Carlsen vs. Nakamura abgesagt

Ein WM-Match im klassischen Format wird Magnus Carlsen höchstwahrscheinlich nicht mehr spielen. Aber der Exweltmeister scheint entschlossen zu sein, am praktischen Beispiel zu demonstrieren, wie ein WM-Match nach seiner Vorstellung aussehen sollte: kürzere Bedenkzeit, Schach960 integriert. Jetzt ist zum zweiten Mal ein solches geplantes Match geplatzt. Das für November/Dezember in Las Vegas angesetzte Duell Magnus Carlsen vs. Hikaru Nakamura findet nicht statt.

Nachdem Ding Liren Ende April das WM-Match gegen Ian Nepomniachtchi gewonnen hatte und als neuer Weltmeister feststand, erreichte ihn ein Angebot aus Argentinien, ein Show-Match gegen seinen Vorgänger auszutragen. Auch dieses Match wäre mit kürzerer Bedenkzeit gespielt worden, auch hier wäre Schach960 Teil des Matches gewesen.

Das Angebot repräsentiert den dritten Versuch argentinischer Veranstalter binnen weniger Jahre, einen international bedeutenden Schachwettbewerb nach Südamerika zu holen. Schon das WM-Match zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi sollte in Argentinien gespielt werden, aber die Argentinier unterlagen der finanzstarken WM-Bewerbung aus Dubai, die mit der Expo ebendort gekoppelt war. Dasselbe passierte beim vergangenen WM-Match Nepo vs. Ding, das die FIDE an Kasachstan und den dort ansässigen Milliardär und Schachmäzen  Timor Turlov vergab.

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Im Sommer 2023 signalisierte der gerade gekürte Weltmeister, er sei dafür offen, in Argentinien ein Match gegen Carlsen zu spielen. Carlsen wiederum hat sich zu dieser Perspektive nie öffentlich geäußert. Seit gestern ist klar warum: Im Mai 2023 liefen längst die Vorbereitungen für das Show-Match gegen Nakamura.

Mehr noch als das ebenfalls involvierte chess.com, dessen Unternehmensbotschafter Carlsen und Nakamura sind, war der YouTuber, Medienschaffende und Event-Organisator Ludwig Ahgren Antreiber hinter den Kulissen. „Ludwig“, wie er allgemein genannt wird, hat über die Turnierserie „pogchamps“ zum Schach gefunden – und ist dabei geblieben.

Ende 2022 hat der 28-Jährige mit seinem Schachbox-Abend einen enormen Publikumserfolg kreiert: 10.000 Besucher am Ring und mehr als 550.000 vor den Bildschirmen sahen live, wie GM Aman Hambleton IM Lawrence Trent ausknockte. Videos und Clips der „Mogul Chessboxing Championship“ sind millionenfach angeschaut worden.

Auf dem Brett hatte Dina Belenkaya das Match gegen Andrea Botez im Griff. Im Ring lief es andersherum. Links: Organisator Ludwig.

2023 sollte es eine Neuauflage geben, anders, besser und größer. Aber vor einigen Tagen verkündete der 28-Jährige via YouTube („Wie ich 100.000 Dollar verloren habe“), dass die mehrfach verschobene Veranstaltung in der „UFC Apex Arena“ in Las Vegas ausfällt – in erster Linie aus technischen Gründen. Die formal notwendige Zusammenarbeit mit einem offiziellen Boxverband ließ sich nicht eintüten.

Zehn Jahre nach seinem legendären Sauron-Tweet ist das Match Magnus vs. Hikaru vorerst abgesagt.

Von Carlsen und Nakamura war da noch nicht die Rede. Das änderte sich, als wenig später Hikaru Nakamura auf Sendung ging. Der US-Großmeister offenbarte, dass das Duell zwischen ihm und Carlsen vom 28. November bis 3. Dezember am Rande des Spektakels in Las Vegas steigen sollte. Mit der Absage des Ludwig-Events ist nun auch das Carlsen-Nakamura-Match bis auf Weiteres abgesagt.

Geplant war ein 12-Partien-Match mit einer „schnellen klassischen“ Bedenkzeit, wie sie die FIDE schon für die offene und die Frauen-Mannschafts-WM eingeführt hat (aber latent versäumt, darüber die Kategorisierung „Klassisch“ und „Rapid“ anzupassen. Beim Weltverband gilt alles unter 60 Minuten weiterhin als „Rapid“.) Carlsen und Nakamura hätten 45-Minuten-Partien gespielt mit einem 15-Sekunden-Increment ab Zug 30. Sechs Match-Tage mit jeweils zwei Partien waren angesetzt, abwechselnd Schach960 und Schach1.

Nakamura ließ durchblicken, dass das ursprünglich für August geplante Match mehrfach verschoben worden ist. Verhandlungen mit Sponsoren und Sendepartnern über Termine und Konditionen seien schwierig zu koordinieren gewesen. Jetzt ist Nakamura „sehr enttäuscht“, dass sein Match platzt, weil das damit verknüpfte Schachbox-Spektakel an Formalitäten scheitert.

Levy Rozman über das geplatzte Carlsen-Nakamura-Match.

