Happy Birthday, Doc!

Wahrscheinlich wird Robert Hübner nie wieder einen Mannschaftskampf in Deutschland spielen. Nachdem jetzt das Amtsgericht Charlottenburg die Klage des SC Siegburg gegen die “Spielervereinbarung” des DSB abgewiesen hat, aus formalen Gründen in erster Linie, haben die Siegburger, namentlich Robert Hübner, Bodo Schmidt und Axel Breest, einen Monat Zeit, Berufung einzulegen. Dem Vernehmen nach wird das eher nicht geschehen. Noch unwahrscheinlicher ist, dass Robert Hübner jemals ein Papier unterschreiben wird, auf dem steht, dass ihn der Schiedsrichter anfassen darf.

In angenehmer Haltung am Kampfbrett: Schachgroßmeister Robert Hübner bei den “Legenden in Leiden“. | Foto: Lennart Ootes

Heute feiert Robert Hübner Geburtstag, er wird 72 Jahre alt. Zweifellos war Hübner der überragende deutsche Schachspieler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, international unter den Allerbesten. Vier Mal erreichte er die Kandidatenwettkämpfe, beginnend 1970. In Sevilla brach er das Match gegen Tigran Petrosjan ab, weil ihn der Lärm im Turniersaal störte. Dem schwerhörigen Exweltmeister setzte die Geräuschkulisse nicht zu, Petrosian schaltete einfach sein Hörgerät ab.

1980 schaffte es Hübner ins Kandidatenfinale gegen Viktor Kortschnoi, das auf dem Brett lange gut lief. Abseits des Brettes nicht. Zwischen den Delegationen schwelte es von Beginn an, schließlich brach offener Streit aus, und Hübner, der das nicht ertragen konnte, der darüber am Brett eingebrochen war, reiste ab.

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“Mysteriösester aller Topspieler”

Schachmäzen Wilfried Hilgert, Anführer von Team Hübner, gab nicht zuletzt der Berichterstattung des Spiegel, speziell dieser, die Schuld am nervlich bedingten Rückzug seines Kandidaten. Das Magazin konterte, indem es feststellte, dass in erster Linie der ewig zündelnde Hilgert daran Schuld sei, dass die Begleitumstände des Matches außer Kontrolle geraten waren.

Damals war Hübner die Nummer drei der Welt. Höher stieg er nie.

Den “mysteriösesten aller Topspieler” nannte ihn heute FIDE-General Emil Sutovsky in einem Facebookeintrag zum Geburtstag. Tatsächlich gibt es keine Hübner-Biografie, es gibt gar kein Werk, das Nähe zu Hübner herstellt – außer solchen, die von ihm selbst verfasst sind.

Das Misstrauen gegenüber Spielern, das Hübner aus der “Spielervereinbarung” des DSB herausliest, empfindet der Meister auch gegenüber Beobachtern, die die Geschichten dieser Spieler erzählen wollen. Sie könnten sich ja flach-fröhliche Überschriftendummys ausdenken wie den über diesem Text. Oder Absätze wie diesen aus dem oben verlinkten Spiegel-Artikel zum Kandidatenmatch gegen Kortschnoi, der Hübners Wandlung unter dem Einfluss des Psychologen Renato Lorenzetto zu beschreiben versucht:

“… Zwar reißt er sich noch immer beklommen die Mütze vom Kopf, bevor er das “Palace” betritt, und streift sich dazu so ängstlich die Schuhe blank, als stünde er gleich in Omas guter Stube. Zwar redet er unverändert im leicht verschrobenen Deutsch eines Primus absolutus, welcher an sich selbst fortwährend den Rotstift anlegt. Doch er geht plötzlich aufrechter, sitzt in angenehmer Haltung im Drehsessel am Kampfbrett, popelt gelassen in der Nase, streicht sich mit seinen Mädchenhänden freundlich über Bart und Nacken …”

Ein ziemlicher Quark, auch wenn er die eine oder andere treffende Beobachtung enthält. Solche Zeilen mögen dazu beigetragen haben, dass Robert Hübner sich Berichterstattung entzieht und Berichterstatter abweist. Ginge es nach ihm, müssten wir womöglich sogar fragen, ob wir heute Hübner-Kombinationen zeigen dürfen. Ein Vierteljahrhundert ist es her, da schaltete Hübner den Bundestag ein, um zu erreichen, dass Schachpartien urheberrechtlich geschützt werden.

Sein Ansinnen wurde abgelehnt, darum heute ein “Best of Hübner”, gespickt mit vielen klangvollen Schachnamen:

Gheorghiu, Florin ROM (2500) – Huebner, Robert GER (2585)
29th olm final Novi Sad YUG (1), 1990.11.17

Schwarz zieht und gewinnt.

(Du willst lösen? Klick aufs Brett.)


