Das Amtsgericht Dresden hat den Schach-Organisator Dirk Jordan wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in Tateinheit mit Untreue in 27 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Jordans Frau Martina wurde wegen „vorsätzlicher Geldwäsche“ in 37 Fällen schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Außerdem ließ das Gericht vom Jordan-Verein „64 Felder“ sowie den beiden Beklagten knapp 120.000 Euro einziehen.
Die Urteile gegen den 67-Jährigen und seine Frau liegen nahe an dem Strafmaß, das Oberstaatsanwältin Karin Schreitter-Skvortsov gefordert hatte (zwei Jahre). Nach Einschätzung des Gerichts hat die Hauptverhandlung die in der Anklage aufgeführten Punkte weitgehend bestätigt.
Jordan-Verteidiger Christian Holtermann hatte auf Freispruch plädiert. „Das Urteil weicht erheblich von unserer Forderung ab“, stellte der Anwalt nach der Urteilsverkündung fest. Er und Jordans haben nun eine Woche Zeit, die nächste Instanz anzurufen. “Wir müssen uns darüber noch beraten. Aber gehen Sie davon aus, dass wir etwas tun werden“, erklärte Holtermann gegenüber der Sächsischen Zeitung.
Neben seiner Schachleidenschaft, mit der er Gutes für den Sport bewirkt habe, sah Richter Thomas Hassel einen mildernden Umstand für Dirk Jordan: die Schlafmützigkeit der Verantwortlichen beim Deutschen Schachbund. Der DSB habe mehr als ein Jahrzehnt lang die Möglichkeit gehabt, sich über die Vorgänge Klarheit zu verschaffen und sie zu beenden, ein massives Versäumnis nach Einschätzung des Gerichts. “Wenn der Verband sich hätte Klarheit verschaffen können, es aber nicht macht, heißt das zwar nicht, dass er die vorgefallenen Dinge billigt, aber er hätte zumindest weitere Rechtsnachteile für den DSB verhindern können”, sagte Hassel.
Um dieses Versäumnis zu erhellen, war als Zeuge der Verteidigung Jörg Schulz geladen. Der ehemalige Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend berichtete von einem Interview, das er als Mitglied des Organisationsteams 2003 mit der Hoteldirektorin in Brühl geführt hat. Auf die Frage, ob sie mit dem Schach-Sponsoring zufrieden sei, habe die Frau geantwortet, sie sei zufrieden – außer mit den Sonderzahlungen, die sie zu leisten habe.
Schulz wusste nichts von solchen Zahlungen. Erst als er nachhakte, habe seine Gesprächspartnerin gemerkt, dass er nicht informiert ist, und habe nichts weiter preisgegeben. Nach seiner Darstellung hat Schulz den damaligen DSB-Geschäftsführer Horst Metzing sowie Rechtsberater und Breitensport-Referent Ernst Bedau über diese Sonderzahlungen informiert.
Metzing habe sich kaum überrascht, aber wenig interessiert gezeigt, sagte Schulz nach Angaben eines Prozessbeobachters. Bedau habe bei Jordan nachgefragt, sich aber abspeisen lassen. Ihn selbst, so Schulz, hätten die Vorgänge wenig tangiert, seine Zuständigkeit sei die Jugend gewesen. Ob Metzing und Bedau unter den 19 Funktionären sind, die das Krause-Präsidium gefragt hat, ob sie etwas wissen (so hatte es Klaus Deventer am zweiten Prozesstag dargestellt), kam am dritten Prozesstag nicht zur Sprache.
Das in der Schachszene vielfach verbreitete Narrativ, Schulz sei wegen Jordans Nebenabsprachen aus der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft ausgestiegen, ist falsch. Schulz erklärte, er habe sich Mitte/Ende der 2000er Jahre daran gestört, dass bei der DSAM Jugendrabatte gestrichen wurden. Deswegen sei er aus dem Organisationsteam ausgeschieden. Von den Zahlungen an Jordan habe er erst 2018 wieder gehört.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Jordan „zum eigenen Vorteil“ Absprachen mit den Hotels getroffen hat, etwa, um Raten für sein Haus zu bezahlen, wie die Staatsanwaltschaft darlegte. Aus Sicht des Gerichts spricht nicht nur gegen den Angeklagten, dass er jahrelang und gewerbsmäßig sein Modell verfolgte. Dazu kommt, dass er sich öffentlich stets auf sein ehrenamtliches Engagement berief, während hinterrücks Provisionen flossen.
Die Argumentation der Verteidigung, Hotel-Provisionen zu erhalten, sei ein üblicher Vorgang, ließ das Gericht nicht gelten. Der Umstand, dass Jordan im Auftrag anderer tätig war und daraus ein Gewerbe zu seinen Gunsten machte, macht das Argument der Verteidigung aus Sicht des Gerichts haltlos. Dem Deutschen Schachbund sei durch Jordans Absprachen ein wirtschaftlicher Schaden entstanden.
Hätte Jordan einfach in Absprache mit dem DSB gehandelt – dieser Fall wäre gar keiner. Aber so, wie es gelaufen ist, führte der Fall jetzt zu einem Urteil, nach dem Dirk und Martina Jordan als vorbestraft gelten werden, sobald es rechtskräftig wird.
Auch der Darstellung von Martina Jordan, sie habe nie angenommen, etwas strafrechtlich Relevantes zu tun, wollte das Gericht nicht folgen. Zwar nahm das Gericht an, dass sie auch die Schachleidenschaft ihres Gatten unterstützen wollte, glaubt aber nicht, dass sie nicht genau wusste, was sie tat und um was für ein Konstrukt es sich beim Verein „64 Felder“ mit seinen acht Mitgliedern handelt.