Nach Nakamura meldete sich LevyGothamChessRozman zu Wort, „erschüttert“ angesichts der Absage: „Innerlich bin ich ein bisschen gestorben.“ Das Ziel sei ja nicht nur gewesen, zwei Giganten des Schachs und langjährige Rivalen in einem Match zusammenzuführen. Rozman verwies auf das „big picture“, den großen Kontext, die Entwicklung des Schachsports. Er hätte auch auf den Umstand verweisen können, dass das Schach jetzt einen Weltmeister hat, der kaum Schach spielt.

Im Herbst ihrer Karriere hat sich zwischen Carlsen und Nakamura doch noch eine sportliche Rivalität entwickelt. Und vielleicht ergibt sich für den Schachsport noch eine Chance, davon bestmöglich zu zehren.

Mit einem Match wie diesem hätte Schach „den nächsten großen Schritt“ gemacht, nach Rozmans Einschätzung ein dringend überfälliger Schritt angesichts des nie dagewesenen Interesses am Schach und den damit verbundenen Möglichkeiten. Von den offiziellen Institutionen des Sports erwartet Rozman diesen Schritt nicht. Er verwies unter anderem auf Sponsoren, die niemand kennt, und den seit Jahrzehnten unveränderten WM-Preisfonds.

Magnus Carlsen hat sich zur Absage noch nicht geäußert. Der Norweger saß in den vergangenen Tagen am Brett, um seiner Titelsammlung eine weitere Trophäe hinzuzufügen. Mit dem „Offerspill Sjakklub“ gewann Carlsen am Samstag den Europacup der Vereine unter anderem vor vier Bundesligisten.

Nakamura ist jedenfalls nicht abgeneigt, einen neuen Anlauf zu unternehmen. Sollten alle logistischen und räumlichen Fragen beantwortet sein, könne das Match erneut angesetzt werden.

(Titelfoto via GMHikaru)

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Carlo
Carlo
1 Jahr zuvor

Ich würde ja Schach statt mit Boxen mit Ohrfeigen kombinieren. Es gibt da ja diesen wunderbaren Backpfeifensport – slap fighting – , der den Vorteil hat, dass man praktischerweise gleich am Brett sitzen bleiben kann und nicht erst den Ring umbauen muss. (Modus: Alle fünf Züge eine Watschn.)
Ich finde, wenn es schon darum geht, einen Mitbewohner auf diesem Planeten zum Gegner zu machen, um ihm körperliche und seelische Schmerzen zuzufügen, dann dürfte so eine kleine Dramatisierung eine noch drastischere Zuschauerresonanz bewirken und dem königlichen Spiel neue Umsatzreichweiten bescheren. Ach, herrliche Zeiten warten auf uns!

schachkatze
schachkatze
1 Jahr zuvor

“(…) argentinischer Veranstalter (…), einen international bedeutenden Schachwettbewerb an den Zuckerhut zu holen.”
Wenn ich mich nicht täusche, liegt der Zuckerhut in Brasilien und nicht in Argentinien.

Ansonsten fände ich persönlich auch ein Match Carlsen – Ding oder Nakamura-Ding reizvoll Wo ist Ding eigentlich? Wird er seine nächste Turnierpartie erst bei der nächsten FIDE WM spielen?

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[…] Carlsen vs. Nakamura abgesagt Hikaru Nakamura siegte im Finale der 960-WM 2023 über Ian Nepomniachtchi. Gespielt wurde Schnellschach. […]

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[…] 960-Turnier überhaupt handeln, nachdem die für 2023 geplanten Matches Carlsen vs. Ding und Carlsen vs. Nakamura ins Wasser gefallen […]

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Jahr zuvor

Wenn so etwas nur als Rahmenprogramm von Schachboxen funktioniert und dann daran scheitert, dass kein Boxverband Interesse an der Vermischung zweier total verschiedener Sportarten hat, ist es wohl nicht der “dringend überfällige” “nächste große Schritt”? Warum eigentlich nicht auch Chess Boxing zwischen Carlsen und Nakamura – Konzept nicht zu Ende gedacht, oder hatten ein bis zwei Teilnehmer dieses Matches etwas dagegen? Was die Schachwelt insgesamt, oder auch nur die erweiterte Weltspitze davon hätte, dass zwei reiche Spieler sechsstellig verdienen, müsste man mir noch erklären. Warum ein schwacher IM und bekannter Internet-Dampfplauderer das anders sieht wird (auch wenn er es später… Weiterlesen »

Mulde
Mulde
1 Jahr zuvor

Da will ein noch immer /zu( junger Mann mit dem Kopf durch die Wand und die Welt nah seinem Gusto gestalten. Hat schon bei Alexander d.Gr. und allen, die nach ihm kamen, zum Glück nicht geklappt. Wenn Carlsen glaubt, gegen Nakamura oder sonstwen ein FIDE-Match austragen zu können, dann müsste selbst ihm klar sein, dass die FIDE auch noch ein paar Wörtchen mitzureden hat. Und zu einem Match, das geänderte Spielregel hat und damit nicht mehr Schach ist, wird die FIDE in ihrer offiz. Funkttion als Hüterin der Schachregeln und Vergeberin des Weltmeistertitels niemals ihre Zustimmung geben dürfen. Was bildet… Weiterlesen »