(Aktualisierung, 12. Dezember: Wenige Stunden nach dem Erscheinen dieses Beitrags hat der DSB mitgeteilt, dass Olga Birkholz “überraschend” zurückgetreten ist. Wie nach dem Rücktritt der Vizepräsidentin Finanzen wird auch in diesem Fall DSB-Präsident Ullrich Krause kommissarisch ihre Aufgaben übernehmen. Beim Hauptausschuss am 7. Mai soll ein:e Nachfolger:in gewählt werden.)
Olga Birkholz, Vizepräsidentin Verbandsentwicklung des Deutschen Schachbunds, will von ihrem Amt zurücktreten. Quellen aus ihrem Umfeld berichten, dass die DSB-Führung eine erste Rücktrittserklärung in der vergangenen Woche nicht akzeptiert hat. Sie sei aber weiterhin entschlossen, das Amt niederzulegen. Birkholz selbst hat sich trotz mehrfacher Anfrage bislang nicht geäußert.
Beim fast 13-stündigen DSB-Kongress am 12. Juni hatte Birkholz zunächst für das Präsidentinnenamt kandidiert. Sie unterlag knapp Ullrich Krause, ließ sich dann als Vizepräsidentin Verbandsentwicklung nominieren und wurde als Nachfolgerin von Boris Bruhn gewählt. Der Hamburger hat sich nach einer kurzen, steilen Funktionärskarriere nun offenbar vollständig aus dem organisierten Schach zurückgezogen.
Die akuten Umstände der neuesten Entwicklung liegen im Dunkeln. Bekannt und hinreichend dokumentiert ist die Vorgeschichte. Als Vizepräsidentin Sport hatte sich Olga Birkholz in den Jahren vor dem Kongress 2021 ausgeschlossen gefühlt. Als sie im Juni selbst als Präsidentin kandidierte, warf sie Ullrich Krause einen “diktatorischen” Führungsstil vor – und kündigte einen grundlegenden Kulturwandel an, sollte sie als Präsidentin gewählt werden.
Für die ersten Verwerfungen innerhalb des neuen Präsidiums hat Vizepräsidentin Olga Birkholz selbst gesorgt. Ihr war aufgefallen, dass die Konstellation, die der turbulente Kongress mehr ausgewürfelt denn komponiert hatte, laut DSB-Satzung nicht erlaubt ist: Mit Ralph Alt war der Anti-Cheating-Chef des Verbands zum Vizepräsidenten Sport gewählt worden, obwohl in der Satzung steht: “Mitglieder des Anti-Cheating-Arbeitskreises dürfen nicht dem Präsidium angehören.” Birkholz legte vor dem Schiedsgericht Widerspruch gegen die Wahl Alts ein.
In der weiteren Zusammenarbeit an der DSB-Spitze muss die Umgangskultur nach Birkholz’ Wahrnehmung so geblieben sein, wie sie es stets beklagt hatte: Sie war außen vor. “Jede Möglichkeit, ihr Steine in den Weg zu legen, wurde wahrgenommen”, berichtet ein Vertrauter, der ebenfalls nicht erklären kann, ob es neben dieser nicht neuen Tendenz nun einen konkreten Vorfall gab, der Birkholz zur Rücktrittserklärung getrieben hat.
Von den vier Frauen, die Mitte 2021 angetreten sind, die Männerbastion Schachbund mitzugestalten, ist ein halbes Jahr später noch eine übrig. Schon die ersten beiden Demissionen stellen sich von außen betrachtet mysteriös dar. Von der Vizepräsidentin Finanzen Gulsana Barpiyeva hieß es es anfangs, sie sei die neue Aufgabe ambitioniert angegangen, habe weit mehr als ihr Vorgänger Hans-Jürgen Weyer gedrängt, detailliert Einblick zu bekommen. Wenige Wochen später war sie weg – zur allgemeinen Überraschung und “aus persönlichen Gründen”.
