FIDE-Sponsor unter Verdacht

Das US-Justizministerium, die US-Börsenaufsicht SEC und die Staatsanwaltschaft Massachusetts ermitteln gegen den FIDE-Sponsor Freedom Holding. Verdacht auf “Compliance-Probleme, Insider-Aktiengeschäfte und eine Offshore-Tochtergesellschaft mit Verbindungen zu sanktionierten Personen” haben laut einem CNBC-Bericht die Ermittlungen ausgelöst. Das kasachische Finanzunternehmen hat sich in der jüngsten Vergangenheit zu einem zentralen Geldgeber des Schach-Weltverbands entwickelt.

Freedom Holding mit Hauptsitz in Almaty, Kasachstan, ist nach eigenen Angaben Anbieter von Investmentbanking- und Brokerdienstleistungen für Zentralasien und Osteuropa. Unter anderem gibt das Unternehmen Investoren aus dem ehemaligen Gebiet der Sowjetunion Zugriff auf amerikanische und europäische Börsen. In den USA wird Freedom Holding an der US-Börse Nasdaq gehandelt. Das Unternehmen hat laut CNBC ein gut 1.400 Quadratmeter großes Büro im Trump-Tower in New York gemietet.

Freedom-Holding-Gründer und -CEO Timur Turlov beim WM-Kampf Nepo vs. Ding, den sein Unternehmen als Hauptsponsor unterstützte. | Foto: Stev Bonhage/FIDE

Auch in Deutschland ist das Unternehmen tätig. Die Ende 2018 gegründete “Freedom Finance Germany” residiert in Berlin am Kurfürstendamm. Über Freedom-Chef Timur Turlov heißt es auf der deutschen Website, er sei “einer der erfolgreichsten Unternehmer unserer Zeit”. Die Bundesfinanzaufsicht (BaFin) hat im Februar 2021 in ihrem monatlichen Mitteilungsblatt vor der europäischen Mutter des deutschen Freedom-Ablegers gewarnt, dem Broker “Freedom Finance Europe”. Die BaFin zweifelte den Unternehmenssitz auf Zypern an und hegte den Verdacht, dass das Unternehmen Aktien anbietet, ohne der Prospektpflicht nachzukommen.

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Timur Turlov (35), in Moskau geborener Gründer und CEO der Freedom-Gruppe, ist seit Anfang Juni ausschließlich kasachischer Staatsbürger. Bis dahin lebte Turlov zwar seit einigen Jahren in Kasachstan, hatte aber die russische Staatsbürgerschaft sowie die von St. Kitts und Nevis. Der karibische Inselstaat ermöglicht ausländischen Investoren, seine Staatsbürgerschaft zu erwerben. Ein Reisepass von St. Kitts und Nevis ist vor allem für Menschen interessant, die ansonsten nicht so leicht etwa in die USA oder nach Europa reisen können.

Steuerparadies mit integrierter Staatsbürgerschaft.

Die Geschäfte des Milliardärs haben Finanzmedien in den vergangenen Jahren mehrfach Anlass zu Berichterstattung gegeben. Im Oktober 2022 setzte die Ukraine ihn und sein Unternehmen der russischen Verbindungen wegen auf ihre Sanktionsliste und fror Vermögen ein. Turlov gab gegenüber Forbes an, es habe sich um einen Fehler gehandelt, und er habe die erforderlichen Unterlagen eingereicht, um von dieser Liste gestrichen zu werden. Er plane, sein Geschäft in der Ukraine noch auszubauen.

In diesem Jahr ist Freedom Holding ins Visier von Leerverkäufern geraten. Im April warf der Finanzanalyst und Shortseller Andrew Left in seinem Newsletter „Citron Research“ dem nach seiner Einschätzung unkontrolliert agierenden Turlov unter anderem vor, Sanktionen zu umgehen. Im August legte das Investment-Unternehmen Hindenburg Research nach: “Dreistes Umgehen von Sanktionen, gefälschte Einnahmen, Zocken mit Kundengeldern.”

