Der eine Teilzeitstudent, Schachgroßmeister und -profi, der andere? “Profi zu sein, würde mir gefallen, aber so weit zu kommen, ist natürlich nicht leicht”, sagt Frederik Svane (16). Großmeister will er auf jeden Fall werden, die Spielstärke dafür hat er ja schon fast. Wie es dann weitergeht, Studium, Schach oder beides, wird die Zukunft zeigen.
Nachdem wir im ersten Teil unseres Gesprächs mit den Schachbrüdern Rasmus und Frederik Svane ihren schachlichen Werdegang beleuchtet haben, schauen wir heute auf die von der Pandemie geprägte Gegenwart – und in die Glaskugel.
Frederik alias „Chessfis“ sehen wir beim Onlineschach gelegentlich auf Twitch, dich nicht, Rasmus?
Rasmus: Mit dem Gedanken gespielt habe ich schon, aber im Moment ist das kein Thema. Frederik ist spontaner. Der hat einfach angefangen.
Frederik: Ein bisschen vorbereitet hatte ich das Streamen schon. So ein Kanal muss ja erstmal aufgesetzt werden.
Du hast sogar direkt nach dem WM-Gewinn gestreamt. Wofür steht „chessfis“?
Frederik: Ach, das war nicht so kreativ. Meine Initialen: Frederik Ingemann Svane. Außerdem ist „fis“ eine Musiknote und ein dänisches Wort. Es bedeutet etwa „Späßchen“.
Lasst uns über Perspektive reden. Rasmus, du bist Schachprofi?
Rasmus: In der Oberstufe habe ich entschieden, dass ich Schachprofi werden möchte. Seit meinem Abi 2016 sehe ich mich als Profi. Ende 2018 bekam ich das Angebot, an einer US-Uni zu studieren, eine Art Schachstipendium. Darüber habe ich ernsthaft nachgedacht, weil mich ein Philosophiestudium reizt. Letztlich habe ich das Angebot aus den USA nicht angenommen. Aber ich habe herausgefunden, dass man an der Fernuni Hagen Philosophie studieren kann. Damit habe ich tatsächlich angefangen. Jetzt bin ich Teilzeitstudent, aber hauptsächlich Schachprofi.
Deine Prinzenkollegen Alexander Donchenko und Matthias Blübaum sind in der Elo-Liste ein wenig davongezogen. Holst du die beiden 2021 ein?
Rasmus: Ich denke, ich sollte die Spielstärke haben, um in näherer Zukunft 2650 Elo anzugreifen. Mittelfristig würde ich gerne mal an den Top 50 kratzen, auch das müsste möglich sein, wenn ich mein Potenzial ausschöpfe. Viel mehr als das ist wahrscheinlich nicht realistisch. Ich bin ja auch schon 23! Besonderen Druck mache ich mir aber nicht in dem Sinne, dass ich mich zwinge, mich hinzusetzen und Schach zu arbeiten, auch wenn ich darauf gerade keine Lust habe. Mir soll ja die Freude am Spiel nicht verloren gehen. Diese Freude an der Sache ist ohnehin so groß, dass ich mich von mir aus jeden Tag fünf Stunden mit Schach beschäftige. Ich will auf organische Weise besser werden – durch die Lust am und auf Schach.
Für dich, Frederik, ist der IM-Titel wahrscheinlich nur eine Zwischenstation.
Frederik: Auf jeden Fall will ich noch um einiges besser werden. Der GM-Titel ist ein Ziel, und dann mal gucken, wie es läuft. Schachprofi zu sein, würde mir gefallen, aber so weit zu kommen, ist natürlich nicht leicht. Andererseits möchte ich mir verschiedene Wege offen halten. Zu studieren wäre auch reizvoll. Mathematik oder Physik würden mir gefallen.
Wie hat die Corona-Pause sich auf eure schachliche Entwicklung ausgewirkt?
Rasmus: Schwierig zu sagen. Im Blitzen bin ich auf jeden Fall besser geworden, und ich nehme an, dass das auch meinem klassischen Schach geholfen hat. Viele Leute glauben ja, dass Blitzen der Spielstärke gar nichts bringt, das halte ich mittlerweile für falsch. Bestimmt ist Blitzen nicht die effektivste Trainingsmethode, aber es hilft dem Schach. Und es hilft noch zusätzlich, wenn du dir hinterher die Eröffnung anschaust und mit der Engine über die Partie gehst.
