Fall Jordan geht in die dritte Runde

Die beiden Zeugen, auf denen die Hoffnung der Verteidigung ruht, erschienen nicht: Der ehemalige DSB-Vizepräsident Walter Rädler weilt im Urlaub, der ehemalige DSJ-Geschäftsführer Jörg Schulz ist erkrankt. Und so endete am heutigen Donnerstag die Verhandlung vor dem Dresdner Amtsgericht gegen den Schachorganisator Dirk Jordan und dessen Ehefrau Martina wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche abermals ohne Urteil. Am 27. April um 13 Uhr geht es weiter.

Bemerkenswerte Einblicke in den Fall bekamen die zahlreichen Besucher der Verhandlung trotz des Fehlens von Rädler und Schulz. Der als Zeuge geladene ehemalige DSB-Vizepräsident Klaus Deventer erläuterte, wie die DSB-Führung seinerzeit Verdacht schöpfte. Zur Frage, ob das System Jordan in der DSB-Spitze bekannt gewesen sei, sagte Deventer laut Prozessbeobachtern, es seien 19 Funktionäre, die mit der Deutschen Amateurmeisterschaft beschäftigt waren, befragt worden, ob sie etwas von möglichen Nebengeschäften Jordans wussten. Alle hätten angegeben, nichts zu wissen.

Wiedersehen vor Gericht: Klaus Deventer (l.) und Dirk Jordan. | Foto: Schachfestival Dresden

Namentlich nannte Deventer den ehemaligen DSB-Präsidenten Herbert Bastian, Vorgänger von Ullrich Krause. Laut Deventer hat Bastian Dirk Jordan schon vor einigen Jahren direkt gefragt, ob es rund um die DSAM Geldflüsse gibt. Der habe verneint.

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Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung hat Deventer am Rande des Prozesses angekündigt, dass der Deutsche Schachbund den Zivilprozess gegen Jordan und dessen Vereine “64 Felder” und “Ran ans Brett” auf jeden Fall weiterführen wird – unabhängig vom Ausgang des Strafprozesses. Der Zivilprozess ruht seit dreieinhalb Jahren. Nachdem das Drängen des Richters auf einen Vergleich nicht gefruchtet hatte, will das Gericht vor einer Fortsetzung den Ausgang des Strafverfahrens abwarten.

Der als Zeuge geladene Kriminaloberkommissar Marco Günther hat als Ermittler Jordans Vereine unter die Lupe genommen. Er berichtete vom Exfreund von Jordans Tochter, der als Vereinsmitglied am ersten Verhandlungstag als Zeuge ausgesagt hatte. Der seit 2014 von Jordans Tochter getrennte Mann habe erstaunt reagiert, als er eine polizeiliche Vorladung bekam. Dass er noch als Vereinsmitglied geführt wurde, zwischenzeitlich sogar ohne sein Wissen als Schatzmeister eingetragen worden war, habe er nicht gewusst. “Das ist ihm erst durch meine Vorladung klargeworden”, sagte Günther.

Auf den Konten von “64 Felder” hat der Oberkommissar im Wesentlichen zwei Arten von Geldflüssen identifiziert: Geld von Hotels, das als Spende oder Provision deklariert aufs Konto floss – “in Summe sechsstellig” laut Günther. Außerdem Geld, das als Übungsleiterpauschale, Ehrenamtspauschale oder Gehaltszahlung an Familie Jordan ging. Sonstige Geldein- und -ausgänge, wie sie lebendige Vereine haben, hat Günther “nicht feststellen können”.

Krach im Seniorenschach

Abseits des Dresdner Gerichts hat der Fall Jordan jetzt im Zusammenhang mit der ebenfalls lange von Jordan organisierten Deutschen Seniorenmeisterschaft für neuerlichen Aufruhr gesorgt. Nachdem der Gipfel 2023 inklusive Seniorenmeisterschaft ausgefallen war, brauchte das Turnier einen neuen Ort und Organisator. Ende März teilte DSB-Seniorenreferent Wolfgang Block in seinem E-Mail-Verteiler mit, das Turnier werde vom 16. bis 26. Juli in Dresden stattfinden. Aber wenig später war die Turnierwebsite inklusive Ausschreibung und Anmeldung nicht mehr zu erreichen, eine Intervention des DSB.

