychuk-Duo, Jana Schneider steuerte einen bequemen halben Punkt mit Schwarz bei. Entschieden wurde der knappe Kampf am Brett von Dinara Wagner, der in beiderseitiger Zeitnot eine schwierige Partie entglitt. Die Frauen stehen jetzt bei 14:6 Punkten.

Ehrentitel für Hort – GM-Titel für Pähtz?

Vlastimil Hort (78) wird Ehrenmitglied der FIDE. Das hat die FIDE-Generalversammlung in Chennai heute beschlossen. Außerdem könnte die Hängepartie um den GM-Titel von Elisabeth Pähtz heute enden. Die Generalversammlung hat den Fall ans heute tagende FIDE-Präsidium weitergereicht. Ein weiterer Beschluss: Die Schacholympiade 2026 wird in Usbekistan stattfinden.

Vlastimil Hort, seit heute FIDE-Ehrenmitglied. | Foto: Petr Vrabec/Prager Schachfestival

Hanabi vs. Wizard

■ Es muss ja nicht immer Schach sein. Gerade bei Veranstaltungen wie diesen kann Teamgeist Berge versetzen. Vielleicht spielen die deutschen Damen, vier zumindest, abends deswegen Hanabi, anstatt Schachvarianten zu pauken. Beim Spiel des Jahres 2013 gewinnen oder verlieren die Spieler:innen gemeinsam. Arbeiten sie gut zusammen, gelingt es ihnen, am Ende des Spiels ein Kartenfeuerwerk zu zünden (das japanische Wort “Hanabi” bedeutet “Feuerwerk”). Den Lohn für starkes Spiel ernten die Hanabi-Spielerinnen im Team – wie beim Schach in der Mannschaft. “Und das ist unser Ziel”, erklärt Hanna Marie Klek.

Spieleabende gibt es auch im Herrenteam, allerdings zählt dort mehr der individuelle Erfolg. “Wizard” heißt das Spiel der Wahl bei der deutschen Herren-Nationalmannschaft.

Die Stimmen zum neunten Spieltag – inklusive eines Besuchs bei den Damen, auf deren Tisch ein Hanabi-Spiel auf eine weitere Runde wartet.

Yuri Yakovich vs. Wesley So

Wesley So empfiehlt 19…Lc7. Jana Schneider spielte 19…Le5.

■ Im Interview nach der Runde hat Jana Schneider, eifrigste Punktesammlerin der deutschen Delegation, einen Einblick in ihre Eröffnungsvorbereitung gewährt. Auf ihrem Brett stand gegen England eine lange, moderne Variante des Preußischen Zweispringerspiels, die sie und Bundestrainer Yuri Yakovich erwartet hatten. Yakovich hatte außerdem die Vermutung beigesteuert, dass die Engländerin Zoey Varney dem von Top-10-Spieler Wesley So bei Chessable veröffentlichten Repertoire folgen würde. Und er hatte einen Weg gefunden, die Engländerin vom Eröffnungsgleis zu schubsen – im 19. Zug! Anstatt des von So empfohlenen 19…Lc7 (was den hängenden Sa5 deckt) gruben Yakovich und seine Engine das Figurenopfer 19…Le5 20.Dxa5 f4! mit starkem Königsangriff aus, ein Angriff, den eine menschliche Spielerin nur überleben wird, wenn sie sich ihrerseits mit Enginehilfe darauf vorbereitet hat. Tatsächlich griff Varney schon im 21. Zug fehl – und Schwarz gewann ohne Mühe:

Mit ihren 8,5/9 spielt Jana Schneider eine Performance nahe 2500. Eine IM-Norm ist trotzdem nicht drin – zu wenige Titelträgerinnen unter den Gegnerinnen am vierten Brett. Im Video: Jana Schneiders preußischer Zweispringersieg in der neunten Runde zum 1:0 gegen England.

