Spitzenmatch ohne Zuschauer / Ligachef schmeißt hin

Mit einem 3,5:2,5-Sieg über Tabellenführer Baden-Baden hat der Hamburger SK der Frauenbundesliga ein knappes, spannendes Saisonfinale beschert. Vor den drei letzten Runden, zentral gespielt vom 7. bis 9. Juni in Bad Königshofen, liegen drei Teams dicht beieinander an der Tabellenspitze. Ein Konflikt hinter den Kulissen überschattet die sportlich erfreuliche Situation. Bundesliga-Staffelleiter Roland Katz ist jetzt während der laufenden Saison zurückgetreten.

Womöglich hat Eline Roebers (links) vor der wichtigen Partie gegen Dinara Wagner (im Video) einige Anti-Sizilianisch-Eröffnungstipps von Gabor Papp (hinten, Mitte) und Georgios Souleidis (2.v.r.) bekommen. Rezepte für eine Liveübertragung standen bei den Hamburger:innen offenbar nicht auf der Speisekarte.

Als nominelle Außenseiterinnen waren die im Schnitt fast 100 Elo unterlegenen Hamburgerinnen gegen die Baden-Badener Startruppe angetreten. Auf deren Seite spielten neben den drei deutschen Spitzenspielerinnen Elisabeth Pähtz, Dinara Wagner und Josefine Heinemann die erstmals nominierte Asienmeisterin Divya Deshmukh, Exweltmeisterin Antoaneta Stefanova und die langjährige deutsche Nummer eins Ketino Kachiani-Gersinska.

Pähtz vs. Socko: Nach 33.Dc2 (linkes Diagramm) hält Weiß in allen Abspielen Vorteil fest – außer nach dem kritischen, von Socko gespielten 33…e4, das …Df3+ nebst …Td1 droht. Nach 34.Lxf6 Df3+ 35.Kh2 Td1 36.Dxd1 Dxd1 37.Lxg5 De2 38.Tc8+ Kh7 (rechtes Diagramm) hat Weiß zwarTurm und zwei Figuren für die Dame – aber nicht für lange. Nicht nur f2 hängt, wegen potenziellen Schachgeboten auf d1 hängt auch der Sa4. Die Stellung ist schon fast gewonnen für Schwarz.

Nach einem Bericht der Baden-Badener war letztlich die Partie am ersten Brett zwischen Pähtz und der polnischen GM Monika Socko entscheidend. Pähtz hat nach Baden-Badener Darstellung in unklarer Lage angenommen, unbedingt gewinnen zu müssen. Der Gewinnversuch führte zur Null. Socko, die gerade erst mit dem FC St. Pauli in die Bundesliga aufgestiegen ist, hat jetzt die Chance, mit dem Lokalrivalen Hamburger SK die Frauenbundesliga zu gewinnen.

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Während des Tata Steel Chess standen in den vom Ausrichter nicht moderierten YouTube-Kommentarspalten unter ihren Interviews weniger Deshmukhs zwei Siege über GM zur Debatte, stattdessen allerlei Anzüglichkeiten. Deshmukh beschwerte sich darüber, was nicht nur in indischen Medien ein erhebliches Echo auslöste. Jetzt hat sie erstmals in der Frauenbundesliga gespielt.

Vernehmbares Murren von Schachfans, die angesichts einiger aufregender Paarungen gerne zugeschaut hätten, begleitete das für die deutsche Meisterschaft wichtige Duell. Eine Liveübertragung der Partien vom Ausrichter Karlsruher SF gab es nicht.

In der Frauenbundesliga ist eine Liveübertragung nicht vorgeschrieben, anders als in der Bundesliga (wo sie an fast jedem Spieltag an mindestens einem Spielort nicht funktioniert). Der Hintergrund ist, Amateurmannschaften die dafür anfallenden Kosten zu ersparen. „Wir haben keinen Sponsor und müssen haushalten. Die explodierenden Reisekosten bringen uns schon an den Rand unserer Möglichkeiten“, heißt es aus Karlsruhe auf Anfrage dieser Seite, warum die Partien nicht live zu sehen waren.

https://twitter.com/OnTheQueenside/status/1771854973288292582
“…but the games aren’t broadcast!”: Eline Roebers war unter allen Beteiligten in Karlsruhe wahrscheinlich diejenige mit der größten internationalen Fangemeinde.

