Hat Matthias Blübaum die Seuche? Zu Beginn des Masters sah es so aus. Erst war er von einem fast 100 Elo schlechteren Gegner aus dem World Cup gekegelt worden (was sich mittlerweile relativiert hat), dann fiel ihm laut Klaus Bischoff “die Kinnlade herunter”, als er in Magdeburg die Losnummer 10 zog, die ihm ein Extra-Schwarz bescherte. Und als das Turnier begann, wurde Blübaum sogleich Opfer einer Glanzkombination von Luis Engel am Ende der Auftaktpartie, die eigentlich auf dem Weg schien, ins Remis auszutrudeln.
Trotzdem: Er hat nicht die Seuche. Oder sie schleunigst überwunden. Vor der vierten Runde steht der Elo-Favorit schon wieder bei 50 Prozent, und es bleiben alle Chancen, das Turnier zu gewinnen. Allerdings wird jemand Georg Meier stoppen müssen.
Meier hat gerade einen bescheidenen Deutschland-Grand-Prix in Dortmund absolviert: neun Remis aus neun Partien inklusive zweier verdorbener (Fast-)Gewinnstellungen. Hinterher fühlte sich der Großmeister aus Baden-Baden veranlasst, den hadernden Fans im chess24-Chat zu erklären, dass ihn gerade Probleme abseits des Brettes davon abhalten, Top-Leistung zu bringen. Und dass er hoffe, zum Masters diese Leistung wieder abrufen zu können.
Nach 3 Runden und 2,5 Punkten sieht es aus, als erfülle sich diese Hoffnung.
Alle beteiligten Herren in Magdeburg haben es am Brett etwas leichter, als es sein sollte, weil eine Reihe deutscher Top-Ten-Spieler beim deutschen Top-Turnier fehlt, allen voran natürlich der bekannteste, dessen Mitwirken allein die mediale Sichtbarkeit der Veranstaltung multipliziert hätte. Aber Jan Gustafsson hat die Einladung zum Masters abgelehnt (was allgemein erwartet worden war). Der Hamburger spielt ja kaum noch, er muss täglich diverse Schach-Bewegtbildkanäle mit seinem Gesicht und seiner Eloquenz schmücken.
Liviu Dieter Nisipeanu, Vincent Keymer und Alexander Donchenko spielen durchaus noch, auch in diesen Tagen, aber eben woanders. Bei Nisipeanu mag noch die Verstimmung um den Rogozenco-Rauswurf eine Rolle spielen, Magdeburg fernzubleiben, bei Keymer der Wunsch nach möglichst starken Gegnern. Was Donchenko zur Reise nach Biel statt Magdeburg bewogen hat, ist nicht bekannt.
Sicher ist: Für die besten deutschen Spieler gibt es in Magdeburg keinen Deutschen Meistertitel fürs Portfolio zu gewinnen. Dieses Manko ließe sich kompensieren, gäbe es ordentlich Euro fürs Portemonnaie zu gewinnen. Und tatsächlich sind knapp 17.000 Euro Preisfonds für den Anfang in einem Schach-Entwicklungsland wie unserem gar nicht schlecht.
Im internationalen Kontext sind sie eher ein schlechter Scherz. Der Sieger der polnischen Meisterschaft allein bekommt, was sich alle Teilnehmer der deutschen Masterschaft teilen müssen. Und wir wollen ja gar nicht ins Sinquefield-Land gucken, wo die US-Meisterschaft mit dem etwa zwölffachen Preisfonds dotiert ist. Es reicht der Blick über die polnische und holländische Grenze, wo veritable Sponsoren akquiriert sind (Coca-Cola, Deloitte) und wo es für die besten Spieler beim nationalen Top-Turnier das Fünf- bzw. Vierfache zu verdienen gibt.
Orientieren wir uns für den Anfang daran.
Allemal wird in diesen Tagen in Magdeburg mehr Schach gespielt, als sich hier dokumentieren lässt. Für kommentierte Partien sei einmal mehr die Berichterstattung beim Schachbund empfohlen, wo Kevin Högy regelmäßig die Perle(n) des Tages präsentiert.
Wir beschränken uns an dieser Stelle auf Taktik-Perlen vom Gipfel. Achtung, Spoiler! Wer die Lösungen der nun folgenden Kombinationsperlen selbst finden möchte, schaue sich dieses Video besser nicht an:
Dresen, Ulrich (2268) – Krotofil, Kurt (1893)
33rd GER-ch Seniors-65 2021 Magdeburg, 2021.07.23
Zum Aufwärmen: Weiß zieht und gewinnt.
(Du willst lösen? Klick aufs Diagramm.)
Der Schönheitspreis der ersten Gipfeltage hätte an Anita Just gehen können:
Just, Anita (1944) – Reck, Jessica (1692)
GER-ch Women 2021 Magdeburg, 2021.07.25
Aber sie verpasste hier den wunderbaren Elfmeter. Gewonnen hat sie trotzdem.
Weiß zieht und setzt Matt.
Zhou, Lepu Coco (1873) – Birkholz, Olga (2018)
GER-ch Women 2021 Magdeburg, 2021.07.25
Bei DSB-Vizepräsidentin Olga Birkholz ist die Eröffnung arg schiefgegangen. Allerdings bedarf es fortgeschrittenen taktischen Sehvermögens, um das auszunutzen. Für Ausnahmetalent Lepu Coco Zhou war das kein Problem.
Weiß zieht und gewinnt.
Enders, Peter (2447) – Dobrikov, Marco (2311)
92nd GER-ch 2021 Magdeburg, 2021.07.25
Auch wenn die Deutsche Meisterschaft nur das nationale B-Turnier ist, Großmeister spielen dort trotzdem mit. Und müssen gelegentlich feststellen, dass auf der anderen Seite des Brettes auch meisterlich gespielt wird. Hier zum Beispiel.
Schwarz zieht und gewinnt.
Parvanyan, Ashot (2451) – Braun, Arik (2609)
German Masters 2021 Magdeburg, 2021.07.25
Die Niederlage von Arik Braun gegen Ashot Parvanyan war einer der bisheringen Aufreger beim Masters. Sie hätte sich vermeiden lassen, hätte Braun an dieser Stelle den Weg zum Remis gefunden.
Schwarz zieht und hält.
Kollars, Dmitrij (2607) – Graf, Alexander (2569)
German Masters 2021 Magdeburg, 2021.07.25
Den langjährigen Nationalspieler Alexander Graf in die Defensive zu drängen, war Dmitrij Kollars gelungen. Jetzt musste er noch den Sack zumachen.
Weiß zieht und gewinnt.
Plueg, Andreas (2222) – Schreiber, Ralf (1845)
33rd GER-ch Seniors-50 2021 Magdeburg, 2021.07.23
Weiß zieht und hält remis.
Engel, Luis (2543) – Bluebaum, Matthias (2669)
German Masters 2021 Magdeburg, 2021.07.23
Der Vollständigkeit halber. Luis Engels Glanztat aus der ersten Masters-Runde kennt natürlich jeder, allein schon wegen des Videos zu Beginn dieses Berichts.
Weiß zieht und gewinnt.
Schmidmeier, Arno – IM Kersten, Uwe (2252)
50+ German Senior Championship Magdeburg (2), 2021.07.24
Es lässt sich ja erahnen, worum es in etwa geht. Aber wie das genau funktionieren soll, ist nicht offensichtlich. Der spätberufene IM Uwe Kersten hat es am Brett gefunden.
Schwarz zieht und gewinnt.