Die Ukrainerinnen treten an

■ Die Ukrainerinnen treten an. Eine Selbstverständlichkeit war das nicht angesichts einer Russin und eines Russen im deutschen Team, aber alle, die nahe dran waren, hatten es so erwartet. Bundestrainer Yuri Yakovich und Nationalspielerin Dinara Wagner sind unverdächtig, den russischen Terror gutzuheißen. Alle Beteiligten auf beiden Seiten kennen und schätzen einander seit Jahren. Und so werden sie heute einen sportlichen Strauß ausfechten.

via chess-results.com

Allen vier deutschen Spielerinnen steht eine Herausforderung bevor, die größte wahrscheinlich Josefine Heinemann am zweiten Brett: Schwarz gegen Anna Muzychuk, WM-Finalistin 2017 und eine von sechs Frauen in der Geschichte des Schachs, die es geschafft haben, die 2600-Elo-Hürde zu nehmen. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr hat Josefine Heinemann als überragende Spielerin des deutschen Teams gezeigt, dass sie auf diesem Level mitspielen kann.

|| Runde 9, 7. August

Außenseiter gegen die Ukraine

■ Deutschland versus Ukraine, morgen gilt’s für die Frauen. Das erste Match der Schacholympiade 2022, in dem eine deutsche Mannschaft als nomineller Außenseiter antritt, muss gewonnen werden, soll die Chance aufs Treppchen in der letzten Runde existent sein. Die Ukrainerinnen mit den Muzychuk-Schwestern an Brett eins und zwei sind nach Eloschnitt die Nummer 2 des 160 Mannschaften starken Feldes. Daumen drücken!

Wahrscheinlich werden sich Mariya Muzychuk und Elisabeth Pähtz morgen einmal mehr gegenübersitzen. | Foto: Anna Shtourman/FIDE

Die Herren sind gegen Israel nominell leicht favorisiert, dürften aber auch im Fall von zwei Siegen keine Chance mehr haben, noch in die Medaillenränge zu kommen. Gewinnen sollten sie trotzdem, es sind ja noch drei Plätze auf einem anderen Treppchen frei: Beim Gaprindashvili-Cup, der Kombinationswertung für die beste Föderation, liegt Deutschland auf Rang acht.

3,5:0,5: Klatsche für England

■ Nach dem hohen Sieg über England sind die deutschen Frauen zwei Runden vor Schluss mit 14:4 Punkten in einer exzellenten Ausgangsposition. Das 3,5:0,5 zeichnete sich bald ab. Jana Schneider gewann nach einem 20-zügigen Theorieduell im Zweispringerspiel, nachdem der erste eigene Zug ihrer Gegnerin sich schon als entscheidender Fehler entpuppte. Gut für die Seele der volle Punkt von Hanna Marie Klek, bislang eher unglücklich agierend. Sogar über ein 4:0 hätten sich die Engländerinnen nicht beschweren können. Elisabeth Pähtz nutzte noch in der Eröffnung eine taktische Chance, bekam anhaltenden Vorteil, der aber nach und nach versandete.

2:2 gegen Litauen

■ Wenigstens ein 2:2 aus einem neuerlichen verkorksten Kampf herausgeholt, Matthias Blübaum sei Dank. Die Herren stehen jetzt bei 13:5 Punkten.

Svidler geht auf Distanz zu Deutschland

■ Bei den Damen sieht es nach zwei Stunden Spielzeit sehr, sehr gut aus. Elisabeth Pähtz hat signifikanten Vorteil, Jana Schneider ist nahe am Gewinn. Sollte es bei den Herren, bei denen es eher nicht gut aussieht, heute schiefgehen, hat sich schon ein Schuldiger offenbart.

15.d4 sieht ja schon fast wie ein Gewinnzug aus. Leider ist das Gegenteil der Fall.

