“Neue Katastrophenmeldungen”: Ausgabensperre beim Schachbund

Wahrscheinlich keine existenzielle Bedrohung für den Spitzenverband des Schachsports” stand hier am 24. Februar, nachdem sich die finanzielle Schieflage offenbart hatte. Ob das weiterhin gilt? Eine DSB-Mitteilung zum Stand der Dinge hat es seitdem nicht gegeben. Stattdessen gibt es jetzt ein neuerliches Alarmsignal: “Erhebliche zusätzliche Belastungen im hohen fünfstelligen Bereich” für die Haushalte 2023 bis 2025 hat DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach in einem Schreiben an die Landesverbände angekündigt. Das DSB-Präsidium habe bis auf Weiteres eine Ausgabensperre erlassen.

In dem Schreiben, das dieser Seite vorliegt, führt Lauterbach drei Komplexe an, die (neben anderen) zusätzliche Kosten verursachen werden, aber bislang weder im gegenwärtigen Haushalt noch in denen der beiden kommenden Jahre auftauchen:

  • Mitropacup 2024
  • Rückzahlung nicht verwendeter Fördermittel 2021
  • Steuernachzahlungen (insbesondere Umsatzsteuer 2021 und 2022)

Erstaunlich ist, dass diese drei anstehenden Zahltage erst jetzt auffallen. Überraschend können sie nicht gekommen sein. Den Mitropacup etwa richten die Mitropa-Verbände turnusgemäß aus. Jahr für Jahr reihum stellen sie einen Spielsaal mit Technik und Personal und sorgen für Unterkunft sowie Verpflegung aller teilnehmenden Teams. Dass 2024 Deutschland an der Reihe ist, war lange bekannt. Im April 2023 hat der Mitropa-Vorstand mit den Planungen für den Wettbewerb in Deutschland begonnen.

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Seine (in aller Regel) vom Innenministerium erhaltenen Fördermittel rechnet der Verband zeitnah ab. Er unterliegt einer “Mitteilungspflicht”, die darin besteht, per “Verwendungsnachweis” aufzuzeigen, dass er die Mittel ihrem Zweck entsprechend eingesetzt hat und die vorgesehenen Kosten angefallen sind. Kann der Verband die Kosten nicht nachweisen, drohen Rückforderungen.

Steuernachzahlung? Dass beim DSB in diesem Jahr eine Steuernachzahlung von etwa 50.000 Euro ansteht, ist seit dem 23. Februar bekannt, siehe Bericht vom 24. Februar. Aus Lauterbachs Schreiben geht nicht hervor, ob es sich nun um eine neue, weitere Nachzahlung handelt und, falls ja, warum die nicht vorherzusehen und einzuplanen war.

Turnusmäßig reihum richten die mitteleuropäischen Verbände Jahr für Jahr den Mitropa-Cup aus. Dort feierte in diesem Jahr Hussain Besou (11) ein vielbeachtetes Debüt als Nationalspieler. Dass die 2024er-Auflage des Mitropa-Cups in Deutschland stattfinden soll und dass das Geld kostet, ist offenbar erst jetzt aufgefallen.

Einer Bitte dieser Seite vom Mittwochmittag, die neuen Finanzprobleme zu erklären und aufzuzeigen, warum sie jetzt erst auffallen, ist der DSB am Donnerstag nachgekommen. Wegen ihrer Ausführlichkeit hat die Erklärung des DSB einen separaten Beitrag bekommen, diesen:

Die Erklärung des DSB.

Vor dem Hintergrund dieser neuen Finanzlücken müssen sich Mitarbeitende und alle verantwortlichen Funktionsträger des DSB bis auf Weiteres jegliche Ausgaben von der Präsidentin oder von Finanzchef Axel Viereck freigeben lassen. Lauterbach teilt mit, bereits angesetzte Veranstaltungen des DSB, darunter die “Masters” 2023 in Rosenheim, seien nicht gefährdet.

Wie sich die neuen Finanzprobleme auf einen möglichen Schachgipfel 2024 in Berlin auswirken, ist ungeklärt. Machbar wird eine 2024er-Hauptstadtauflage der Leuchtturmveranstaltung des deutschen Schachs nur sein, wenn es gelingt, die mittlere fünfstellige Finanzlücke zu füllen, die sich nach Abzug aller Einnahmen ergeben würde (diese Seite berichtete, siehe oben). Finden sich keine Sponsoren oder Gönner, müsste der DSB einspringen. Geplant war, dass schon Ende kommender Woche eine Entscheidung für oder gegen den Gipfel 2024 fallen soll.

Trotz historischer Finanz- und IT-Krise: Die Bestandsaufnahme, wie es um den Deutschen Schachbund steht, scheint nicht ganz so eilig zu sein. Nach vier Monaten im Amt hat das neue Präsidium bislang keine Wasserstandsmeldung abgegeben, kein Indiz, ob es die Hinterlassenschaften der Vorgänger mittlerweile überblickt und wie sie sich darstellen.

Schon das anhaltende Schweigen auch nach Ablauf der ersten 100 Tage im Amt hat ein gewisses Rumoren unter Funktionären und Beobachtern ausgelöst. Das schwoll noch an, als der DSB versäumte, fristgerecht zum außerordentlichen Kongress 2023 einzuladen. Das Gremium, das sich unter anderem final mit dem Haushalt 2023 befassen soll, tagt wegen dieses Fehlers verspätet am 9. Dezember drei Wochen vor Ablauf des DSB-Geschäftsjahres.