Block hatte das Turnier in die Obhut des Vereins Dresdner Schachfestival gegeben, in dem Martina Jordan als Schatzmeisterin fungiert. Und das ließ beim Deutschen Schachbund sogleich eine Alarmglocke schrillen. Auf Anfrage dieser Seite teilte der DSB mit, er werde nicht mit einem Verein zusammenarbeiten, dessen Schatzmeisterin wegen Geldwäsche in Zusammenhang mit der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft angeklagt ist.

DSB-Vizepräsident Ralph Alt legte ein Veto gegen die Vergabe nach Dresden ein.

Mit dem Seniorenreferenten sei vereinbart gewesen, “dass sich die Senioren selbst um einen neuen Austragungsort und Ausrichter bemühen können und ihre Vorschläge dann dem zuständigen Vizepräsidenten Ralph Alt und der Geschäftsführerin Anja Gering unterbreiten”. Beide, Alt und Gering, habe die Ausschreibung überrascht. Die Vergabe an den Verein Dresdner Schachfestival sei ihnen verschwiegen und erst mit Veröffentlichung der Ausschreibung bekannt geworden. Ralph Alt habe ein Veto eingelegt.

Jetzt arbeite der DSB daran, das Turnier zwar nach Dresden zu vergeben – aber eben ohne den Schachfestival-Verein als Organisator. Eine Anfrage dieser Seite bei Wolfgang Block vom 29. März nach dem Grund für die Vergabe nach Dresden und der Perspektive des Turniers ist noch unbeantwortet.

Der Vorgang illustriert, wie ambivalent der langjährige Seniorenmeisterschaft-Organisator Dirk Jordan im organisierten Schach wahrgenommen wird. Speziell im Kreise der Senioren gilt Jordan vielen weiterhin als untadeliger Macher mit riesigen Verdiensten. Als seinerzeit der DSB den Rechtsweg beschritt, führte das zu einer Auseinandersetzung mit dem Seniorenreferat, die bis heute nachwirkt. Während die DSB-Spitze niemanden zu finden vermochte, der vom Jordan-System wusste, gab der damalige Seniorenreferent Gerhard Meiwald zu Protokoll, Jordans Nebengeschäft sei “ein offenes Geheimnis” gewesen.

Kurz vor der Vergabe nach Dresden hat jetzt der im Seniorenschach bestens vernetzte Henning Geibel in seinem Rundbrief geschrieben: “Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Dirk Jordan kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann und auch das Zivilverfahren jeder Grundlage entbehrt. Dirk hat nur das getan, was jeder andere in seiner Situation auch getan hätte: Er hat viel Zeit und Energie in die Organisation und Durchführung der Ramada-Turniere gesteckt und dafür ein Entgelt in Form von Hotel-Provisionen erhalten – ein Geschäfts-Modell, das seit Jahren auch von Reiseveranstaltern genutzt wird.”

Tatsächlich ist das Jordan-Modell weder Raketenwissenschaft noch ungewöhnlich – unter Veranstaltern. Trotzdem ist Geibels These “Nur getan, was jeder andere auch getan hätte” gewagt. Würde sich wirklich jeder beauftragte Schachorganisator klammheimlich Stücke vom Kuchen seiner Auftraggeber abschneiden, anstatt transparent und in Absprache vorzugehen, der nächste “Fall Jordan” ließe nicht lange auf sich warten.

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Daniel Hendrich
Daniel Hendrich
1 Jahr zuvor

“Auf den Konten von “64 Felder” hat der Oberkommissar im Wesentlichen zwei Arten von Geldflüssen festgestellt: Geld von Hotels, das als Spende oder Provision deklariert aufs Konto floss – “in Summe sechsstellig” laut Günther. Außerdem Geld, das als Übungsleiterpauschale, Ehrenamtspauschale oder Gehaltszahlung an Familie Jordan ging. Sonstige Geldein- und -ausgänge, wie sie lebendige Vereine haben, hat Günther “nicht feststellen können”

Mehr braucht man eigentlich nicht zu wissen…

Last edited 1 Jahr zuvor by Daniel Hendrich
Chat GPT 2.0
Chat GPT 2.0
1 Jahr zuvor

