Meyer-Dunker verlässt den DSB

Paul Meyer-Dunker arbeitet nicht mehr für den Deutschen Schachbund. “Auf eigenen Wunsch” verlasse er seinen bisherigen Arbeitgeber. Das hat DSB-Präsident Ullrich Krause jetzt seinen führenden Funktionären per E-Mail mitgeteilt. Krauses Schreiben liegt dieser Seite vor. Auf Anfrage dieser Seite, warum er ausscheide, wollte sich Meyer-Dunker nicht äußern.

Krauses Mail ist die zweite Mitteilung binnen einer Woche, die Personelles unter den Hauptamtlichen betrifft. Gerade erst hat er verkündet, dass DSB-Geschäftsführer Marcus Fenner (der offenbar weiter als solcher firmiert) künftig weder die Geschäfte führt noch die Geschäftsstelle leitet. Fenner arbeite jetzt strategisch, konzeptionell und repräsentativ:

Im Zuge des Neuzuschnitts der Aufgaben des Geschäftsführers war nach außen gedrungen, es habe vorher einen geschlossenen Protest der Angestellten gegeben. Die Folge war eine Krisensitzung während des Schachgipfels in Magdeburg. Anschließend informierte Krause seine Funktionäre, dass Fenner bleibt, aber mit neuem Aufgabengebiet. Wenig später kündigte Meyer-Dunker.

Werbung

Die Zusammenarbeit mit Paul Meyer-Dunker währte nicht einmal ein Jahr. Mitte Juni 2021 hatte der DSB die Stelle ausgeschrieben, Ende September 2021 wurde Meyer-Dunker als “Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt Social Media” eingestellt.

Die Personalie löste im Arbeitskreis der Landesverbände sogleich Aufruhr aus. Als Präsident des Berliner Schachverbands und zugleich DSB-Angestellten sahen die meisten anderen Landespräsidenten Meyer-Dunker von einem Interessenkonflikt betroffen – und drohten reihenweise, dem AKLV fernzubleiben, sollte Meyer-Dunker nicht das Gremium verlassen.

Ein Sturm im Wasserglas, zeigte sich bald, wahrscheinlich ein Versuch des traditionell hinter verschlossenen Türen mit abstrakten Fragen beschäftigten Gremiums, sein einziges auf Präsentation und Verbreitung des Schachs fokussiertes, auf Modernisierung und Veränderung drängendes und damit unbequemes Mitglied loszuwerden. Meyer-Dunker blieb, niemand trat aus, und der vermeintliche Interessenkonflikt stand nie wieder zur Debatte. Stattdessen soll jetzt der AKLV aufgelöst werden.

Viel interessanter war die Frage, welches Kalkül Fenners und Krauses hinter der Verpflichtung Meyer-Dunkers stand. Ins Schema derjenigen, die mit dem in seinen Eigenheiten gefangenen Geschäftsführer und dem ihn bedingungslos stützenden Präsidenten reibungsfrei zusammenarbeiten können, passte der Neue gewiss nicht. Diese Seite kommentierte am 5. Oktober 2021:

Knapp elf Monate später lässt sich die Frage, “ob er den Laden sprengt oder antreibt”, mit “Beides” beantworten.

In der Außendarstellung des DSB passierte bald das, was in anderen Sportverbänden selbstverständlich ist, beim Schach aber einen Anfang repräsentierte: Die Spitzensportler bekamen Gesicht und Stimme, sie schrieben Geschichten. Schach wurde zum Publikumssport, dessen Verband mitfieberte, Erfolge feierte, gezielt emotionale Nähe zwischen seinen sportlichen Aushängeschildern und dem Publikum herstellte. Erstmals in seiner Geschichte wurde der Schachbund dem gerecht, was seit Jahren im Leitbild festgeschrieben ist und doch ignoriert worden war: Verbreitung und Ansehen des Sports fördern. Marketing.

Die vorläufigen Höhepunkte dieser Entwicklung haben Schachfreunde während der Schacholympiade und des -gipfels erlebt. Wahrscheinlich nicht ohne Stolz hat Meyer-Dunker danach Zahlen präsentiert:

Meyer-Dunkers Arbeitszeugnis.

Hunderttausende Leute haben auf diversen Plattformen deutsches Spitzenschach mindestens wahrgenommen, teilweise engagiert verfolgt. Und das quasi aus dem Stand, es war ja in den Jahrzehnten zuvor keine Reichweite und kein Engagement aufgebaut, keine Basis gelegt worden.

