Freistilringen an der Ostsee – neues Superturnier in Deutschland mit Carlsen, Ding, Keymer & Co.

Ein 960-Turnier von Weltklasseformat mit klassischer Bedenkzeit – “Für mich wird ein Traum wahr”, sagt Magnus Carlsen. Der Exweltmeister wird vom 9. bis 16. Februar 2024 an der deutschen Ostseeküste auf sieben handverlesene Herausforderer treffen. Unter anderem wird es im ostholsteinischen Weissenhaus-Resort zur ersten Begegnung des Exweltmeisters Carlsen mit Weltmeister Ding Liren am Brett kommen. Auch Vincent Keymer ist mit von der Partie.

Das 75-Hektar-Areal rund um Schloss Weissenhaus bietet die Kulisse des neuen Superturniers in Deutschland. Gespielt wird in den dort gelegenen „Big Barn Studios”, nach Veranstalterangaben eines der schönsten und modernsten Aufnahmestudios Europas. | Fotos via Weissenhaus, FIDE, Schachfestival Prag

Das neue Superturnier in Deutschland entspringt einer Kooperation des Weltranglistenersten mit dem Hamburger Unternehmer Jan Henric Buettner. Beide haben ein Format ersonnen, wie es sich Carlsen als wegweisend für die Zukunft des Sports vorstellt – hinsichtlich des Modus, hinsichtlich der Präsentation.

Wie Jan Henric Buettner zu einem Schloss, sogar zu einem Dorf inklusive Strand kam und was er damit machte (für Spiegel-Abonnenten).

Auch der Name ist auf Carlsen abgestellt: die “Freestyle Chess G.O.A.T. Challenge” soll die Herausforderung betonen, vor der der beste Schachspieler jemals (G.O.A.T, Greatest of all time) stehen wird. Stärker kann ein Teilnehmerfeld kaum sein. „Aber es geht nicht um mich”, sagt Carlsen. „Ich sehe eine weitere Herausforderung: den Schachsport voranzubringen.”

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Um für die sportliche Herausforderung gewappnet zu sein, hat Magnus Carlsen zum ersten Mal seit 2014 seine Teilnahme in Wijk an Zee im Januar abgesagt. Mit “einer Reihe anderer Verpflichtungen Carlsens im Februar” hatte Wijk-Turnierdirektor Jeroen van den Berg Carlsens Fehlen begründet. Jetzt ist klar, was er meinte.

Im Fünf-Sterne-“Weissenhaus Grand Village Resort & Spa” hat die Bundesregierung im Mai 2022 zum G7-Treffen der Außenministerinnen und Außenminister geladen. Im Februar 2024 wird die luxuriöse Erholungsanlage Schauplatz des G8-Treffens im Schach. Neben Carlsen, Ding und Keymer spielen Fabiano Caruana, Nodirbek Abdusattorov, Levon Aronian, Alireza Firouzja und Gukesh, vier Arrivierte und vier junge Wilde, die allesamt schon zum Kreis der Schachelite aufgeschlossen haben und sich anschicken, die Carlsen-Generation abzulösen.

Speziell Aronians Gemütslage vor dem Wettbewerb dürfte der von Carlsen gleichen. Gerade erst am Rande des Sinquefield-Cups hatte der US-Armenier gesagt, dass er schon eine Karriere lang von einem richtigen 960-Turnier träumt. Als er das sagte, wusste er freilich schon, dass sich ihm im Februar 2024 in Deutschland dieser Traum erfüllen wird. Tatsächlich dürfte es sich auf dem Profilevel um das erste klassische 960-Turnier überhaupt handeln, nachdem die für 2023 geplanten Matches Carlsen vs. Ding und Carlsen vs. Nakamura ins Wasser gefallen sind.

Bei der 960-WM im vergangenen Jahr traf Magnus Carlsen im Halbfinale auf einen alten Bekannten. Auch die 960-Weltmeisterschaft, die die FIDE seit 2019 ausrichtet, wird als Schnellschach-Turnier gespielt, obwohl doch die Beteiligten im Gegensatz zu Schach1 schon ab dem ersten Zug nachdenken müssen.

Der Wettbewerb ist zweigeteilt. An den ersten beiden Tagen spielen die acht Supergroßmeister ein Schnellschach-Rundenturnier, aus dessen Ergebnis sich die Setzliste für das K.o.-Playoff ergibt. Ab dem dritten Tag werden vom Viertelfinale bis zum Finale K.o.-Matches gespielt, angelehnt ans World-Cup-Format: zwei klassische Partien und ein Schnellschach-Stechen, sollte es 1:1 stehen. 200.000 Dollar Preisgeld sind zu gewinnen, 60.000 für den Sieger. Als Turnierdirektor fungiert Sebastian Siebrecht.