Portisch, Lajos (2630) – Huebner, Robert (2595)
Bugojno Bugojno (4), 1978

Dass jetzt …fxe4+ kommt, hatte die Sphinx Lajos Portisch gesehen. Aber nicht die Keule, die ihn im Zug danach traf.

Schwarz zieht und gewinnt.


Huebner, Robert – Kavalek, Lubomir
Tilburg Tilburg (9), 1980

Duell der Mannschaftskameraden von der SG Solingen, in deren Bundesligateam Robert Hübner lange das erste und Lubomir Kavalek das zweite Brett besetzte.

Weiß zieht und gewinnt.


Huebner, Robert – Ljubojevic, Ljubomir
Tilburg Tilburg (9), 1985

So viele Springerabzüge, aber ob einer von denen gut ist?

Weiß zieht und gewinnt.


Timman, Jan – Huebner, Robert
Wijk aan Zee I (8), 1982

Eines der ewigen Duelle nicht nur in den 80er-Jahren. Noch 1991 bei Hübners letztem Vorstoß in die Kandidatenwettkämpfe begegneten die beiden einander auf höchster Ebene. Hübner unterlag 2,5:4,5. Hier hätte Hübner siegen können, allerdings bedarf es annähernd maschineller Voraussicht, um zu sehen, wie das geht. Für den Leser ist das höchstwahrscheinlich zu schwierig. Oder?

Schwarz zieht und gewinnt.


Wenn Beobachter Nähe herstellen wollen, wird Robert Hübner misstrauisch. Darum gibt es keine Biografie. Aber “Elemente einer Selbstbiografie“.
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Peter
Peter
3 Jahre zuvor

Tatsächlich gibt es keine Hübner-Biografie, es gibt gar kein Werk, das Nähe zu Hübner herstellt – außer solchen, die von ihm selbst verfasst sind. Das ist in der Tendenz zwar richtig, aber doch nicht ganz. In der 80ger Jahren gab es, mittlerweile vergriffen, dieses Büchlein hier: https://www.schachversand.de/dr-robert-hubner-60-seiner-schonsten-partien.html Und dann wäre da noch Pflegers “Die besten Partien Deutscher Schachgroßmeister” (1983) wo Hübner das umfangreichste Kapitel bekam (geschrieben von seinem Kollegen Hajo Hecht). Und natürlich gibt es unzählige Turnierberichte in Zeitschriften und Büchern, in denen Hübner eine große Rolle einnimmt. Ein Beispiel wäre Eric Lobrons “Die Schacholympiade Tessaloniki 1984”. Oder meinetwegen auch… Weiterlesen »

Bernd Schneider
Bernd Schneider
3 Jahre zuvor

Erst einmal möchte ich festhalten, dass ich der Überschrift zustimme. Happy Birthday, Doc! In der Tat hat Robert Hübner als Schachspieler eine Würdigung zu seinem 72. Geburtstag verdient, er war schließlich DER prägende Spieler des westdeutschen Schachs in den 1970er und 1980er Jahren. Das Hübner 1980 gegen Kortschnoi in Meran zum zweiten Male die Brocken hinwarf, dafür trug Wilfried Hilgert in der Tat eine große Mitschuld. Natürlich war Hübner nicht mit der Berichterstattung des „Spiegel“ einverstanden. Andererseits pflegte Hübner in Meran engen Kontakt mit Gisbert Jacoby, der vom Spiegel offiziell als Berichterstatter nach Südtirol gesandt wurde. Gisbert Jacoby wurde zu… Weiterlesen »

Karsten
Karsten
3 Jahre zuvor

Ich erlaube mir einen längeren Kommentar, denn es ist etwas zu sagen. “Das Misstrauen gegenüber Spielern, das Hübner aus der „Spielervereinbarung“ des DSB herausliest …” Offenbar ist man heute allgemein nicht mehr in der Lage, wachsam auf die Gefahr der Einführung totalitärer Strukturen zu achten, was vor 30, 40 Jahren noch ziemlich selbstverständlich war. Heute hingegen sind die Gehirne durch das Etikett “Verschwörungstheorie” (allen Fakten ignorant zum Trotz) und die psychologische Kategorisierung “paranoid” in einen Zustand des Verdummungsschlafes versetzt worden. Der nicht gesellschaftskonforme Robert Hübner jedoch nicht, Gott sei Dank. Am Rande eingeschoben: Auch Bobby Fischer war ja später angeblich… Weiterlesen »

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[…] mag, das weiß er selbst nicht. Aber schon als 17-jähriger Aufsteiger hat er den bis jetzt letzten deutschen Weltklassespieler in Sachen mentaler Stabilität und professioneller Attitüde längst […]

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[…] erst recht, wenn sie mit ihrem langjährigen Vorkämpfer aneinandergerät, dem auch in Rechtsfragen besonders sensiblen Robert […]