Als Dmitrij Kollars das vermeintlich natürliche 15.d4? spielte und drauf und dran war, per 15…Sxe4! eine eiskalte Dursche verabreicht zu bekommen, führte Peter Svidler den kollarschen Aussetzer auf seinen WhatsApp-Kontakt zu Jan Gustafsson vor dem Match zurück. Wir erinnern uns: Einmal war Bundesgusti bisher bei chess24 zugeschaltet worden – der Tag, an dem sein Deutschlandvierer die SchmachNiederlage gegen Österreich erleiden sollte. Seitdem: Funkstille. Nun, nach dem ersten Kontakt seitdem, unterläuft Kollars prompt ein taktischer Bock. Svidler gelobt, ab sofort Distanz zum deutschen Team zu halten.

157:16 für Dvorkovich

Ist möglicherweise ein Bild von 2 Personen, Personen, die stehen und Text „AFFAIRS AND SPORTS FIDE GENS UNA SUMUS FIDE CONGRESS 2022 1st 8th August 2022, Chennai AmitMahotswy FIDE FIDE CONGRESS IDE. FID ONGRESS FIDE MA FIDE CONGRESS FI DE RESS E FID CONGEE ady ad rkovich E RESS Anan“
Arkady Dvorkovich mit seinem ersten Wahlkampfhelfer Viswanathan Anand. | Foto: FIDE

Arkady Dvorkovich hat mit überwältigender Mehrheit die Wahl zum FIDE-Präsidenten gewonnen. Ein Stimmenverhältnis von 157:16 bedeutet, dass wahrscheinlich sogar einige Föderationsvertreter, die sich offiziell auf die Seite des Gegenkandidaten gestellt hatten, in Chennai umgefallen sind. Es bedeutet, dass nicht einmal in Europa der ukrainische Gegenkandidat eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereint hat.

Dvorkovich wird nun für weitere vier Jahre die FIDE führen – außer ihn treffen internationale Sanktionen. “Im Falle der Sanktionierung des Präsidenten werden innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen angesetzt. Diese Änderung sei aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit eingeführt worden”, hat Ullrich Krause in Chennai gelernt.

Morgen steht eine weitere Richtungsentscheidung an. Der russische (und weißrussische) Verband will seinen Ausschluss aus dem Wettkampfbetrieb rückgängig machen. Bis dahin feiern die Russen ihren ersten Sieg als Zeichen, dass sie eben doch ein Teil der Weltgemeinschaft sind. Kaum war Dvorkovich gewählt, verkündete Andrey Filatov, Präsident des russischen Schachverbands: “Wir gratulieren Arkady Dvorkovich zu einem brillanten Sieg. Die Rekordzahl seiner Unterstützer zeigt, dass es in der Welt keine russische Isolation gibt.”

In der ersten Reihe…nicht

■ In der Entstehungsgeschichte dieser Seite spielt die Schacholympiade 2018 eine wesentliche Rolle. Der Deutschlandvierer marschierte als einziges Team ungeschlagen durchs Turnier. Anstatt unsere Jungs zu feiern und diese Vorlage im Sinne des Sports zu nutzen, begleitete unser Schachbund das Geschehen verspätet und im verquasten Ton des in der Selbstverwaltung verhafteten, vom Sport weit entfernten Apparats, der er 2018 war. Auf anderen Schachseiten war es kaum besser. An Bilder, bewegte gar, oder Stimmen von Spieler:innen war nicht zu denken. Wer Schachberichterstattung lesen wollte, die zu verfolgen Freude bereitet, musste sie sich selbst schreiben. Und so nahmen die Perlen vom Bodensee Fahrt auf:

Als die Deutschen um “Beton-Dieter” 2018 auf 14:4 Punkte kamen. Gewinnen sie heute gegen Litauen, sind sie einmal mehr in dieser exzellenten Ausgangsposition.

