Paul Tarrasch 1892-1912

Kann Eltern etwas Schlimmeres widerfahren, als den Tod des eigenen Kindes zu erleben?

Der große Siegbert Tarrasch hat drei dieser Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Aus erster Ehe hatte er zwei Töchter und drei Söhne, Friedrich Max, Hans-Richard und Paul. Alle drei starben binnen fünf Jahren von 1912 bis bis 1916. Sein jüngster Sohn Paul, geboren am 15. April 1892, würde heute 128. Geburtstag feiern.

Dr. phil. Friedrich Max Tarrasch, genannt „Fritz“, geboren am 11. März 1888, war Leutnant in der Bayerischen Infanterie und Träger des Eisernen Kreuzes. Er starb am 14. Mai 1915 an der Westfront. Hans Richard Tarrasch, geboren am 6. Juli 1890, starb 1916 bei einem Unfall in München. Er wurde von einer Straßenbahn überrollt.

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Der jüngste Sohn Paul, geboren am 15. April 1892, war da schon tot. Er hatte sich am 9. September 1912 in Hamburg aus Liebeskummer das Leben genommen. Offizielle Todesursache: akute Herzlähmung – was der tatsächlichen Todesursache im übertragenen Sinne nahekommt.

Notiz in der New Yorker Tageszeitung “Sun”. Paul Tarrasch war 20, nicht 18, als er starb.

Paul Tarrasch war der beste Schachspieler der drei Söhne des Lehrmeisters der Deutschen. „Ich hatte die Freude, ihm begegnet zu sein“, schrieb Jose Raul Capablanca im Mai 1913 in der kubanischen Zeitung „Diario de la Marina“: „Paul war einer meiner Gegner in einer Simultanvorstellung. Obwohl er verlor, war sein Spiel in mancher Hinsicht dem seines Vaters ähnlich. Vielleicht hätte er die Ausnahmestellung des berühmten Doktors eines Tages übernommen.“

1912 erschien Siegbert Tarraschs „Die moderne Schachpartie“, ein Buch, das rasch zum Klassiker werden sollte und bis heute als eines der besten Lehrbücher gelten darf. „In Erinnerung an meinen geliebten Sohn Paul“ stand am Beginn der Erstausgabe. 1916 erschien die zweite Auflage des Werks – mit veränderter Widmung. Nun war „Die moderne Schachpartie“ Fritz Tarrasch gewidmet, der kurz zuvor im Krieg sein Leben verloren hatte.

Von Paul Tarrasch ist eine Partie überliefert, jene nämlich, die Capablanca 1913 veröffentlichte:

Tarrasch, Paul – Roll
Nebenturnier-A, Hamburg 1910, Skandinavisch

1. e4 d5 2. exd5 Qxd5 3. Nc3 Qa5 4. d4 c6 5. Nf3 Bg4 6. h3 Bf5 7. Ne5 f6 8. Nc4 Qc7 9. Qf3 Bxc2 10. Bf4 Qd7 11. Ne3 Bg6 12. O-O-O e6 13. Bc4 b5 14. Nxb5 Na6 15. d5 cxd5

16. Nxd5 exd5 17. Rhe1+ Be7 18. Rxd5 Rc8 19. Rxd7 Rxc4+ 20. Nc3
Rxf4 21. Qd5 Kf8 22. Rdxe7 Nxe7 23. Qd8+ 1-0

Anlässlich seines 70. Todestags erschien 2004 diese monumentale (und heute fast vergriffene) Biografie, die das Leben des großen Meisters auf 877 (!) Seiten erzählt.
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