Schach960, Fischer Random, Chess 9LX – und nun “Freestyle Chess”. Mit dem Wettbewerb an der Ostsee bekommt das Spiel ein weiteres Mal einen neuen Namen.

Die Veranstalter haben sich den Begriff “Freestyle Chess” schützen lassen, ein Indiz, dass es nicht bei dieser einen Challenge bleiben soll. Offenbar umfasst die neue Marke nicht nur das Spiel, sondern das Gesamtpaket. Wie das genau aussehen wird, ist offen. Eine Turnierwebsite gibt es schon, dort läuft ein Countdown.

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Umumba
Umumba
4 Monate zuvor

Hoffentlich kommt es in der Folge auch mal zu Turnieren für normale Schachspieler im 960. Es ist doch total unlogisch, dass wir 960 nur als Schnellschach spielen, obwohl man dafür ab dem ersten Zug Zeit braucht. Eine echte FIDE-Rating-Zahl und ein Ligensystem für 960 wäre doch super, bei jedem Open kann man eigentlich beides zur Auswahl bieten, die Organisation ist ja kaum komplizierter. Dadurch können auch Leute mitspielen, die nicht vor jeder Partie lange vorbereiten wollen oder können.

acepoint
acepoint
4 Monate zuvor

«Um für die sportliche Herausforderung gewappnet zu sein, hat Magnus Carlsen zum ersten Mal seit 2014 seine Teilnahme in Wijk an Zee im Januar abgesagt

Möglicherweise nicht nur Carlsen, sondern auch Keymer. Womit dann auch geklärt wäre, dass es nicht an den «“tollen” Beziehungen der Nachbarländer» gelegen haben muss, dass Keymer nicht in Wijk antritt, wie unsere Chefdiplomatin auf X/Twitter etwas vorschnell vermutete.

Last edited 4 Monate zuvor by acepoint
schachkatze
schachkatze
4 Monate zuvor

Auch wenn ich noch nie ein großer Fan von Schach960 gewesen bin, sehe ich diesem neuen Turnier an der Ostsee eher positiv entgegen. Vincent bekommt außerdem die Chance, sich mit den besten der Welt zu messen.
Unter dem Namen “Freestyle Chess” vermute ich weniger den Fokus auf Schach960, sondern mehr auf das Carlsensche Turnierkonzept (Rapid/K.O.Format/”lockere Stimmung”) insgesamt. Ob es sich auf Dauer bewährt, wird man dann sehen.

CoachJaxx
CoachJaxx
4 Monate zuvor

Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass es bereits drei Tage nach der “G.O.A.T. Challenge” auf Gut Weissenhaus dann um den doppelten Preisfonds bei der “World Fischer Random Chess Championship” wo auch immer gehen wird (s. https://http://www.fide.com/news/2602). Wenn die FIDE sich das nicht anders interpretiert, müssten Nakamura als Titelverteidiger und Ding als orthodoxer Schachweltmeister vorberechtigt sein. Alle anderen angehenden Freestyler werden sich durch die Online-Qualifikationsmühlen auf lichess und chess.com quälen müssen, wenn man die beiden Wildcards für Ausrichter und Dvorkovich mal außen vor lässt. Carlsen könnte sich allerdings aufgrund seines Ratings schon die Dvorkovich-Wildcard “gesichert” haben … dann wäre der Februar… Weiterlesen »

trackback

[…] Entstehung des neuen Superturniers an der Ostsee, das nun zu scheitern drohte, hatte einige Monate vorher begonnen. Jan Henric Buettner, Investor, […]

Amontillado
Amontillado
4 Monate zuvor

Was ich nicht glaube und was ich auch noch nie geglaubt habe, ist dass Carlsen irgendein altruistisches Interesse an der “Zukunft des Schachs” hat. Er ist kein Genie, das in die Zukunft blicken kann und die Entwicklung des Spiels auf hundert Jahre vorausberechnet hat – er ist einfach nur jemand, der seinen Einfluss verwendet, um seine persönlichen Interessen durchzusetzen. Ihm persönlich mag ein solches Format mehr Spaß bereiten, aber ob das zum Wohle des Schachs ist oder nicht, wird dem Mann völlig egal sein. Dieses “es geht nicht um mich”-Gefasel der Carlsens, Nakamuras, Rozmans und wie sie nicht alle heißen… Weiterlesen »

Gerhard S.
Gerhard S.
4 Monate zuvor

Ein 960- Turnier ist für mich wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Thomas Richter
Thomas Richter
4 Monate zuvor

Beide haben ein Format ersonnen, wie es sich Carlsen als wegweisend für die Zukunft des Sports vorstellt” – vielleicht eher: Carlsen hat diktiert, zu welchen Bedingungen er noch bereit ist, Schach (oder so ähnlich) zu spielen. Buettner zahlt und wird dadurch auch international bekannt(er).