1.000.000 hier, 50.000 da: die Perlen bei Gunny und in der Rochade

Mittlerweile ist es Tradition: Bevor der Kongress des Deutschen Schachbunds tagt, überlegt sich der Schreiber dieser Zeilen, worüber im organisierten Schach dringend geredet werden müsste – und schreibt es auf. In der Schachverwaltung tun dann alle so, als würden sie es weit hergeholt finden, die bösen Perlen wieder, und dann machen sie weiter wie immer. Mit den bekannten Ergebnissen seit 2018.

Worüber 2024 hätte geredet werden müssen, lag auf der Hand. Der Verband hat kein Geld mehr, und wenn sich das ändern soll, muss welches reinkommen. Wie kriegen wir es hin, dass Geld reinkommt? Und wie kann es sein, dass das Präsidium in dieser prekären Lage den Eindruck erweckt, es sei an Geld gar nicht interessiert?

Links ist bald die Eine-Million-Euro-Marke geknackt: Die DSB-Kongress-Delegierten verbrachten jetzt einige Stunden Lebenszeit über der Frage, ob die Zahl unten links höher werden sollte. Die Zahl unten rechts und das krasse Missverhältnis zwischen diesen beiden spielte keine Rolle.

Während im laufenden Betrieb alles aufs Minimum gekürzt oder ganz gestrichen wird, während denjenigen von uns, die am besten spielen, die Unterstützung wegbricht, steuert der DSB nicht gegen. Er wirbt nicht um Spenden noch um Werbepartner oder Sponsoren. Es können noch so viele neue Vereinslose die Open oder DSAM-Turniere stürmen, weder verkauft der DSB Elo- noch DWZ-Lizenzen. DSB-Merchandise zur Schacholympiade? Ah geh! Sowas haben wir ja noch nie gemacht. Affiliate-Deals? Wasn das nu wieder.

Werbung

Ja, finden die Geld vielleicht doof? Und wollen gar keines? Könnte man denken, wäre aber falsch.

Eine Sorte von Geld finden die im Kongress des Deutschen Schachbunds versammelten Fachleute hochinteressant: das, das sie bei den Vereinsspielerinnen und -spielern eintreiben können, ohne sich aus der Komfortzone des Schachverwaltens begeben zu müssen. Um an dieses Geld heranzukommen, bedarf es keiner Akquise, keiner Fantasie, keines Gestaltungswillens, nur eines Kongressbeschlusses. Wir ändern einfach eine Zahl in einem unserer mehr als 20 (!, kein Scherz) Ordnungswerke, und schon kommt Geld rein. Niemand der 95.000 kann sich dagegen wehren, die gut 2000 Clubs auch nicht.

Trauriges Schauspiel: Weder war es redlich noch ehrlich, was die Delegierten des DSB-Kongresses während der Beitragsdebatte aufführten. Diejenigen, die unbedingt den Beitrag erhöhen wollten, malten ein Endzeitszenario – und ignorierten geflissentlich, dass der DSB im kommenden Jahr ohnehin einen sechsstelligen Betrag mehr in der Kasse hat als 2024, weil IT-Mittel freiwerden. Diejenigen, die unbedingt eine Erhöhung verhindern wollten, taten so, als sei es ein über Wohl und Wehe der Beitragsschäfchen entscheidender Unterschied, ob wir nun 1,10 oder 1,20 Euro im Monat bezahlen. Über solcher Zeitverschwendung inklusive dem obligatorischen Feilen an Ordnungswerken tickten die Stunden weg, in denen darüber hätte geredet werden können, wie wir den Laden neu hinstellen und ausrichten.

Und so öffnet sich die Schere immer weiter. Nach bald 150-jährigem Verharren in der Komfortzone werden die Beitragseinnahmen des Deutschen Schachbunds nun erstmals die Eine-Million-Euro-Marke knacken. Die außerhalb der Komfortzone zu findenden Einnahmen will niemand finden. Sie verharren im mittleren Fünfstelligen.

DSB-Finanzminister Axel Viereck war gut beraten, das, was reinkommt, dem Kongress nicht in Form eines Balkendiagramms darzustellen. Dann wäre vielleicht doch jemandem aufgefallen, dass der eine Balken himmelhoch nach oben ragt, während der andere sich kaum vom Boden hebt. Im Angesicht eines solchen Unterschieds hätte, vielleicht vielleicht, jemand gefragt, ob das nicht ein Missverhältnis ist und ob wir das nicht ändern wollen. Und wie das gehen könnte.

Gernot “Gunny” Leusch ist das Missverhältnis aufgefallen. Und er hat gefragt, nämlich, ob wir nicht einmal vor laufender Kamera darüber reden wollen – und über das, was sonst noch los ist im Schach. Klar, Gunny, machen wir:

Zu Besuch bei Gunny. Nebenbei ging es um Carlsen auf St. Pauli, um Ding vs. Gukesh, aber vor allem um den DSB-Kongress, auf dem Guido Springer insistierte, die Transparenz abzuschaffen, assistiert von Ingrid Lauterbach. Beiden schien ein derartiger Vorstoß nicht falsch vorzukommen. Gunny schon.

Wenig später kam eine Anfrage von der Rochade: Interview? Klar, machen wir. Es stellte sich dann heraus, dass gar kein Interview gemeint war. Ein solches bedeutet ja per Definition, dass zwei Menschen miteinander reden und der eine den anderen gezielt befragt. Hier war eher gemeint, ob der Schreiber dieser Zeilen nicht gewillt sei, einen Fragebogen auszufüllen, der der Leserschaft als “Interview” verkauft werden sollte.

Handwerklich bedenklich, nicht ganz ehrlich den Lesenden gegenüber, aber trotzdem eine verlockende Anfrage. Es sollte mal nicht um den Schachbund und das damit verbundene Verharren in der Selbstverwaltung gehen. Im Schach gibt es ja einige Entwicklungen, über die zu redenFragebögen auszufüllen Freude bereitet. Insofern, gerne:

Interview-Rochade
3.3 16 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

2 Comments
Most Voted
Newest Oldest
Inline Feedbacks
View all comments
Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
3 Monate zuvor

Ist die Aufgabenverteilung klar, wer kümmert sich um externes Geld.
Von unserer GF habe ich noch nie einen eigenständigen Bericht gelesen. Ist sie eigentlich noch beim DSB? Dann würde ich mir etwas mehr erwarten. Die Präsidentin macht schöne Besuche auf veranstalltungen der Kassierer erhöt laufend die Beiträge. Es läuft also.

trackback

[…] ist 2024 fällig. Da der Verband auf andere Einnahmen als das Geld seiner Vereinsspieler/-innen weitgehend verzichtet, muss er sich diese Belastungen aus den gegebenen Beitragsmitteln zusammensparen. Dieses Geld fehlt […]