Jetzt gibt es eine Basis, auf der sich aufbauen ließe, ein Publikum, das sich über mehr freuen würde – und Potenzial, das sich noch erschließen ließe. Über Sponsoren wird beim Schach nicht erst seit Fenner/Krause geredet, akquiriert werden keine, Akquisen angebahnt auch nicht. Jetzt ließen sich potenziellen Sponsoren zum ersten Mal in der Geschichte des Deutschen Schachbunds attraktive Zahlen und ein Gegenwert des Engagements aufzeigen. Aber es gibt nach Meyer-Dunkers Demission vorerst niemanden mehr, der etwa anlässlich des Bundesliga-Starts im Oktober 2022 an der im Juli/August geleisteten Aufbauarbeit anknüpfen könnte.

Speziell während der Olympiawochen offenbarte sich neben dem inhaltlichen Antreiber Meyer-Dunker auch der Meyer-Dunker mit Sprengkraft. Das sah jeder, der Ullrich Krauses Olympia-Blog und Meyer-Dunkers Olympia-Twitter verfolgte. Was für ein Unterschied.

Ullrich Krause in Chennai. | Foto: Paul Meyer-Dunker/DSB

In der ersten Olympiawoche war der Blogger Ullrich Krause sogar zur Entdeckung in der deutschen Delegation geworden. Mit feinen Beobachtungen und lakonischem Witz ließ Krause seine Leser Tag für Tag das indische Schachabenteuer miterleben. Dann rückte die FIDE-Wahl näher, Krause zog um ins Kongresshotel – und muss auf dem Weg dahin allen Mut verloren haben.

Aus dem Kongresshotel berichtete fortan nicht der Anführer eines der größten Verbände der Welt, wie er seine Agenda verfolgt und für seine Themen wirbt. Stattdessen schrieb im Krause-Blog ein Beobachter, der sich von Funktionären kleinerer Verbände die Schachwelt erklären lässt. Zwischen den Zeilen teilte Krause Tag für Tag mit: Der deutsche Präsident war nicht nach Indien gekommen, um bei der FIDE-Versammlung über die Stimmabgabe hinaus ein Faktor zu sein, eine Haltung zu zeigen und schon gar nicht, um gegen die drohende Niederlage des von Deutschland unterstützten Präsidentschaftskandidaten zu kämpfen.

Das Gegenprogramm zum Mann ohne Meinung und dessen Blog lief auf dem Twitter-Kanal von Krauses Angestellten Meyer-Dunker. Neben seiner Arbeit fürs deutsche Schach stürzte sich der Berliner in den Wahlkampf. Der unverblümt für Dvorkovich werbende FIDE-Geschäftsführer Emil Sutovsky etwa musste sich von Meyer-Dunker anhören, er solle aufhören, Lügen zu verbreiten.

FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich beging, befragt von “Paul Meyer-Dunker, German Chess Federation”, sogar eine Straftat. Er nannte den Krieg Krieg, was sich die wenigsten seiner Landsleute straffrei erlauben können.

Wie man den Krieg nennt, sei weniger wichtig als eine Antwort auf die Frage, wie sich Frieden herstellen lässt, erklärte Dvorkovich Meyer-Dunker. Hier ist eine einfache Antwort auf die Frage: Dvorkovichs Landsleute müssen nichts weiter tun als nach Hause gehen, es wäre Frieden.

Bei den FIDE-Oberen ist Meyer-Dunkers hochtourig laufendes Politprogramm nicht unbemerkt geblieben. Ob die DSB-Spitze stolz und erfreut war, dass wenigstens einer aus ihren Reihen für die DSB-Position in die Bresche sprang?

Wer in Krauses Blog verfolgt hat, wie sich der DSB-Präsident in Chennai durchschlängelte, ohne anzuecken, wer zudem weiß, in welchem Maße Fenner seine Wichtigkeit auf seinen direkten Draht zu Emil Sutovsky stützt, der kann sich leicht ausmalen, wie wenig komfortabel die beiden Chefs sich während der Schacholympiade mit ihrem so gar nicht stromlinienförmigen Mitarbeiter fühlten. Nach außen war die Schacholympiade 2022 der größte Publikumserfolg in der DSB-Geschichte, innen hat sie zu einem Knacks geführt.

