Andrei Filatov, Präsident des Russischen Schachverbands, ist im internationalen Schachbetrieb immer für ein russisches Störfeuer gut. Als unlängst die FIDE und chess.com den Nations Cup ausrichteten, ein Test für die Online-Olympiade, frohlockte der Milliardär, dass sich das Turnier mit dem 75-jährigen Jubiläum des großen vaterländischen Siegs über die braune Pest überschneidet. Die Veranstalter beeilten sich festzustellen, dass es sich um eine Sportveranstaltung ohne politische oder historische Agenda handelt. Die terminliche Überschneidung sei Zufall.
Seitdem das Kandidatenturnier in Jekaterinburg abgebrochen wurde, insistiert Filatov, dass es natürlich in Jekaterinburg fortgesetzt wird, wenn es irgendwie geht, zuletzt Ende Juni gegenüber russischen Medien. Öffentlich widersprochen hat ihm bislang niemand, aber schon im Juli mehrten sich die Signale, dass die FIDE sich eben doch außerhalb Russlands umschaut, um möglichst noch im kommenden Herbst die zweite Hälfte des Turniers zu spielen. Irregulär ist das Kandidatenturnier jetzt schon, und je mehr Zeit zwischen der ersten und der zweiten Hälfte verstreicht, desto weniger aussagekräftig ist das Ergebnis.
Ohne Not die Tür zugemacht
Als jetzt der deutsche Schachpräsident Ullrich Krause im Schach-Interview die eine oder andere Neuigkeit zu verkünden hatte, wurde er abschließend gefragt, ob denn die zweite Hälfte des Turniers womöglich in Deutschland …? Das hätte er diplomatisch beantworten können:
“Dank unseres Hauptgeschäftsführers Dr. Marcus Fenner unterhalten wir beste Kontakte zur FIDE. Ich bin optimistisch, dass der Weltverband bei nächster Gelegenheit eine Großveranstaltung nach Deutschland vergibt. Ein Kandidatenturnier 2020 in Deutschland halte ich aber für sehr unwahrscheinlich. Sollte sich diese Möglichkeit tatsächlich ergeben, würden wir die Sache natürlich nach Kräften unterstützen.”
Stattdessen machte Krause ohne Not die Tür zu. Er sagte dieses:
Ein Schlag ins Gesicht der Verantwortlichen des SC Überlingen. Die hatten längst Wind bekommen von der Ausrichtersuche der FIDE, haben eine gewisse Organisationserfahrung vorzuweisen und ein brachliegendes Landesgartenschau-Areal noch dazu. Und, wer weiß, vielleicht gibt es ja noch größere Vereine mit mehr Organisationserfahrung, die zumindest erwägen würden, ihren Hut in den Ring zu werfen? In Dortmund zum Beispiel, in Hamburg oder in Karlsruhe, wo wegen der anstehenden Bundesliga-Meisterschaftsrunde ohnehin gerade an einem Hygienekonzept für Schachturniere gearbeitet wird.
Die Not der FIDE ist jedenfalls in den vergangenen Wochen nicht kleiner geworden. Am gestrigen Montag veröffentlichte der Weltverband einen Aufruf an potenzielle Ausrichter, sich bis Ende der Woche zu melden:
Also: Kandidatenturnier, anyone?
office@fide.com freut sich über Nachrichten.