Liebe Schachfreunde, habt ihr euch eigentlich mal Gedanken gemacht, dass es wahrscheinlich nur die Spitze des Jordan-Eisbergs war ? Schade ist, dass der Ermittler vermutlich kein Schachspieler ist, man müsste ihm mal etwas auf die Sprünge helfen. Schaut euch doch mal im Handelsregister um: Bei den Jordan-Firmen ist eine fast 90-jährige als Kommanditistin/Geschäftsführerin/Vorstandsmitglied eingesetzt. Siehe hier: https://www.northdata.de/64+Felder+e.+V.,+Dresden/VR+5611 und: Vorstand: Spiering, Wally, Dresden, *14.11.1934 (Quelle: Handelsregister). Bei der Euro Schach International GmbH & Co. KG (HRA 4047, AG Dresden) ist diese Dame Kommanditistin (Quelle: Handelsregister). Es handelt sich vermutlich um die Mutter von Martina Jordan. Quelle:https://www.stayfriends.de/personensuche/Martina_Jordan Ergebnis: Martina Jordan (Spiering) Sicherlich… Weiterlesen »

Kommentator
Kommentator
11 Monate zuvor

“Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Dirk Jordan kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann und auch das Zivilverfahren jeder Grundlage entbehrt. Dirk hat nur das getan, was jeder andere in seiner Situation auch getan hätte: Er hat viel Zeit und Energie in die Organisation und Durchführung der Ramada-Turniere gesteckt und dafür ein Entgelt in Form von Hotel-Provisionen erhalten – ein Geschäfts-Modell, das seit Jahren auch von Reiseveranstaltern genutzt wird.” So sprach der einstige Bundesbankdirektor Henning Geibel. Hält er an dieser Einschätzung auch nach Bekanntwerden des Urteils 1. Instanz fest? Muss man befürchten, dass bei der Bundesbank kriminelle… Weiterlesen »

Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
1 Jahr zuvor

“Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung hat Deventer am Rande des Prozesses angekündigt, dass der Deutsche Schachbund den Zivilprozess gegen Jordan und dessen Vereine “64 Felder” und “Ran ans Brett” auf jeden Fall weiterführen wird – unabhängig vom Ausgang des Strafprozesses”.

Wird das Herr Deventer entscheiden oder das neue Präsidium ?
Die Ziellinie ist so gut wie erreicht.

Walter Rädler
Walter Rädler
11 Monate zuvor

Beide Zeugen waren da, 1 Jahr und 6 Monate auf Bewährung lautete das Urteil. Hier kommt sicherlich bald mehr.

trackback

[…] Fall Jordan geht in die dritte RundeBericht zum zweiten Verhandlungstag. […]

trackback

[…] wer an Bord ist. Gerade erst ist die geplante Deutsche Seniorenmeisterschaft 2023 in Dresden am Veto des DSB geplatzt, weil über den Verein Dresdner Schachfestival Dirk und Martina Jordan involviert gewesen wären, […]

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Es geht hier : ‘Tatsächlich ist das Jordan-Modell weder Raketenwissenschaft noch ungewöhnlich – unter Veranstaltern. Trotzdem ist Geibels These “Nur getan, was jeder andere auch getan hätte” gewagt.’ … um sogenannte Vermittler, die es in der gemeinen Wirtschaft gibt, so dass sog. Provisionen oder Gutschriften zum Tragen kommen, zur Auszahlung gelangen, der Kunde, der sog. Endkunde muss darüber nicht wissen. In diesem Fall ist das hier anscheinend vorliegende Vorgehen sozusagen dem deutschen Schachbund angeblich gänzlich unbekannt. Möge Gerechtigkeit entstehen, vor Gericht; die juristische Handhabung von Dr. Dirk Jordan ist mir nicht sympatisch. Bedenken i.p. Verlust der Gemeinnützigkeit des DSB scheinen… Weiterlesen »

Norbert Heymann
Norbert Heymann
1 Jahr zuvor

Jahrelang hat sich die DSB-Spitze in den Erfolgen von Martina und Dirk Jordan und ihrem Engagement gesonnt! Olympiade, DSAM und und und. Ich bin sehr gespannt, wie es denn im DSB und seinen Finanzen so weitergeht…