Jetzt finden sich die neuen finanziellen Hiobsbotschaften und die Verkündung der Ausgabensperre in einer E-Mail, deren Betreffzeile keinen Hinweis auf den wesentlichen Inhalt enthält: “Einladung zur Klausurtagung” steht dort nur. Auch der Schluss der Nachricht lässt nicht vermuten, dass die Lage heikel sein könnte und Transparenz dringend erforderlich. Lauterbach teilt ihren Funktionären mit, sie stehe für Fragen zur Verfügung, reagiere aber “unter Umständen verzögert”. Bis zum 28. September spielt sie die Mannschafts-WM der Senior:innen in Mazedonien (im englischen Team).

Europameisterin ist Ingrid Lauterbach mit ihren Engländerinnen schon geworden. In diesen Tagen kämpfen sie und ihre Mitstreiterinnen um die Weltmeisterschaft.

So lange möchte Michael S. Langer ungern warten und erst recht nicht auf die “Klausurtagung” der Landespräsidenten am 25. November. Angesichts der neuen “Katastrophenmeldungen und der damit einhergehenden Auswirkungen auf die Mitgliedsverbände” erwarte der niedersächsische Verband zeitnah Detailinformationen. Das antwortete der Präsident des niedersächsischen Verbands Lauterbach und seinen Länderkollegen am Mittwoch. Seiner Antwortmail fügte er einen Fragenkatalog bei:

  • Welcher Vermögenswert wird zum Jahresende voraussichtlich ausgewiesen? 
  • Welche Kosten für das Mitgliederverwaltungsprogramm werden für die nächsten Jahre einmalig und wiederkehrend in den Haushalt des DSB eingestellt? 
  • Warum wurde nicht gleich zu Beginn der Tätigkeit des neuen Präsidiums ein Kassensturz mit einhergehender Haushaltssperre vorgenommen? 
  • Sind die Finanzverhandlungen mit der DSJ zu einem erfolgreichen Ende gebracht worden? 
  • Warum gibt es seit dem Kongress noch nicht eine schriftliche Stellungnahme zu den Finanzen? 
  • Welche Erkenntnisse ergeben sich bisher aus der außerordentlichen externen “Finanzprüfung”? 
  • Wie kann die seit 10 Jahren geplante Ausrichtung des Mitropa-Cups irgendjemanden überraschen? 
  • Wieso ist es für einen hauptamtlich gestützten Verband nicht möglich, Ladungsfristen einzuhalten? 

Langer: “Wir gehen davon aus, dass diese offenen Fragen bis zum Ende der nächsten Woche beantwortet werden und zudem kurzfristig eine Einladung zu einer Onlinesitzung erfolgt.”

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Gustaf Mossakowski
7 Monate zuvor

Für den Mitropa-Cup wurden früher jährlich Rücklagen gebildet. Das Wissen, dass das notwendig ist, ist wohl aufgrund der zahlreichen Wechsel in der Geschäftsführerposition verloren gegangen. Im Nachtragshaushalt 2022 wurden daher auf Antrag von K. D. am 07.05.2022 10.000 Euro dafür vorgesehen. Das Geld müsste doch nach wie vor da sein, oder? Man hat dann sicher für 2023 auch 10.000 Euro vorgesehen. Nachtrag: Von Umsatzsteuer kann man auch nicht überrascht werden. Die erhebt man selber, schreibt sie auf die eigenen Rechnungen und führt sie dann, nach Abzug der ausgegebenen Umsatzsteuer auf bezogenene Leistungen, direkt ans Finanzamt ab. (Ja, es gibt komplizierte… Weiterlesen »

acepoint
7 Monate zuvor

Tja, das alles kommt jetzt für viele bestimmt überraschend. Vielleicht habe ich eine andere Vorstellung von Funktionärsarbeit, egal ob jetzt ehrenamtlich oder im Haupt-/Teilzeitberuf. Die Fülle von selbst verschuldeten Schlaglöchern mit anschließenden Baustellen, auf denen offensichtlich auch nicht zügig gearbeitet wird, nervt jedoch mittlerweile richtig. Über die zu spät erfolgte Einladung zum Kongress kann man ja noch milde lächeln. Aber mittlerweile gehen die Eskapaden richtig ins Geld und Zeit der Mitglieder und untergeordneten Funktionäre. Zu bestimmten Terminen versprochene Software – Mitglieder-/Ligen-/DWZ-Verwaltung – kommt später oder überhaupt nicht. Und sinnvolle Infos erhält man nur, wenn man entweder einen direkten Draht zu… Weiterlesen »

Jim Knopf
Jim Knopf
7 Monate zuvor

Hier mein Fragenkatalog für Michael Langer: Wie würden Sie als Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes reagieren, wenn Sie Ihre internen E-Mails auf dieser Seite wiederfinden würden und Ihnen das Leck bekannt wäre?

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[…] “Neue Katastrophenmeldungen”: Ausgabensperre beim Schachbund […]

Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
7 Monate zuvor

Ab wann würde der Tatbestand der Insolvenz Verschleppung eintreten.
Wer will denn noch Glauben dass der Dachverband noch zu Retten ist, bei immer neuen Löchern.
Ist die Spitze des Eisberg nun erreicht oder kommen weitere negative Botschaften.
Oder werden die Botschaften im Sinn von Beitragserhöhung künstlich geschürt ?

Thomas Binder
7 Monate zuvor

Frau Lauterbach mag – auch im Vergleich zu ihren Vorgängern – eine honorige Person sein. Dass sie auch nach der Wahl zur DSB-Präsidentin für einen anderen nationalen Verband eine Weltmeisterschaft bestreitet, muss ich mindestens als instinktlos bezeichnen. Wenn darunter auch noch ihre Amtsführung leidet – und sei es nur durch verspätete Antwort auf Mails der Landespräsidenten – ist das nicht hinnehmbar.

Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
7 Monate zuvor

In dem Schreiben, das dieser Seite vorliegt,

!?? Ist die Bild und der Spiegel auch informiert.