Kandidat Keymer

Ob Vincent Keymer jemals WM-Kandidat wird? Das Zeug dazu hat das Supertalent aus Saulheim ohne Frage. Trotzdem reicht ein Blick nach Asien, um festzustellen, dass der Sturm auf den Schachthron alles andere als ein Selbstläufer wird. Keymer gehört der Generation an, die mehr ambitionierte Talente ins Schach spült als jede vor ihr. Ein 16-Jähriger mit großmeisterhafter Spielstärke ist heute längst nicht mehr die Sensation, die er vor wenigen Dekaden gewesen wäre.

Gäbe es einen Preis für das humorvollste Spielerprofil auf chess.com, Vincent Keymer hätte gute Chancen, ihn zu gewinnen. Am kommenden Wochenende wird der Großmeister aus Saulheim auf dieser Plattform Teil einer Mannschaft sein, die am Turnier der Kandidatenländer teilnimmt. Keymer spielt für die FIDE-Mannschaft.

Schachfreund Nodirbek Abdusattorov aus Usbekistan zum Beispiel war gerade einmal 13 Jahre alt, als er großmeisterhafte Spielstärke und den dazugehörigen Titel erlangt hatte. Heute ist Abdusattorov mit Elo 2627 die Nummer eins der U16-Weltrangliste. Wir dürfen davon ausgehen, dass auch der Usbeke gewisse Pläne in Sachen Schachthron hegt. Aber wie man Abdusattorov schlagen kann, hat unlängst Rasmus Svane eindrucksvoll demonstriert.

GM mit 13: Nodirbek Abdusattorov. | Foto: Lennart Ootes/FIDE

Schachfreund Nihal Sarin aus Indien ist ein weiterer Mitbewerber für jeden, der heute ein Teenager ist und morgen Weltklasse zu sein gedenkt. Mit 2620 Elo belegt Sarin den zweiten Rang in der U16-Weltrangliste, sein Leben ist auf das Schach ausgerichtet. Wenn gerade keine Viruspandemie die Welt lahmlegt, bereist der Junge aus Thrissur selbige, um Schach zu spielen. Neben seinem Brett steht stets eine Flasche Biomilch seines Sponsors, der ihn auf seinem Weg begleitet in der Hoffnung, dass Sarin dereinst während eines Kandidatenturniers Biomilchgefäße neben das Brett und vor die Objektive der Fotografen stellt.

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Diese beiden Jungs gehen einen anderen Weg als Keymer, der Tag für Tag im Gymnasium Nieder-Olm seiner Schulpflicht nachkommt und viel weniger spielt als Sarin, Abdusattorov und andere rastlose Jungprofis – gleichwohl gezielter. Vincent Keymer und sein Trainer Peter Leko picken sich für die limitierte Schachzeit solche Wettbewerbe heraus, an denen Keymer und sein Schach wachsen können.

Nicht ohne meine Biomilch: Nihal Sarin. | Foto: FIDE

Im Moment spielen diese drei und alle anderen ausschließlich online. Wenn man der Großmeistergilde angehört und nicht so viele Gegner auf Augenhöhe findet, dann fügt es sich, dass man einander im Netz begegnet. Erst ein paar Tage ist es her, da fochten Vincent Keymer und Nihal Sarin im Schutz ihrer heimischen Isolation ein Blitz-Match aus – 7:3 für den Inder.

Gegengewicht zum “Magnus Carlsen Invitational”

Bevor die drei einander womöglich noch im Lauf der 2020er in einem Kandidatenturnier begegnen, werden sie jetzt erst einmal Mannschaftskameraden in einem Kandidaten-Länder-Jugendturnier sein. Die Idee stammt aus China: Warum nicht Jugend-Auswahlen aus den Ländern gegeneinander antreten lassen, aus denen die aktuellen WM-Kandidaten stammen?

Die FIDE unterstützt die Idee und hat dafür gesorgt, dass eine internationale FIDE-Auswahl mitspielen darf. Und die wird angesichts ihrer für Jugendverhältnisse unverschämt starken Besetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen. Team FIDE ist an jedem Brett nominell deutlicher Favorit gegen Team Russland, Niederlande, China, USA und Frankreich.

Es wäre eine Riesenüberraschung, würde sich diese Auswahl beim Kandidatenländer-Jugendturnier nicht durchsetzen.

Ausgetragen wird der Wettkampf am Samstag und Sonntag, 18. und 19. April, jeweils ab 16 Uhr. Gespielt werden Schnellpartien 10 Minuten/2 Sekunden Increment. Als Plattform hat sich chess.com angeboten – mit Freude wahrscheinlich, um ein Gegengewicht zum “Magnus Invitational” zu haben, das ebenfalls am kommenden Samstag beginnt.

Zur Ankündigung des Kandidatenländerjugendschachturniers.
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[…] Firouzja hat sich längst eine Reihe weiterer Supertalente in Stellung gebracht. Außerdem ist Leistungsentwicklung im Schach kaum vorhersagbar. Darauf hat Vincent Keymer […]

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[…] möglich. Nicht zuletzt unterstützen Wolfgang Grenke und seine AG den schachlichen Aufstieg von Vincent Keymer, der in den kommenden Jahren bestens gefördert, betreut und abgesichert ausloten kann, wie weit […]