Alireza Firouzja sagt, er habe jahrelang kaum etwas anderes gemacht, als Blitz zu spielen.
Frederik: Nicht nur der. Nihal Sarin zum Beispiel ist viel besser geworden, während er sehr viel Blitz gespielt hat.
Rasmus: Es wächst jetzt eine ganz neue Generation mit einem ganz neuen Zugang zum Schach auf. Blitzschach ist ein großer Teil davon.
Dann sind eure Blitzpartien keine Wegwerfpartien? Ihr schaut sie hinterher nochmal an.
Rasmus: Einige, aber die meisten nicht. Wenn du mit einer seriösen Einstellung spielst, bringt allein das Spielen schon etwas.
Frederik: Wenn du in hunderten Partien diese oder jene Eröffnung auf dem Brett hast, dann stellt sich ein Lerneffekt ein, ein Gefühl für bestimmte Strukturen und so weiter. Ich versuche schon, mir gezielt Partien noch einmal anzuschauen. Wenn in der Eröffnungsphase oder auch später in der Partie etwas Kritisches passiert ist, suche ich mir diese Partien hinterher heraus und analysiere die kritischen Stellen.
Seine bislang beste Partie sei sein Schwarzsieg 2017 gegen den norwegischen Großmeister Johan-Sebastian Christiansen, sagt Frederik Svane. Klick auf einen Zug öffnet das Diagramm zum Nachspielen.
Habt Ihr Schach-Vorbilder?
Rasmus: Ich bin in der Ära Carlsen aufgewachsen. Dass er mein Vorbild ist, würde ich nicht sagen, aber Magnus ist derjenige, der mich am meisten beeindruckt, einfach weil er besser ist als alle anderen.
Frederik: Mit dem Begriff „Vorbild“ kann ich auch nicht viel anfangen. Aber es gibt Spieler, deren Partien ich mir gerne anschaue. Daniil Dubov zum Beispiel mit all seinen Eröffnungsideen. Oder Fabiano Caruana, starke Eröffnungen, ganz starker Rechner.
Hast du schon gegen Leute aus dieser Liga gespielt?
Frederik: Gegen Carlsen und Caruana noch nicht. Aber gegen Anish Giri. Ding Liren habe ich sogar geschlagen, aber das zähle ich nicht als Sieg. Ich habe ihn über die Zeit gezogen. Schachlich hatte er mich zerstört. Ich kann gegen dieses Level ein bisschen mitspielen, aber spüre schon, dass solche Leute einfach viel stärker sind.
Rasmus, du hattest gerade ein Bullet-Match gegen Magnus. Du hast zwar verloren, aber dich wacker gewehrt.
Rasmus: Davor hatte ich alle Onlinepartien gegen ihn verloren, insofern war ich ein wenig besorgt, dass ich 0:7 untergehe. Das Match war schnell vorbei, aber es war ein tolles Erlebnis, gegen ihn zu spielen. Und dass ich ihn in ein paar Partien tatsächlich besiegt habe, hat das Erlebnis noch einmal versüßt.
Zittert die Maushand vor Nervosität, wenn es gegen die Elite geht?
Rasmus: Ich spiele ja häufiger online gegen sehr starke Leute, beim Titled Tuesday zum Beispiel. Anfangs ist es aufregend, wenn du weißt, du hast es jetzt mit Nakamura oder Nepomniachtchi zu tun, aber das legt sich. Mit der Zeit merkst du, dass diese Leute zwar riesig stark sind, aber letztlich auch nur Menschen, die Fehler machen. Magnus, okay, das ist vielleicht noch einmal eine höhere Hausnummer. Ich war anfangs ein wenig nervös, aber hatte schon das Gefühl, dass ich ganz ordentlich spiele. Und es war ja auch Bullet, da blendet man Nebengeräusche eher aus.
(Titelfoto via Xtracon Open)
Ganz tolles Interview, spannende Fragen, offene, interessante Antworten. Bedankt dafür beim Chef-Perlenfischer!
Schön zu hören auch, dass man mit “viel Blitz” als Trainingsmethode auch weiterkommt – dann kann ich damit ja weitermachen 🙂
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