Offiziell gibt es 94 Schachgroßmeister in Deutschland, Tendenz steigend. Die Schachfreunde Keymer und Engel sind ja in der offiziellen Liste noch gar nicht aufgeführt.
Nur ein kleiner Teil dieser bald 96 Spitzenkönner ist so gut, dass sie vom Schachspielen allein ihre Existenz bestreiten. Noch kleiner ist der Anteil derjenigen, die den Großmeistertitel gezielt fürs Marketing in eigener Sache benutzen, um sich Türen zu öffnen und Projekte abseits des Brettes zu verwirklichen.
Sebastian Siebrecht macht genau das. Mit “Faszination Schach” hat er ein Erfolgsmodell kreiert, das bundesweit jährlich zehntausende Menschen erreicht. Denen präsentiert Siebrecht Schach als Sport zum Anfassen und die großen Meister dieses Sports als nahbare, normale Leute.
Die Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften am Tegernsee haben Tradition, derzeit läuft ihre 23. Auflage. Wer bei der Eröffnung dieses Turniers sieht, wie viele Entscheidungs- und Würdenträger Schlange stehen, um eine Ansprache halten zu dürfen, der ahnt, welche Bedeutung diese Veranstaltung in der Nachsaison für eine Tourimusregion hat.
Für Siebrecht, der seit 2016 als Turnierdirektor fungiert. sind die OIBM eines seiner neueren Projekte. Unter seiner Leitung haben sie sich zu einem der größten Turniere Europas gemausert. Und zu einem der buntesten.
Wir haben mit Siebrecht darüber gesprochen, wie er das gemacht hat.
Wie bist du Turnierdirektor geworden?
Horst Leckner hat das Turnier 1996 mitgegründet und es seitdem als Turnierdirektor gelenkt und begleitet. Es war klar, dass er irgendwann aufhören würde. Wir hatten über die Jahre stets Kontakt, weil ich seit 2004 regelmäßig als Spieler zu Gast war. Ihm gefiel, was ich bei mir daheim in Essen in Sachen Schulschach mache. Außerdem hat Leckner gemerkt, dass ich beim Team am Tegernsee ganz gut ankomme. Ende 2015 hat er vorgefühlt, ob ich mir vorstellen kann, mich hier einzubringen. Die 20. OIBM 2016 haben wir dann gemeinsam absolviert, er hat mich eingewiesen. Am Ende des Turniers ist er verabschiedet worden und hat offiziell den Staffelstab an mich übergeben.
Was macht ein Turnierdirektor?
Zu Beginn vor zwei Jahren habe ich erstmal unsere Außenwirkung aufgepeppt: Präsenz in den Medien sicherstellen, eine ordentliche Turnierhomepage, Ergebnisse auf chess-results.com. Gute Fotos sind mir wichtig und gute Rundenberichte, damit wir Geschichten rund um das Turnier erzählen und verbreiten. Was das betrifft, haben wir einiges bewegt. Generell beginnt die Arbeit schon Monate, bevor das Turnier beginnt, weil ich das Turnier internationaler machen will, bunter. Leute aus Übersee, aus Asien, die man in Europa nicht so oft sieht, sollen mitspielen, etablierte Spitzengroßmeister genauso wie junge Wilde.
Kennst du die alle?
Nicht alle, aber viele aus meiner aktiven Zeit. In Spitzenzeiten habe ich für acht europäische Clubs gespielt, da entstehen Verbindungen und Freundschaften. Außerdem bin ich auf Social Media recht aktiv, das macht mein Netzwerk noch größer, und das ist auch ein Faktor beim Komponieren des Teilnehmerfelds. Ich achte darauf, gut vernetzte Leute mit Präsenz in den Sozialen Medien an den Tegernsee zu holen. Meistens ist es wegen des engmaschig gestrickten Turnierkalenders gar nicht so einfach, eine gute Mischung hinzubekommen. Dieses Jahr zum Beispiel fehlt die deutsche Nummer eins Liviu Dieter Nisipeanu wegen der Europamannschaftsmeisterschaft. Sonst wäre Dieter natürlich hier – bei einem seiner Lieblingsturniere, wie er sagt.
Mit dicken Geldbündeln kannst du wahrscheinlich nicht wedeln. Wie machst du das Turnier attraktiv?
Der Spielort allein ist ja schon attraktiv wie kaum ein anderer. Direkt am See, die Berge im Rücken: unsere Location ist genial, das macht einiges aus. Abseits davon kümmere ich mich darum, dass sich alle wohlfühlen und das Gefühl haben, dass ihre Anwesenheit geschätzt wird. Wenn jemand nicht weiß, wie er vom Flughafen herkommen soll, dann hole ich ihn halt ab. Oder wenn einen Spieler aus einem exotischen Land ein Wehwehchen plagt, dann helfe ich mit der Krankenkasse. Solche Sachen. Das führt dazu, dass die eingeladenen Spieler fast immer wiederkommen wollen, obwohl wir sie nicht in Gold aufwiegen.
Hilft ein kämpferischer Stil, an den Tegernsee eingeladen zu werden?
Oh ja! Darauf achte ich sehr. Ich möchte Kampfschach sehen. Mit Remisschieberei kommst du hier eh nicht weit. Es ist so ein großes Turnier, da musst du durchpunkten, wenn du etwas holen willst. Außerdem bieten wir Spielern hier eine Plattform, sich zu präsentieren. Wer auf sich aufmerksam machen will, der muss auf dem Brett etwas zeigen.
Ein Gata Kamsky muss ja nicht mehr auf sich aufmerksam machen.
Ja, so einen Topstar hier zu haben, freut mich sehr. Gata habe ich einfach per Facebook angeschrieben, der Kontakt war sofort freundlich, und recht bald hat er gesagt „Why not?“. Das habe ich dann auch gesagt, und jetzt ist er hier. Das ging schnell, professionell, reibungslos – ohne Allüren. Wie bei Pavel Eljanov übrigens. Den hatte ich vor zwei Jahren angeschrieben, da konnte er leider nicht wegen anderer Verpflichtungen. Dieses Mal hat er sich gemeldet, wir waren uns schnell einig. Jetzt ist er auch hier, und der Turnierdirektor freut sich.
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