Gregor Johann. | Foto: DSB

Bruchstellen soll es einige mehr geben, nicht nur zwischen Meyer-Dunker und Fenner/Krause, nicht nur zwischen den anderen Hauptamtlichen und ihren beiden Vorgesetzten. Bundesturnierdirektor Gregor Johann etwa, eine der zentralen ehrenamtlichen Figuren des Deutschen Schachverbands, wird unter den gegebenen Umständen nicht wieder für sein Amt kandidieren. Das hat mit Johanns Unzufriedenheit mit der geplanten Satzungsreform zu tun – aber eben nicht nur. Auf Anfrage teilt Johann mit: “Marcus Fenner und ich sind in wesentlichen Punkten (z.B. frühzeitige Planung, Verlässlichkeit von Zusagen) arbeitsinkompatibel. Der Präsident hat immer deutlich gemacht, auf wessen Seite er steht.”

4 30 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

30 Comments
Most Voted
Newest Oldest
Inline Feedbacks
View all comments
Walter Rädler
Walter Rädler
2 Jahre zuvor

1. Das mit Paul Dunker-Meyer ist einfach nur schade und traurig. Ein guter Mann verlässt das (hoffentlich nicht sinkende) Boott.
2. Zitat 1: Gregor Johann, der als Spielleiter ein Synonym für Zuverlässigkeit ist: “Marcus Fenner und ich sind in wesentlichen Punkten (z.B. frühzeitige Planung, Verlässlichkeit von Zusagen) arbeitsinkompatibel”.
Zitat 2: Fenner arbeite jetzt strategisch, konzeptionell und repräsentativ.
Finde den Widerspruch!
Ich hätte eine Idee, wie der DSB sich jeden Monat einen hohen vierstelligen Betrag einsparen kann!

Daniel Flock
Daniel Flock
2 Jahre zuvor

Schade! Die Berichterstattung der Olympiade hat Spaß gemacht, Hoffentlich kann die Nachfolgerin oder Nachfolger in diesem Sinne weiter fortfahren.

Daniel Hendrich
Daniel Hendrich
2 Jahre zuvor

Ich finde es schade, dass es dem DSB immer wieder “gelingt”, seine fähigsten und engagiertesten Kräfte zu vertreiben.

Peter Müller
Peter Müller
2 Jahre zuvor

Ich kann nur hoffen, dass PMD sich nun wieder hinreichend seinen Aufgaben als Präsident des Berliner Schachverbands widmet. Hier ist er für mich jedenfalls seit geraumer Zeit unsichtbar.

Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
2 Jahre zuvor

 “Marcus Fenner (der offenbar weiter als solcher firmiert) künftig weder die Geschäfte führt noch die Geschäftsstelle leitet. Fenner arbeite jetzt strategisch, konzeptionell und repräsentativ:”

Keine Geschäfte keine Geschäftsstelle ? Geschäftsführer !
Vielleicht kümmert sich Herr Dr. Fenner um die in Vergessenheit geratene Causa Dr.Jordan. Die Öffentlichkeit hat ein recht auf Aufklärung.
Oder ist das Thema unterm Teppich verschwunden.

Walter Rädler
Walter Rädler
2 Jahre zuvor

https://www.chesstech.org/2022/german-federation-in-disarray/
chesstech behauptet, Gregor Johann wäre auch nicht mehr im Amt. O.k, Gotteslästerung ist auch ein ernstzunehmendes Verbrechen! Wenn eine Schülerin so etwas mit mir macht, muss sie/er mindestens 100 mal schön schreiben: Walter Rädler ist zuverlässig und plant lange voraus, dann ist die Welt wieder in Ordnung!
Der letzte macht das Licht aus, wird Ulrich Krause Hausmeister?

kumagoro
kumagoro
2 Jahre zuvor

Wenn ein Verband mehr Bruchstellen hat als nahtlose Zusammenabeit – ist er dann eigentlich noch gemeinnützig?
Und was machte eigentlich Kim Jong-un in Chennai??

trackback

[…] Meyer-Dunker verlässt den DSB […]

trackback

[…] Paul Meyer-Dunker bleibt beim Deutschen Schachbund. Zwei Wochen, nachdem der DSB die Kündigung seines Öffentlichkeitsarbeiters verkündet hatte, teilt DSB-Präsident Ullrich Krause nun mit, es sei dem Präsidium gelungen, ihn […]

Gerald
Gerald
2 Jahre zuvor

Dass niemand diese Spitze austauschen kann…

Sven Hagemann
Sven Hagemann
2 Jahre zuvor

Nun ist es passiert und Dr. Fenner ist weg.
Ob Herr Meyer-Dunker jetzt nicht doch bleiben möchte ?!