Nodirbek Abdusattorov ist neuer Schnellschach-Weltmeister. Nachdem er das Turnier in Warschau mit 9,5 Punkten aus 13 Partien auf dem viergeteilten ersten Platz beendet hatte, besiegte der 17-jährige Usbeke im Blitz-Tiebreak den russischen Großmeister Ian Nepomniachtchi. Titelverteidiger Magnus Carlsen wurde Dritter, Fabiano Caruana Vierter. Beide erzielten so viele Punkte wie Abdusattorov und Nepo, scheiterten aber am umstrittenen Tiebreak-System, das nur den beiden nach Buchholzwertung erstplatzierten Spielern das Blitz-Finale um den Titel zugesteht.

Alexandra Kosteniuk sicherte sich im Frauenturnier souverän den Titel. Zwischenzeitlich hatte sich die Russin 1,5 Punkte Vorsprung auf das Feld erarbeitet, am Ende triumphierte sie mit 9 Punkten aus 11 Partien. IM Bibisara Assaubayeva , ebenfalls 17 Jahre alt, wurde Zweite und GM Valentina Gunina wurde Dritte.

Für die deutschen Teilnehmer:innen waren Podiumsplatzierungen nie in Reichweite, aber immerhin sprang ein wenig Preisgeld heraus:
Immerhin war ein deutscher Spieler am Schwindel des Turniers beteiligt, wenngleich als Leidtragender. Rasmus Svane stand kurz davor, den Weltranglisten-Siebten Anish Giri zu besiegen: Dame plus zwei Bauern versus Dame war die Endspiel-Konstellation. Dann erspähte Giri ein trickreiches Mattmotiv, Svane sah es nicht, und die eben noch gewonnene Partie ging verloren.
Speziell der dritte Tag der WM gebar an der Tabellenspitze manches Drama und einige Wendungen. Der Tag begann mit einem Vergleich zwischen Absusattorov und Titelverteidiger Carlsen, in dem der junge Herausforderer den Platzhirsch unter Druck setzte, aber nie entscheidend durchbrechen konnte. Es war Carlsen, der die Partie wegwarf, anstatt sie in ein ausgeglichenes Damenendspiel zu steuern.
Danach lagen Abdusattorov und Nepomniachtchi mit 8/10 gemeinsam in Front, gefolgt von Carlsen und Caruana mit jeweils 7,5. Und es folgte in Runde elf eine Begegnung, die wir zuletzt vor gut zwei Wochen in Dubai gesehen haben: Carlsen versus Nepo. Die beiden spielten auch mit reduzierter Bedenkzeit eine katalanische Partie frei von Ungenauigkeiten, die als klassische WM-Partie durchgegangen wäre – mit dem klassischen Ergebnis: remis.
Vor der letzten Runde des von 15 auf 13 Durchgänge verkürzten Turniers ging es an der Tabellenspitze denkbar eng zu. Vier Spieler führten mit 9/12, Abdusattorov, Nepo, Carlsen und Caruana; ein halber Punkt dahinter das Trio Nakamura, Gukesh und Duda.
Alle Partien endeten remis. Überraschend die schnelle Punkteteilung zwischen Caruana und Nepomniachtchi, in der der Amerikaner mit Weiß keine Gewinnversuche unternahm, obwohl abzusehen war, dass ihm ein Unentschieden nicht für den Tiebreak reichen würde. „Ob er die Turnierregeln nicht kannte?“, spekulierte Peter Leko im chess24-Stream.
Caruana erklärte nach der Partie, er sei sich noch am Brett nicht sicher gewesen, was er spielen solle. Er würde es ja mit dem Schwarzrepertoire Nepos zu tun bekommen, “und der hatte sein Russisch vor dem WM-Match monatelang vorbereitet. Sich dagegen binnen fünf Minuten etwas auszudenken”, sei nicht so einfach. Gleichwohl bedauere er, nicht mehr versucht zu haben.
