Jordan legt Berufung ein, die Staatsanwaltschaft auch

Der Strafrechtsprozess gegen Schachorganisator Dirk Jordan und dessen Gattin Martina wird vor dem Dresdner Landgericht erneut verhandelt. Die Angeklagten ebenso wie die Staatsanwaltschaft haben Berufung gegen das Urteil des Dresdner Amtsgerichts vom 27. April eingelegt. Das bestätigte ein Sprecher Amtsgerichts auf Anfrage dieser Seite.

Wegen “Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie Untreue in 27 Fällen” ist Jordan zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass er sich als Auftragnehmer des Deutschen Schachbunds bereichert hat, unterstützt von seiner Frau, die als Schatzmeisterin des Jordan-Vereins “64 Felder” als Spenden deklarierte Hotel-Provisionen weiterleitete.

Martina Jordan ist wegen “vorsätzlicher Geldwäsche” in 37 Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt worden. Außerdem ließ das Gericht vom Jordan-Verein „64 Felder“ sowie den beiden Beklagten knapp 120.000 Euro einziehen. Verhandelt worden waren nur Fälle aus den Jahren 2015 bis 2018, Früheres ist verjährt. Die von Jordan mitgegründete Deutsche Amateurmeisterschaft gibt es seit 2001.

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Die Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert und ihr Verteidiger direkt nach der Urteilsverkündung angekündigt, in Berufung zu gehen. Mit der jetzt erfolgten Berufung ist das Urteil nicht rechtskräftig. Einen Termin für die nächste Verhandlung gibt es noch nicht. Bis der Fall vor dem Landgericht neu aufgerollt wird, werden voraussichtlich Monate vergehen. Damit dürfte auch in das seit 2019 ruhende Zivilverfahren des Schachbunds gegen Jordan so bald nicht wieder Bewegung kommen.

Dieses Verfahren wolle der DSB unabhängig vom Ausgang der Strafrechtssache auf jeden Fall weiterführen, hatte der als Zeuge geladene Klaus Deventer am Rande des zweiten Verhandlungstags gegenüber der Lokalpresse angekündigt. Deventer hatte seinerzeit als DSB-Vizepräsident daran mitgearbeitet, die Vorgänge zu enthüllen und das Verfahren gegen Jordan anzustoßen.

Der DSB wollte jetzt auf Anfrage dieser Seite Deventers Ankündigung nicht bestätigen. Das Präsidium sei dafür zuständig, wie es weitergeht. Bei dessen Videokonferenz am 9. Mai stehe das Jordan-Thema auf der Tagesordnung.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft im Strafrechtsprozess kommt überraschend. Mit seinem Urteil war Richter Thomas Hassel nur knapp unter dem geblieben, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte: 1,5 statt 2 Jahre Freiheitsstrafe. Außerdem hatte er die von der Staatsanwaltschaft geforderte Zahlung von 10.000 Euro an eine Institution, die mit Schach nichts zu tun hat, nicht verhängt. Offenbar betrachtet die Anklage die jetzt verhängte Strafe als nicht angemessen.

Neben seinem unbestrittenen Engagement für den Schachsport fiel für Jordan nur mildernd ins Gewicht, dass die Verantwortlichen des Schachbunds ihn über Jahre gewähren ließen. Die Frage, inwieweit Jordans Nebenabsprachen im DSB bekannt waren, war ein wesentlicher Teil der Wahrheitsfindung vor dem Dresdner Amtsgericht.

In Teilen der Schachszene kursiert das Narrativ vom “offenen Geheimnis”: Geahnt, natürlich, aber jahrelang habe niemand wissen wollen, was Jordan tut. Der DSB dagegen musste vor Gericht die Darstellung vertreten, dass niemand etwas wusste. Die Ergebnisse einer Befragung von 19 Funktionären sollten diese Sichtweise untermauern.

Der Unterschied zwischen “wissen” und “wissen wollen”: Wenn alle wegschauen und niemand nachfragt oder prüft, was der blendende Doktor treibt, dann mögen solche Versäumnisse das organisierte Schach hunderttausende Euro kosten. Der erste Fall dieser Art läuft nach 22 Jahren immer noch. Er wird demnächst vor dem Dresdner Landgericht neu aufgerollt. Der zweite wird noch zu untersuchen sein.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, was Jörg Schulz, ehemaliger Geschäftsführer der Schachjugend, als Zeuge über den ehemaligen DSB-Geschäftsführer Horst Metzing berichtete. Schulz hatte 2003 Verdacht geschöpft, dass Jordan neben der DSAM ein privates Geschäft betreibt, und Metzing davon erzählt. Der DSB-Geschäftsführer habe sich “kaum überrascht” gezeigt – und wenig interessiert, der Sache nachzugehen, erklärte Schulz.

Auf Anfrage dieser Seite bestätigt der DSB, dass Metzing unter den 19 intern Befragten war. Die Frage, was genau er 2017/18 zu seinem Wissensstand angegeben hat, beantwortet der DSB nicht, prägt stattdessen die Einschränkung “konkrete Kenntnisse”: “Wie Klaus Deventer vor Gericht ausgeführt hat, haben alle 19 Personen angegeben, keine konkreten Kenntnisse über irgendeine Form von Nebenabreden bei der DSAM zu haben”, teilt der DSB mit.

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Carl Samson
Carl Samson
11 Monate zuvor

Die Staatsanwaltschaft ist nur aus taktischen Gründen ist Rechtsmittel gegangen. Hätten die Angeklagten keine Berufung eingelegt, hätte die Staatsanwaltschaft es auch nicht gemacht. Aber wenn die Staatsanwaltschaft nicht mit in Berufung geht, könnte es für die Angeklagten nicht mehr schlimmer kommen (Verböserungsverbot) Und man möchte denen nicht das Gefühl geben, dass sie mit einer Berufung nur gewinnen können.

Walter Rädler
Walter Rädler
11 Monate zuvor

Vor Gericht sagte Jörg Schulz, dass er die Fragen vom DSB erhielt und beantwortete, dass er Wissen hatte. Wenn vor Gericht vom DSB gesagt wurde, dass von 19 Leuten keiner was wusste, dann bin ich ehrlich gesagt etwas verwirrt.

Klaus Zachmann
Klaus Zachmann
11 Monate zuvor

Mit einem rechtskräftigen Urteil ist wohl erst im Herbst zu rechnen.
Dann ist das neue Präsidium im Amt und hat sich in den aktuellen Schlamassel eingearbeitet.
Mal sehen wer dann noch alles verklagt wird. 🙂

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
11 Monate zuvor

Schulz hatte 2003 Verdacht geschöpft, dass Jordan neben der DSAM ein privates Geschäft betreibt, und Metzing davon erzählt. Der DSB-Geschäftsführer habe sich “kaum überrascht” gezeigt – und wenig interessiert, der Sache nachzugehen, erklärte Schulz.”
Ich muss da schmunzeln, kenne beide (noch), Schulz und Herrn Horst Metzing, auch Alfred Seppelt – und niemand, aber wirklich niemand hat Herrn Seppelt jemals einen Schein zugesteckt.

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