Turnierveranstalter in Deutschland hätten es leichter, würden sie Synergien nutzen. Als Teil eines Turnier-Verbunds würde jeder Turnierveranstalter Ressourcen sparen, und er würde viel mehr Aufmerksamkeit erzeugen, als ihm das alleine gelingen kann.
Der Verbund wiederum, Dienstleister für die Veranstalter, wäre wegen seiner nationalen und internationalen Bekanntheit für Sponsoren viel attraktiver als der einzelne Turnierausrichter auf seiner lokalen Insel. Er könnte Mittel einwerben, die dem Einzelnen verwehrt bleiben, und er könnte mit seiner Reichweite neuen Turnieren helfen, schnell groß zu werden.
Darum stand hier neulich: „Wir brauchen eine Deutsche Schachtour.“ Böblingen, Heusenstamm, Bad Zwischenahn, Karlsruhe etc. sollten eine DST gründen, jeder würde profitieren. Oder, um es mit Schachfreund Aristoteles zu sagen: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
Mäzenatentum hilft dem Verein, dem Schach nicht
Das Vereinsschach ist in dieser Hinsicht weiter als das Turnierschach. Für die Spitzenvereine gibt es so eine Konstruktion schon, sie heißt „Schachbundesliga“, die stärkste Liga der Welt. Die hat sich einst vom Schachbund gelöst, um sich selbst vermarkten zu können.
Nur ist in dieser Hinsicht nichts passiert. Das hängt auch damit zusammen, dass die erste Liga der Schachvereine der im Vereinsschach üblichen, unserem Spiel wenig dienlichen Mäzenaten- und „Das Internet ist böse“-Tradition entstammt.

Mäzene sind keine Sponsoren, sie interessiert es nicht, dem Schach ein attraktives Produkt abzuverlangen. Sie geben Geld für ihr Hobby, bekommen dafür gelegentlich eine Spendenquittung, ein paar Punkte am Brett und die Dankbarkeit der lokalen Schachinselbevölkerung. Das genügt ihnen.
Für Vereine ist das eine tolle Sache, aber außerhalb des Vereinslokals hat niemand etwas davon. Im Gegenteil, das Schach hat sich viel zu lange daran gewöhnt, auf die Wohltaten von Gönnern angewiesen zu sein, anstatt sich sexy und lebensfähig zu machen für den Zeitpunkt, an dem sich der Gönner anderen Dingen zuwendet.
Wer keinen Mäzen hat, flüchtet sich in Fatalismus. Das im Schach seit Jahrzehnten übliche Wehklagen „Hach, es ist ja so schwierig, Sponsoren zu finden“ erklingt auch in der Bundesliga.
Die Endrunde: Schmuckstück des deutschen Schachs
Klar, man kann sich in seinem Unglück suhlen. Oder etwas dagegen tun. Und gleich mal die Perspektive wechseln. So schlecht stehen die Dinge nämlich gar nicht: Das Schach ist angesehen, ein Kulturgut, ein Unterrichtsfach, es verbreitet sich, ihm stehen alle Türen offen. Wir müssen nur einen Blick auf die Sponsorentafel der polnischen Liga werfen, deren Vereine in der deutschen Liga sportlich kaum mithalten könnten.

Unfair wäre, der Bundesliga vorzuwerfen, sie tue nichts. Bundesliga-Kämpfe sind bestens organisiert, bieten dem Besucher eine Show, sie haben mittlerweile Event-Charakter. Dafür hat die Liga gesorgt. Die Bundesliga-Endrunde in Berlin ist das Schmuckstück des deutschen Schachs, eine Erfolgsgeschichte, auch diese Bühne hat die Bundesliga aus sich selbst geboren.
Keine Geschichten, keine Gesichter, keine Schlagzeilen
Vorwerfen lässt sich der Liga, dass sie sich in erster Linie als Organisator und Verwalter versteht, und dass nicht gleichberechtigt neben diesen beiden Begriffen „Dienstleister für Vereine“ steht (so wie bei der Deutschen Schachtour „Dienstleister für Turnierveranstalter“ stehen würde).
Vorwerfen lässt sich der Liga auch, dass sie sich nicht seit der Abspaltung vom DSB dort attraktiv gemacht hat, wo die Schachspieler sind: im Internet. „Schachbundesliga“, das ist in der Schachszene weltweit ein Begriff. Nur ist die Liga für diese Szene abseits der Liveübertragung (bei einem externen Dienstleister) nicht wahrnehmbar. Sie erzählt keine Geschichten, zeigt keine Gesichter, produziert keine Schlagzeilen, dasselbe Phänomen wie beim DSB übrigens, der ja wenigstens ein Ass im Ärmel hätte, das sich von jetzt auf gleich zu Geld machen ließe.

Die Bundesliga hat so etwas nicht. Ihr fehlt die Aufmerksamkeit, die sie einem Liga-Sponsor als Gegenleistung anbieten könnte, und darum hat sie niemanden, dessen Mittel helfen würden, nicht jede Saison bis zur Endrunde zu einem Drahtseilakt zu machen, bei dem immer wieder jemand vom Seil fällt. Ein logischer Schluss wäre, Aufmerksamkeit zu generieren.
Wenn wir schon bei Vorwürfen sind, müssen wir an dieser Stelle den Vereinen vorwerfen, dass sie von ihrer Liga nicht genau dieses Trommeln für die Sache einfordern. Klar, der Schachspieler neigt dazu, sich Scheuklappen anzulegen und isoliert auf seiner Insel herumzuwurschteln. Aber wenn du ganz oben angekommen bist, wenn du schon eine Dachorganisation hast, die deiner Sache als Multiplikator dienen kann, die Wissenstransfer anbieten kann, dann gehe ihr so lange auf die Nerven, bis sie es tut.
Workshop und Austausch für Liganeulinge
Das gilt vor allem für kleinere Vereine und Liganeulinge. Einige große kommen auf ihren Inseln auch ohne Liga zurecht. Werder Bremen und Bayern München profitieren längst von einer professionellen Dachorganisation. In Baden-Baden und Deizisau haben sie sich ein lokales Perpetuum Mobile gebaut, in Hockenheim und Viernheim sind sie anscheinend findig genug, ihrer lokalen Schachinsel ausreichend Ressourcen zu entnehmen, und in Aachen wollen sie sich in allererster Linie am einmaligen Schachabenteuer Bundesliga erfreuen. Den monetär-logistischen Part stemmen sie schon irgendwie.
Und die anderen? Den Lingenern hätte vor der Saison ein Workshop und Austausch mit anderen Bundesligisten zumindest nicht geschadet. Der unerwartete Rückzug schlug hohe Wellen.
Immerhin zeigt das, in welchem Maße die Schachbundesliga Identifikation erzeugt. Sie ist ja auch die stärkste Liga der Welt. Die haben nur wir, und sie sollte ein international beachtetes Aushängeschild sein. Wahrscheinlich gibt es niemanden, der sich nicht daran erfreuen würde, wenn sie eine stabile Spur findet und nicht länger balancieren muss.
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