Bezeichnend bleibt die Konstellation trotzdem, allein wegen dutzender, wenn nicht hunderter DGT-Bretter in unmittelbarer Nachbarschaft des Karlsruher Spiellokals. Dass ein potenziell vorentscheidendes Spitzenmatch in der Bundesliga von Interesse sein könnte, darauf sind vorab offenbar weder die eifrig facebookenden Gäste aus Hamburg mit ihrem youtubenden Teamchef gekommen noch die zwar öffentlich ungelenken, aber mit erstaunlichen Mitteln ausgestatteten Gäste aus Baden-Baden. Mit ein wenig Zusammenarbeit hätte sich in Karlsruhe leicht eine Liveübertragung organisieren lassen, wäre sie nur gewollt gewesen.

Die Meisterschaftsfrage bleibt unbeantwortet, die Aufstiegsfrage ist geklärt. Während der Bundesliga mit dem FC St. Pauli eine der stärksten Marken des deutschen Sports in den Schoß gefallen ist, wird die Frauenbundesliga 2024/25 um eine (sportlich veritable) Kuriosität bereichert – eine Familienmannschaft. Der von der Schachfamilie Peglau gegründete Verein „SZ Seeblick Dippoldiswalde“ ist aufgestiegen. WFM Charis Peglau, derzeit spielstärkste der sechs Schwestern, pflügte 2023/24 mit 7 Punkten aus 7 Partien durch die Gegnerschaft am ersten Brett der zweiten Bundesliga Ost.

“Keine Grundlage für Zusammenarbeit”: (von links) Roland Katz, Nadja Jussupow, Dan-Peter Poetke. | Fotomontage, Fotos: Arne Jachmann/DSB

Zu klären sein wird, wer als Staffelleiter die Saison 2024/25 betreut. Am Donnerstag vergangener Woche erklärte Roland Katz in einer E-Mail an die Mitglieder der DSB-Frauenkommission seinen Rücktritt als Turnierleiter Frauenbundesliga/2. Bundesliga sowie als Mitglied der Kommission. Für weitere Zusammenarbeit mit Frauenreferentin Nadja Jussupow und dem ehemaligen Referenten Dan-Peter Poetke fehle ihm die Grundlage, schrieb Katz in seiner Mail, die er dieser Seite auf Anfrage zukommen ließ. Jussupows Arbeit bewertet er als geleitet von „Machtinteresse und Kontrollzwang“.

Tatsächlich gärt es rund um die Frauenkommission schon seit längerem, nach übereinstimmenden Angaben von Beteiligten in erster Linie wegen unterschiedlicher Vorstellungen hinsichtlich der Besetzung von Posten. Auslöser des Rücktritts war jetzt die Organisation der Frauen-Mannschaftsmeisterschaft der Landesverbände in Braunfels vom 30. Mai bis 2. Juni. Dort wollte Katz als Hauptschiedsrichter zusammen mit Poetke als Schiedsrichter tätig sein, ein Ansinnen, das die Schiedsrichterkommission ablehnte: Mindestens eine Frau müsse unter den Schiedsrichtern sein.

„Das war schmerzhaft für Roland, er hat es nicht gut angenommen“, sagt Jussupow auf Anfrage dieser Seite. Mehrere Versuche, einen Kompromiss zu finden, seien daraufhin gescheitert.

Der Spielbetrieb in der Frauenbundesliga sei deswegen nicht gefährdet. Laut Jussupow hat sich kurzfristig Jürgen Kohlstädt bereiterklärt, den Rest der Saison zu übernehmen. Ebenfalls kurzfristig hat ihn jetzt offenbar Poetke abgelöst. Der DSB-Ergebnisdienst führt seit dem Wochenende Poetke als Staffelleiter der Frauenbundesliga sowie der drei zweiten Ligen. Gespräche darüber, wer die kommende leitet, laufen laut Jussupow bereits.

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