Schachclub Saint Louis: “Ein Fehler, der sich nicht wiederholen wird”

Wir haben zu lange geschwiegen. Wir hätten mehr tun sollen.” Das und mehr steht jetzt in einer Erklärung, die der Schachclub Saint Louis reichlich spät veröffentlicht hat – aber gerade rechtzeitig, um chess.com zu bewegen, die jetzt in Saint Louis begonnene US-Meisterschaft zu übertragen. Lichess hält den Bann gegen den Club weiterhin aufrecht.

Chess.com überträgt jetzt wieder Turniere aus Saint Louis. Lichess nicht.

229 Tage vergingen von den Anschuldigungen Jennifer Shahades gegen den in Saint Louis als Kommentator und Coach arbeitenden Großmeister Alejandro Ramirez und der Stellungnahme des Clubs, der das Zentrum des US-Schachs repräsentiert. Die Führungsmannschaft teilt mit, man sei „zutiefst beunruhigt über die Vorwürfe und Berichte”. “Unsere größte Sorge gilt denjenigen, die von Herrn Ramirez angegriffen oder belästigt wurden, und wir bedauern zutiefst den Schmerz, der dadurch verursacht wurde. Diejenigen, die teils schon vor Jahren auf das Problem aufmerksam gemacht haben, bezeichnet der Club nach 229 Tagen des Schweigens jetzt als Frauen, “die mutig Informationen über sein unentschuldbares Verhalten vorgebracht haben”.

Leider legt das Timing des Verdacht nahe, dass nicht nur Reue Antrieb für die Erklärung war, sondern auch die Sorge um ausbleibende Reichweite der US-Meisterschaft.

Bislang hatte der Club, ganz ähnlich wie der US-Verband, nicht reagiert, auch nicht, als das Wall Street Journal und die lokale Tageszeitung Recherchen präsentierten, die das jahrelange Wegschauen in mehreren Fällen dokumentierten. Der Verein nennt das nun „einen Fehler, der sich nicht wiederholen wird. Wir haben diejenigen im Stich gelassen, für die wir uns einsetzen: unsere Studenten, Spieler, Spender und Freunde.”

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Mittlerweile sind die Vorgänge in Saint Louis nur ein Aspekt der umfassenden #MeToo-Bewegung im Schach, deren Ursprung Jennifer Shahades Tweet zur Cause Ramirez war. Der Saint Louis Chess Club erkennt die Dimension des Problems an. Er weist auf Voreingenommenheit gegen und Diskriminierung von Schachspielerinnen weltweit hin. “Als eine der mächtigsten und einflussreichsten Organisationen im Schach müssen wir Verantwortung übernehmen. Wir laufen Gefahr, Teil des Problems zu bleiben, wenn wir nicht eine Führungsrolle übernehmen.”

Der Verein gibt an, ein neues Rechtsteam unter der Leitung einer ehemaligen US-Staatsanwältin eingestellt zu haben, das „alle Richtlinien, Praktiken und Verfahren überprüfen wird, wenn es darum geht, die Sicherheit aller Schachspielenden zu gewährleisten“. Ein Bündel neu eingeführter Verfahren soll sicherstellen, dass der Club in Saint Louis frei ist von Diskriminierung, Belästigung, sexuellem Fehlverhalten, Schikanen, Mobbing sowie geistiger oder körperlicher Misshandlung. Der Club ermutigt jedes Opfer oder andere Personen, sich zu melden, wenn sie unangemessenes Verhalten vermuten.

Jennifer Shahade sagte auf Anfrage von chess.com, die Erklärung sei “kraftvoll”. Sie biete viele starke Leitlinien für das künftige Handeln. Jetzt ist sie gespannt auf die Umsetzung.

Wie der Club in Saint Louis hat der US-Verband jahrelang Hinweise ignoriert. Ramirez arbeitete dort bis zum vergangenen Jahr als Trainer der Frauenmannschaft. Die Führungsriege des US-Verbands steht mittlerweile schwer in der Kritik, speziell Präsident Randy Bauer nach öffentlichen Attacken unter anderem auf Shahade. Rücktrittsforderungen hat Bauer bislang ignoriert. Shahade ist derweil als Direktorin des Frauenprogramms des Verbands zurückgetreten.

Eine halbgare öffentliche Entschuldigung milderte die Kritik nicht. Stattdessen schwoll sie noch an, als der Verband Shahade eine Unterlassungsaufforderung zukommen ließ: Sie solle Kontakt mit Schülerinnen aus dem US-Verbandsumfeld meiden. Im US-Schach formiert sich jetzt eine Bewegung mit dem Ziel, die alte Führungsmannschaft des Verbands zu ersetzen.

(Titelfoto via Saint Louis Chess)

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