Nach der Runde lag oben genanntes Quartett weiter vorne, und die Buchholz-Wertung sorgte dafür, dass der Titelverteidiger ausgeschieden war, während Abdusattorov und Nepo im Blitzschach um die Schnellschach-Weltmeisterschaft spielten. Nach einem Remis in der ersten Partie gewann der Jüngere in der Zweiten ein Doppelturmendspiel, nachdem er seinen Gegner von Beginn an vor allem auf der Uhr unter Druck gesetzt hatte.
Die vier Erstplatzierten kassieren jeweils 45.000 Dollar Preisgeld. Die vier Erstplatzierten bei den Frauen 40.000, 30.000 und 2x 17.500 Dollar.
Ab heute: Blitzschach-Weltmeisterschaft. Auch da hat Magnus Carlsen einen Titel zu verteidigen.
Spitzenstand offene Schnellschach-WM:
1 | Abdusattorov Nodirbek | 2593 | 9,5 | 109,0 |
2 | Nepomniachtchi Ian | 2798 | 9,5 | 107,5 |
3 | Carlsen Magnus | 2842 | 9,5 | 103,0 |
4 | Caruana Fabiano | 2770 | 9,5 | 100,0 |
5 | Duda Jan-Krzysztof | 2801 | 9,0 | 103,0 |
6 | Aronian Levon | 2728 | 9,0 | 100,0 |
7 | Nakamura Hikaru | 2836 | 9,0 | 102,0 |
8 | Mamedyarov Shakhriyar | 2727 | 9,0 | 98,0 |
9 | Gukesh D | 2050 | 9,0 | 95,0 |
10 | Rapport Richard | 2750 | 9,0 | 94,0 |
11 | Karjakin Sergey | 2757 | 9,0 | 82,5 |
12 | Van Foreest Jorden | 2563 | 8,5 | 103,5 |
13 | Grischuk Alexander | 2763 | 8,5 | 102,5 |
14 | Fedoseev Vladimir | 2692 | 8,5 | 98,5 |
15 | Mitrabha Guha | 2107 | 8,5 | 95,5 |
16 | Dubov Daniil | 2735 | 8,5 | 95,5 |
17 | Vachier-Lagrave Maxime | 2773 | 8,5 | 92,0 |
18 | Salem A.R. Saleh | 2729 | 8,5 | 90,5 |
19 | Sarana Alexey | 2680 | 8,5 | 89,0 |
20 | Firouzja Alireza | 2656 | 8,0 | 102,5 |
Spitzenstand Frauen:
1 | GM | Kosteniuk Alexandra | 2515 | 9,0 | 69,0 |
2 | IM | Assaubayeva Bibisara | 2369 | 8,5 | 65,0 |
3 | GM | Gunina Valentina | 2499 | 8,0 | 72,5 |
4 | GM | Lagno Kateryna | 2545 | 8,0 | 68,5 |
5 | WIM | Serikbay Assel | 2023 | 7,5 | 72,0 |
6 | GM | Koneru Humpy | 2483 | 7,5 | 68,0 |
7 | GM | Dzagnidze Nana | 2471 | 7,5 | 67,5 |
8 | IM | Paehtz Elisabeth | 2367 | 7,5 | 63,0 |
9 | GM | Stefanova Antoaneta | 2443 | 7,5 | 62,5 |
10 | WGM | Michna Marta | 2291 | 7,5 | 61,5 |
11 | GM | Abdumalik Zhansaya | 2449 | 7,5 | 60,5 |
12 | IM | Mammadova Gulnar | 2388 | 7,5 | 60,0 |
13 | GM | Muzychuk Anna | 2497 | 7,5 | 58,5 |
14 | IM | Vaishali R | 2201 | 7,0 | 69,0 |
15 | GM | Muzychuk Mariya | 2501 | 7,0 | 68,5 |
16 | GM | Goryachkina Aleksandra | 2521 | 7,0 | 63,5 |
17 | IM | Nomin-Erdene Davaademberel | 2235 | 7,0 | 63,0 |
18 | IM | Gaponenko Inna | 2348 | 7,0 | 61,0 |
19 | WGM | Berend Elvira | 2344 | 7,0 | 55,5 |
20 | IM | Kashlinskaya Alina | 2377 | 7,0 | 53,5 |
Man kann über den Tie-Break-Modus ja denken was man will: Er stand aber vor dem Turnier fest. Mir ist nicht ganz klar, was Carlsens Kritik nach dem Turnier dann sollte. Er hätte diese ja vor dem Turnier äußern können. So bekommt der aus meiner bescheidenen Sicht hochverdiente Turniersieg von Abdusattorov irgendwie einen Beigeschmack, den der junge Mann nicht verdient hat. Ein Tie-Break mit allen Punktgleichen wäre zu einem kleinen Blitzschachturnier geworden. Wenn, dann hätte ich eine reine Platzierung nach Feinwertung sauberer gefunden – dann hätte aber auch Abdusattorov gewonnen, oder – und auf keinen Fall Carlsen. Ganz allgemein fände ich… Weiterlesen »