Nächste im Bunde war Öffentlichkeitsreferentin Anna-Maria Mondry, offenbar ein Missverständnis, dessen Entstehungsgeschichte nicht zu erhellen ist. Niemand im organisierten Schach hatte je von ihr gehört, plötzlich lag ihre Kandidatur auf den seit Thomas Ciesliks Rückzug vakanten Schleudersitz vor. Sie wurde gewählt, trat aber in der Folge nicht in Erscheinung. Nachdem sie beim Kongress in Magdeburg gefehlt hatte, erklärte sie auf Anfrage dieser Seite ihren Rücktritt vom Amt – “aus persönlichen Gründen”. Erstaunlich: Beim DSB wusste niemand davon.
Wie wichtig jemand in diesem Amt wäre, der konzeptionell denkt und handelt, offenbart das Schaffen der letzten Mohikanerin aus dem im Sommer angetretenen Frauenquartett, Breitenschachreferentin Sandra Schmidt. Die hat eine Reihe von Plänen für öffentlichkeitswirksame Projekte, das eine oder andere schon angestoßen, aber keine Stelle, an der sie andocken könnte und mit der sie in regelmäßigem Austausch steht. Es fehlt die Öffentlichkeitsreferentin.
Zu sehen war das jetzt, als auf Schmidts Initiative hin der Deutsche Meister Jonas Rosner unter dem DSB-Siegel WM-Partien für Anfänger herunterbrach. Obwohl im eigenen Hause geboren, brauchte der Schachbund viel zu lange, um diese schöne Aktion in seine Kanäle zu integrieren. Anfangs bedurfte es der Hilfe einer dem DSB gewogenen Schachseite, damit überhaupt jemand davon erfährt:
Nach Barpiyeva und Mondry nun also Olga Birkholz, die eine Vakanz auf einem zentralen Posten hinterlässt.
Vor dem Hintergrund des unlängst von Michael S. Langer angesprochenen Vereinssterbens und der Vereinskonzentration, überdies vor dem Hintergrund eines neuerlichen pandemiebedingten Erliegens des Spielbetriebs, ist “Entwicklung” für eine Schach-Vereinsstruktur im Umbruch das wichtigste Thema überhaupt. Und auch für die über Jahrzehnte im Stillstand befindliche, jetzt am Beginn einer Entwicklung stehenden DSB-Öffentlichkeitsarbeit wäre eine dafür zuständige Vizepräsidentin wichtig.
Gesucht wird nach Walter Rädler, Boris Bruhn, Olga Birkholz die/der vierte Vizepräsident:in Verbandsentwicklung unter Ullrich Krause, die/der sich diesen Aufgaben stellt.
(Titelfoto: Frank Hoppe/Schachbund)
War der DSB je „verweiblicht“? Konnte man ihn „entweiblichen“? Tragen Artikel wie dieser zu höherer Diversivität bei? Ich bezweifle es, und für mich ist der Artikel zu kurz gesprungen.
Abschied für immer oder bis zur nächsten Herausforderung ?
Verbandsentwicklung hätte einen entscheidenden Impuls bekommen können, die Ausgangslage war nie günstiger.
[…] stünden “in keinem Zusammenhang zueinander”, teilt der Deutsche Schachbund nach dem Rücktritt der Vizepräsidentin Verbandsentwicklung Olga Birkholz auf Anfrage dieser Seite mit. Es sei ein “grundsätzliches Problem”, dass […]
[…] am 7. Mai als Vizepräsident Verbandsentwicklung kandidieren. Das Amt ist seit dem Rücktritt von Olga Birkholz im Dezember unbesetzt. Den Sport zu verbreiten und Mitglieder für die Vereine zu […]
[…] das kein Alarmsignal, als die Finanzchefin hinschmiss? Von den elf seit 2018 durchs DSB-Präsidium geschleusten […]
Zum Fall Anna-Maria Mondry:
“Niemand im organisierten Schach hatte je von ihr gehört (…) Sie wurde gewählt (…).”
WTF?!? Ich versteh schon, dass es das Prinzip von Geheimen Wahlen gibt. Aber das gilt doch nicht für Kandidaten. Wie ist es denn dazu gekommen, dass eine vollkommen unbekannte Person erfolgreich gewählt wurde? Da müssen ja einige Leute ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Das ist schon ein sehr irritierender Fall.