Speziell der Hindenburg-Bericht habe dazu geführt, dass die Börsenaufsicht ihre Ermittlungen intensiviert, berichtet CNBC. Turlov wiederum habe die Publikationen der Shortseller als „falsche Informationen“ bezeichnet.

Timur Turlov (M.) mit Emil Sutovsky, FIDE-Geschäftsführer, und Michael Stöttinger, Präsident des Österreichischen Verbands, bei einem Diplomatenturnier zum “Tag des Schachs” in Wien. Stöttinger sucht seit seinem Amtsantritt auffällig oft die Nähe zur FIDE-Spitze und deren Umfeld. Weltschachbund-Präsident Arkady Dvorkovich konnte zum Diplomatenschach in Wien nicht kommen, er hatte einen anderen Termin. Am Feiertag des Schachs begegnete Dvorkovich in Moskau dem Sprecher von Vladimir Putin. | via Emil Sutovsky/LinkedIn

Als Schachenthusiast und -sponsor hat Turlov Ende 2022 die Bühne betreten. Die FIDE machte seine zur Freedom Holding gehörende „Freedom Finance“ zum Hauptsponsor der Schnell- und Blitzschach-WM 2022 in Almaty, Kasachstan. Der Wettbewerb markierte den Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen, die der Weltverband seitdem in kurzer Folge in Kasachstan ausgetragen hat. Turlov wurde dort im Januar 2023 Präsident des nationalen Schachverbands.

Wenig später war er zur Stelle, als die FIDE für das WM-Match Ding vs. Nepo einen Ausrichter suchte, der einen veritablen Preisfonds aufstellen kann. Das Match fand in Kasachstan statt, die zwei Millionen Preisgeld sollen in erster Linie von Freedom stammen. Seitdem hat die Freedom Holding weitere große FIDE-Veranstaltungen gesponsert: den World Cup 2023 in Baku (Aserbaidschan), den Grand Prix der Frauen 2023 in Nikosia (Zypern), die WM der Schulmannschaften Aktau (Kasachstan).

Chess.com hat aus Anlass des CNBC-Berichts die FIDE um einen Kommentar zu den Ermittlungen gegen ihren Sponsor gebeten. Die Bitte wurde nicht beantwortet.

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schachkatze
schachkatze
6 Monate zuvor

Die laufende “3rd FIDE Intercontinental Online Chess Championship for Prisoners” hätte mit Turlovs Teilnahme sicherlich eine Aufwertung erfahren. Das Motto der FIDE-Knast-WM lautet übrigens #ChessForFreedom
Ich finde, die Freedom Holding wäre ein toller Sponsor für dieses Event gewesen… 😉

Thomas Richter
Thomas Richter
6 Monate zuvor

Wenn man schon einen Artikel weitgehend von chess.com übernimmt, sollte man bei der Übersetzung auf gewisse Details achten: Größe des Büros im Trump Tower ist offenbar nicht gigantische 15.250 Quadratmeter, sondern 15,250 square foot (etwa Faktor 10 weniger). Laut Kommentatoren von NM randy296 – der jedenfalls den Eindruck eines Insiders erweckt – auf chess.com ermittelt das US Department of Justice bei “Anfangsverdacht” gegen dutzende bis hunderte Unternehmen – “the old expression “where there’s smoke, there’s fire” categorically does not apply to the U.S. Department of Justice”. Vielleicht ermitteln sie auch gegen z.B. Wadim Rosenstein, das bekäme dann hier eher keinen… Weiterlesen »

trackback

[…] verschieben lassen könnten. Er könnte zum Beispiel in Kasachstan bei Timur Turlov anrufen, Chef von FIDE-Sponsor „Freedom“, oder bei Schachfreund Stalin in Chennai, wo Praggnanandhaa, Vaishali und Gukesh ein […]