Ich fände es eine interessante Idee, wenn der Weltmeister/Blitz und der Weltmeister/Schnellschach auf der folgenden Weltmeisterschaft das “feste Brett 1 an der Kamera” bekämen. Dieses Privileg ist etwas merkwürdig und wird dadurch spannender, wenn “der Besitzer des 1. Brettes” halt doch nicht so unangefochten ist, wie er und wir denken. Es könnte ja auch einen Sonderpreis geben, z.B. für denjenigen mit den abenteuerlichsten Partien. Inhalt des Sonderpreises könnte Geld und das feste Brett 1 sein.
Da ist ein Fehler im Artikel: Die Preisgelder der punktgleichen Spieler wurden geteilt, die vier Erstplatzierten bekamen also 45.000 pro Nase. Im Play-off ging es “nur” um den Titel. Siehe https://worldrapidandblitz.fide.com/regulations-open-event/
Danke, ja. Ich hatte das im WM-Bericht von chess.com gelesen und ungeprüft übernommen. Text ist korrigiert.
Sorry, wenn ich nochmal nachhake: Bei den Frauen waren die ersten beiden nicht punktgleich, also wurden 40.000/30.000/17.500/17.500 verteilt.
Zu doof zum Korrigieren 🙂 Danke, kein Grund fürs Sorry, im Gegenteil. Die Lesenden sollen sich ja darauf verlassen können, dass das, was hier steht, stimmt. Eine Kommentarspalte, die keine Flüchtigkeiten durchgehen lässt, ist da hilfreich.
“Vor der letzten Runde des von 13 auf 15 Durchgänge verkürzten Turniers…”
😉
[…] Im Schach war es bislang gängige Praxis, den Zuschauern ohne Not dieses Spektakel vorzuenthalten. Zuletzt hat sich am Ende der Schnellschach-WM im Dezember darum eine Kontroverse entsponnen: Magnus Carlsen und Fabiano Caruana blieben außen vor, die punktgleichen Nodirbek Abdusattorov und Ian Nepomniachtchi spielten einen Tiebreak um den WM-Titel. Abdusattorov wurde Weltmeister. […]
[…] Zahl der extrem starken Schach-Wunderknaben, nicht nur aus Indien, ist höher denn je, die Konkurrenz stärker denn je. Vincent Keymer will trotzdem in die Top 10 […]
[…] danach Magnus Carlsen, Weltmeister im klassischen Schach, dann Nodirbek Abdusattorov, Schnellschach-Weltmeister. Zu guter Letzt wartet Ian Nepomniachtchi, seines Zeichens […]
[…] hatte es ausgesehen, als würden Schnellschachweltmeister Nodirbek Abdusattorov und Vincent Keymer den Turniersieg unter sich ausmachen. Drei Runden vor […]
[…] fürs Weiterkommen dahin. Trotzdem schloss Keymer den Wettbewerb mit einem vollen Punkt gegen Schnellschach-Weltmeister Nodirbek Abdusattorov […]
[…] Carlsen entthront: Schnellschach-Weltmeister Nodirbek Abdusattorov (17) […]
[…] Carlsen entthront: Schnellschach-Weltmeister Nodirbek Abdusattorov (17) […]
Ich fand die Annekdote ganz nett, als Carlsen etwas Selbstkritik äußerte und meinte, dass er und sein Vater es wieder einmal unterlassen hatten, die Fide zu kontrollieren. Dann wäre das mit den blöden Tiebreak-Regeln früher aufgefallen. Man kann der Fide nicht unbeaufsichtigt lassen, sie finden immer die dümmste Lösung für alles. Irgendwie so… sinngemäß.