“Liebe es, wenn eine Idee funktioniert”
Das Gericht ordnete an, Wertersatz in Höhe von 69.105 Euro vom Verein „64 Felder“ einzuziehen. Von Dirk Jordan soll zudem Wertersatz in Höhe von 22.500 Euro, von Martina Jordan in Höhe von 27.776 Euro eingezogen werden. Das Ehepaar muss die Kosten des Verfahrens tragen und gilt, so das Urteil denn rechtskräftig wird, als vorbestraft.
Die Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft (ursprünglich Ramada-Cup, benannt nach gleichnamiger Hotelkette) gibt es seit dem 125-jährigen Jubiläum des DSB im Jahr 2001. Ins Leben gerufen und seitdem organisiert hat sie bis 2018 Dirk Jordan. “Ich liebe es, wenn eine Idee funktioniert”, sagte Dirk Jordan nach der ersten Auflage 2001 in Brühl.
Trotz der 17-jährigen DSAM-Tätigkeit Jordans sind jetzt in Dresden nur Fälle aus den Jahren 2015-18 verhandelt worden. Alles davor ist strafrechtlich nicht mehr relevant. Gleichwohl betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer, dass die von den Ermittlern gefundenen Geldflüsse eine Reihe weiterer nach dem gleichen Prinzip veranstalteter Turniere nahelegen. Das eine oder andere davon dürfte beim Zivilprozess des DSB gegen Jordan zum Gegenstand der Verhandlung werden. Deventer hatte am zweiten Verhandlungstag angekündigt, dass der DSB diesen Prozess weiterführen wird.
Mein Satz des Tages:
“sah Richter Thomas Hassel einen mildernden Umstand für Dirk Jordan: die Schlafmützigkeit der Verantwortlichen beim Deutschen Schachbund.”
Interessant wäre auch mal die Frage, wie die jetzige DSAM bzw. die DSAM in den “Nach-Jordan” Jahren sich auf den Haushalt des Deutschen Schachbunds auswirkt bzw. ausgewirkt hat.
Ist sie ein Zuschussgeschäft, schwarze Null oder werden sogar Gewinne erwirtschaftet?
Es gibt übrigens verschiedene Schach Versandhändler. Bei einem bestelle ich nicht mehr.
Paar Monate mit Bewährung. Hmmm. Eine Klimakleberin wurde härter bestraft, die hat keine Bewährung bekommen und muss einige Monate in den Knast. Ein SUV-Fahrer hat am Zebrastreifen ein Kind totgefahren, bekommt auch Bewährung wie Jordan. Beides bei mir um die Ecke. Was Jordan gemacht hat, ist also nicht so schlimm wie den Verkehr aufhalten, aber ungefähr so schlimm, wie ein Kind am Zebrastreifen totfahren. Verrückte Welt.
[…] Dirk Jordan verurteilt […]
[…] den DSB verantwortlich sind, fügt sich ins Schema, das neulich der Dresdner Richter Thomas Hassel aufgezeigt hat: Natürlich haben inklusive des damaligen DSB-Geschäftsführers zahlreiche Funktionäre geahnt, […]
[…] zurückwünschen, der seiner Kundschaft über Jahre tiefer in die Tasche gegriffen hat, als anständig, geschweige denn verabredet gewesen wäre. Offenbar können und wollen die Senioren sich das […]
Das Strafmaß erscheint mir angesichts des doch überschaubaren Schadens zu hoch. Wenn man nicht dabei war, kann man die Ursache dafür schwer beurteilen. Aber nicht selten liegts am Auftreten des Angeklagten und/oder seines Verteidigers vor Gericht. Die Chance, dass in der Berufung das Strafmaß reduziert wird, ist gut. Wie man mit den mitgeteilten und wohl weitgehend unstrittigen Tatsachen einen Freispruch begründen will, ist mir aber rätselhaft. Der Vergleich mit den Klimaklebern (weiter oben) ist natürlich abseitig. Bewährung gibts, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit keine weiteren Straftatden begeht. Wenn man im Gerichtssaal gleich weitere Straftaten ankündigt,… Weiterlesen »
“Schulz wusste nichts von solchen Zahlungen” +
‘Deventer hatte am zweiten Verhandlungstag angekündigt, dass der DSB diesen Prozess weiterführen wird.’
Ich finde es schade, danke für die (wie immer eigentlich?) passende, angemessene und gute Berichterstattung
Mit freundlichen Grüßen
Ludger Keitlinghaus
So langsam könnte man die Seite in “DSB enthüllt” umbenennen.
Es ist WM, und CS politisiert fröhlich weiter.
Man, dann mach es doch mal selber. Bewirb dich doch, so wie du deine Position hier klar machst.
Seit Wochen nur Berichte über “Interna”, es geht mir echt so langsam auf den Sack, sorry…
Dirk Jordan wurde verurteilt und gilt fortan als vorbestraft. Zumindest falls es dabei bleibt. Das ist für sich genommen natürlich nicht erfreulich und sollte niemanden erfreuen. Es war aber angesichts der bekannten Fakten zu erwarten. Viel Geld, also Beute, wurde eingezogen. Für die Chancen des DSB im Zivilprozess davon Geld abzuschöpfen sagt das bislang wenig aus. Nicht nur der DSB, sondern auch der Staat benötigt Geld. Den angenommenen Schaden wird der DSB genau beziffern müssen. Kann sich der DSB darauf berufen, er sei geschädigt, wenn seine Akteure die Abrechnungen vorher unkritisch durchgewunken haben? Wie wurden die Turniere abgerechnet und vom… Weiterlesen »