Vier Jahre später läuft es sportlich ähnlich. Unsere Jungs ebenso wie die Mädels haben es heute gegen nominell schwächere Gegner in der Hand, sich für die letzten zwei Runden in eine medaillenträchtige Ausgangsposition vorzuschieben. Was sich grundsätzlich unterscheidet, ist das Bild, das sie abgeben. Zum ersten Mal in der Geschichte des Schachbunds ist ein Berichterstatter Teil des Nationalmannschafts-Tross’. Und siehe da: Plötzlich haben die Spieler Gesichter, eine Stimme. Wer will, kann sich nahe dran fühlen und den Akteuren emotional verbunden – das muss doch im Sinne eines Weltverbands sein, der Menschen fürs Schach gewinnen will? Trotzdem nimmt die seit dem ersten Spieltag andauernde Posse um die Zugangsberechtigung von DSB-Reporter Paul Meyer-Dunker kein Ende. Gestern spielten die Deutschen am dritten Tisch – und niemand war da, der für die Fans daheim Nähe herstellen konnte. Meyer-Dunkers Perspektive war diese:

Nazivergleich

■ Es ging um Schach mit Maske auf Sardinien, Schiedsrichter, die übereifrig die Regeln durchsetzen, dann fiel der Satz: “…als ob sie ihre Ausbildung bei der Gestapo gemacht hätten…” Kommentar des Komoderators: “Ho ho ho…” Zum Reflektieren hier ein paar Hintergründe zur Gestapo. Hier zur Schachschiedsrichterei. Merkt ihr selbst, oder?

Schlange stehen, Schach gucken

■ Eine Stadt, die Schach atmet, von der angemalten, illuminierten Brücke über Schach-Public-Viewing bis zu den Schlangen vor dem Einlass, alles in einer Dimension, die aus deutsche Perspektive am ehesten an das Sommermärchen 2006 erinnert. Irre, was da los ist.

“Du, Arkady, bist verantwortlich”

■ Heute wird Arkady Dvorkovich als FIDE-Präsident wiedergewählt, morgen wird der Ausschluss der Russen und Weißrussen zurückgedreht. So geht die russische Choreografie für die FIDE-Generalversammlung. Danach? Die Sintflut. Wer weiß schon, eine FIDE-Tradition, wie viele Geschenke und Zusagen für Unterstützung den Delegierten speziell kleiner Föderationen in den vergangenen Tagen gemacht worden sind? Materielles für Stimmen hat der Gegenkandidat nicht anzubieten, er hatte nicht einmal einen Pavillon auf dem Olympiagelände. Ein Beobachter, der glaubt, der ukrainische Präsidentschaftskandidat Andrii Baryshpolets habe eine Chance, hat sich noch nicht offenbart.

“Du, Arkady, bist verantwortlich für das, was in der Ukraine passiert. Du hast die russische Kriegsmaschine mit aufgebaut”, erklärte der Herausforderer dem Amtsinhaber heute, verwies auf dessen leitende Tätigkeit im seit einigen Tagen sanktionierten russischen Silicon Valley Skolkovo und darauf, dass auch Dvorkovich Sanktionen drohen. Damit droht abermals ein Szenario wie am Ende der Iljumschinow-Zeit, als die FIDE mit einem Präsidenten unter internationalen Sanktionen keine Bank fand, die ihr Geld wollte. Bachar Kouatly hat seine Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen. Die Generalversammlung wird live übertragen. DSB-Präsident Ullrich Krause tickert auf seinem Blog.

|| Was bisher geschah

(Titelfoto: Maria Emelianova/chess.com)

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Schachus
Schachus
1 Jahr zuvor

Elisabeth Pähtz hat die taktische Chance in der Eröffnung nicht verpasst, sondern genutzt. Oder ging es etwa nicht um dxc6

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Matthias Willsch
Matthias Willsch
1 Jahr zuvor

Die deutschen Frauen gegen die Ukraine!
Hoffentlich haben die Verantwortlichen soviel Fingerspitzengefühl, dass Yuri Yakovich morgen im Hotel bleibt und Dinara Wagner nochmal aussetzt. Sollte nach dem heutigen souveränen Auftritt ja kein Problem sein, nochmal mit der gleichen Aufstellung zu spielen.