Um die Deutschen von der Tabellenspitze in der Central Division der ProChess League zu kegeln, boten die Schweden alles auf, was sie aufzubieten hatten: vier veritable Großmeister, darunter der stärkste Spieler Schwedens, ein ehemaliger WM-Kandidat und der stärkste Spieler des afrikanischen Kontinents.
Heja Sverige? Von wegen.
Team-Deutschland-Manager Bo Wimmer hatte schon vor dem Match am Donnerstag angekündigt, die von Wasa gesponserte schwedische Auswahl zu Knäckebrotkrümeln zu verarbeiten, und seine Jungs hielten Wort. Allerdings ging es knapper zu, als es das 9,5:6,5 vermuten lässt. Vor dem letzten Vier-Partien-Durchgang stand es 6:6, nachdem Dmitrij Kollars sich trotz Increment über die Zeit hatte heben lassen.
Das Match haben die Schweden verloren, sportlich dürfen sie sich nicht als Gewinner fühlen, aber doch als Innovator, der den Versuch angeht, Online- und Offline-Schach zusammenzuführen. Die schwedische Mannschaft spielte live vor Publikum, und die Besucher waren eingeladen, zuvor ein Online-Blitzturnier zu spielen, dessen Teilnehmer sich in einem Raum befinden. Angesichts solcher Ideen lässt sich erahnen, warum die FIDE speziell in Skandinavien besonders viel Potenzial für Schach sieht.
Wenn sich beim Vereinsabend die Tür öffnet und ein nie zuvor gesehener Neuling hereinkommt, dann repräsentiert der nicht selten eine zentrale Gretchenfrage, vor der das Schach steht: Wie lässt sich die Masse der Online-Schachspieler an das Turnier- und Vereinsschach heranführen? Viele von denen, die nur beim SC Lichess spielen, wissen nicht einmal, dass es organisiertes Schach und Schachturniere gibt.
Mitgliederpotenzial für Schachvereine
Beim SC Überlingen, einem in einer Schachwüste angesiedelten Dorfverein, öffnete sich anno 2019 vier Mal die Tür, und ein potenzieller Neuzugang betrat den Raum. Zwei von denen hatten bis dahin nur online Schach gespielt. Allein dem Zufall verdanken wir, dass sie gesehen hatten, dass es in ihrer Nähe einen Schachverein gibt.
Angesichts der 50%-Quote vom Bodensee lässt sich erahnen, welches Mitgliederpotenzial online für große Vereine in urbanen Gegenden brachliegt. Es müsste nur jemand dem Zufall auf die Sprünge helfen.
Das deutsche Schach in der Schockstarre
Nun tut sich das deutsche Schach generell schwer damit, im 21. Jahrhundert anzukommen. Deutsche Funktionäre vertreten gefühlt mehrheitlich die Auffassung, das Online-Schach schade den Vereinen. An der Spitze des deutschen Schachs steht zwar jemand, der in dieser Hinsicht Aufklärung betreiben könnte, und auch an der Spitze der Schachjugend wissen sie es mutmaßlich besser.
Leider befinden sie sich hier wie dort nach den Verwerfungen und Aufregern der jüngeren Vergangenheit in einer Schockstarre. Von DSB-Präsident Ullrich Krause haben wir ewig nichts gehört, von seinem DSJ-Pendant Malte Ibs auch nicht. Der eine hat inoffiziell die Führung des DSB seinem Geschäftsführer übergeben (was nur konsequent ist, weil eh getan wird, was der sagt). Der andere will, heißt es, die Brocken möglichst bald hinschmeißen. Sich selbst zu verwalten, bekommen sie in der gegebenen Konstellation wahrscheinlich hin, aber Handlungsfähigkeit Weichenstellungen, Visionen und Kommunikationsoffensiven sind hier wie dort nicht so bald zu erwarten.
Die Verbindung Schach und eSport
Wenn der DSB die 100.000-Mitglieder-Marke knacken will, wären sogar zwei Arbeitsgruppen vonnöten. Eine mit dem Auftrag, das brummende Schulschach in Richtung Vereine zu kanalisieren, eine andere mit dem Auftrag, beim brummenden Online-Schach dasselbe zu tun. Die zweite Gruppe könnte jetzt schon von den Schweden lernen.
Deren ProChess-League-Team “Sweden Wasabis” hat sich von Beginn an auf die Agenda geschrieben, eine Verbindung zwischen traditionellem Offline-Schach und eSport herzustellen. Wie das geht, demonstrierten die Schweden jetzt beim Match gegen Tyskland.
Der Schachabend begann mit einem gemeinsamen, einstündigen Blitzturnier in einem Vier-Sterne-Hotel in der Stockholmer Innenstadt. Danach eine kurze Pause mit Preisverleihung und Gelegenheit zum Snack. Danach wechselten die Teilnehmer in die Zuschauerränge, und die Spitzenkönner übernahmen: Deutschland gegen Schweden, angeführt vom bekannten schwedischen Großmeister Alexei Schirow, den die Wasabis für diese Veranstaltung eingeflogen hatten.
Nominell hatte die bärenstarke schwedische Auswahl beste Chancen, die deutsche zu schlagen. Aber beim Stand von 6:6 bewiesen die Deutschen die besseren Nerven. Mit 3,5:0,5 gewannen sie den finalen Durchgang und damit das Match. Die Qualifikation für die Play-Offs haben die “Germany Bears” nun fast geschafft.
Fast schon traditionell hält es Bären-Manager Bo Wimmer nach solchen Siegen kaum auf seinem Sitzmöbel. Wahrscheinlich würde er noch nachhaltiger ausflippen, fiele ihm und seiner Truppe ein Sponsor à la Wasa in den Schoß. Einen solchen hat Team Deutschland bislang nicht gefunden.
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