Carlsen on rapid WC rules: I take some self-critics that me and my father have not been watchdogs at FIDE, which is obviously neccessary, otherwise they fuck up every time.
Quelle:
Carlsen on rapid WC rules: ‘I take some self-criticism that me and my father have not been watchdogs at FIDE, which is obviously neccessary, otherwise they fuck up every time’ : chess (reddit.com)
bzw.
Carlsen mistet VM-tittelen: – Klin idiotisk regel – VG
Herr Carlsen wird mir immer unsympthischer. Dieses billige Nachtreten kann er sich doch absolut sparen. Wenn er in den Tiebreak gekommen wäre, hätte er keinen Ton dazu gesagt. Sowas ist einfach nur schlechter Stil bzw. Gejammer eines schlechten Verlierers.
Eigentlich liegst du da völlig falsch.
Carlsen war mal in einer ähnlichen Situation während eines großen Turniers. Er sollte ein Playoff gegen den Zweitplatzierten spielen. Zwei weitere Spieler wären mit gleicher Punktzahl von dem Playoff ausgeschlossen worden. Er ist damals eingeschritten und hat gesagt, entweder wir spielen alle 4 ein Playoff oder ich werde nicht antreten. Die Organisatoren haben dann kein Playoff spielen lassen und das Turnier war beendet.
Du siehst also… Carlsen tritt hier nicht nach, weil er das Playoff nicht spielen durfte, sondern weil er der Überzeugung ist, dass diese Regelung nicht okay ist.
Sinquefield Cup “A few years back, there was a 4 way tie for first… in the Sinquefield Cup. They had the same rules, but Carlsen, one of the top 2, said “everyone plays the playoff, or i don’t play!” After a meeting of the organizer, they agreed to nobody plays. Integrity” Ben Finegold: A few years back, there was a 4 way tie for first (unless it was 5)… in the Sinquefield Cup. They had the same rules, but Carlsen, one of the top 2, said “everyone plays the playoff, or I don’t play!” After a meeting of the organizers,… Weiterlesen »
Das stimmt so nicht. Die Situation war nicht wie von dir beschrieben. Carlsen hat sich nicht für andere Spieler, sondern für seine eigenen Interessen eingesetzt. Carlsen war nicht Erster und sollte gegen den Zweitplatzierten den Stichkampf spielen, sondern in Wirklichkeit lagen mit Carlsen, Aronian und Caruana drei Spieler (nicht vier) nach Punkten UND Feinwertung gleichauf an der Spitze und es sollte durch LOS entschieden werden, welche 2 Spieler das Finale spielen. Mit 1/3 Wahrscheinlichkeit wäre Carlsen also gar nicht im Stichkampf gewesen. Gegen diese wirklich unsinnige Regel hat Carlsen (mit Aronian) protestiert, aber nicht aus Fairness gegenüber anderen Spielern, sondern… Weiterlesen »
Wenn das stimmt, wäre das ein gutes Beispiel wie durch (bewusstes) weglassen Informationen verfälscht werden