Fiona Sieber sieht den Weg zum WM-Match klar vor sich. Erst muss sie bei der World-Cup-Qualifikation ab dem 24. Mai vier Gegner aus dem Weg räumen, um sich für den World Cup im Juli in Russland zu qualifizieren. Dort muss sie ins Finale kommen, das wäre das Ticket fürs Kandidatenturnier 2022. Wenn sie das gewinnt, spielt sie noch 2022 oder 2023 gegen Magnus Carlsen bzw. Ian Nepomniachtchi ein Match um den WM-Titel, womöglich in München.
Aber eines nach dem anderen. Erst einmal ist Fiona Sieber froh, als 14. deutscher Teilnehmer noch in die World-Cup-Qualifikation gerutscht zu sein. Eigentlich war diese Tür schon zu, die fünf deutschen Freiplätze an andere Kaderspieler vergeben, aber dann hatte der europäische Verband doch noch ein paar Plätze für die nationalen Verbände frei. Diese Plätze bekamen diejenigen, die sich zuerst meldeten. “Da Fiona in Magdeburg wohnt, musste sie nicht lange überlegen”, sagt DSB-Sprecher Arne Jachmann.
Nun bekommt Sieber gleich in der ersten Runde einen dicken Brocken vorgesetzt, den armenischen Großmeister Manuel Petrosian, Elo 2625. Gespielt werden Matches über zwei Turnierpartien. Sollte es danach 1:1 stehen, folgt ein Schnellschach-Stechen über zwei Partien, Bedenkzeit 10+3. Endet auch das unentschieden, entscheidet eine Armageddon-Partie, wer weiterkommt.
Ohne E-Brett kein Hybrid-Komfort
Magdeburg steht als deutscher Austragungsort der World-Cup-Qualifikation fest. Bis vor wenigen Tagen war das unsicher gewesen, weil auch die Deutsche Schachjugend spekulierte, die Deutsche Vereinsmeisterschaft U10 und U12 in Magdeburg auszurichten. Aber ein Antrag der DSJ, die DVM als Modellprojekt trotz sachsen-anhaltinischer Eindämmungsverordnung auszurichten, wurde abgelehnt. Und damit war im Maritim-Hotel Platz frei für die World-Cup-Qualifikation.
Die wird bekanntlich hybrid gespielt wie unlängst der Mitropacup, der viele Spieler mit gemischten Gefühlen zurückließ. Allemal sei das Spielen an Brett und Laptop besser als Online-Schach, meint eine Mehrheit, aber zum komfortablen Schachgefühl fehlt weiterhin das elektronische Brett, das die darauf ausgeführten Züge erkennt und an den Server überträgt, sodass der Spieler seinen Zug nicht zwei Mal ausführen muss.
Wahrscheinlich hat dieser Umstand dazu beigetragen, dass beim Mitropacup eine Mehrheit der Spieler nicht auch noch unter Tornelo die Zugbestätigung aktiviert hatte (oder die Zugeingabe per Klick aufs Ausgangs- und Zielfeld). Nur begünstigte das wiederum Mouseslips, die es tatsächlich gab, unter anderem diesen:
Je weniger der Spieler zwischen Brett und Bildschirm hin- und hergucken muss, desto komfortabler die Erfahrung. Im Idealfall würde der Spieler beim Hybrid-Schach die komplette Partie am Brett spielen, ohne sein Laptop benutzen zu müssen.
Eine Hilfestellung wäre eine Anzeige der Bedenkzeit auf dem Brett oder an dessen Rand. Eine noch wichtigere Erleichterung wäre, würden die Spieler den gegnerischen Zug auf dem Brett sehen, sobald er ausgeführt wird.
Beim Mitropacup signalisierte ein akustisches Signal, dass ein Zug eingegangen ist. Der musste dann auf dem Bildschirm nachgeschaut und auf dem Brett ausgeführt werden. Viel angenehmer wäre es so:
Allerdings ist das abgebildete Brett noch nicht im Handel erhältlich. Aber die Anbindung von DGT-Brettern wie die des vor der Markteinführung stehenden Millennium-Konkurrenzprodukts zu Tornelo ist jetzt vollzogen. Was fehlt, ist ein praktischer Härtetest. Die World-Cup-Qualifikation wird ein solcher nicht sein, es wird wie beim Mitropacup auf traditionellen Brettern aus Holz gespielt.
Techniktreffen und Schirischulung
Schiedsrichter und Hybrid-Pionier Bernhard Riess aus Berlin hat DGT- wie Millennium-E-Bretter unter Tornelo getestet. Die Tests mit den DGT-Produkten seien vielversprechend gewesen. “Jetzt fehlt noch ein Feldversuch bei einem ‘richtigen’ Wettkampf, beispielsweise bei einem weiteren Städte-Match”, erklärt Riess auf Anfrage dieser Seite. Die Tests mit den Millennium-Brettern stünden am Anfang, es gebe noch ein paar Fehler. “Aber das ist eben so bei einem Betatest”, sagt Riess.
Schon eine Woche vor dem Beginn der ersten Runde am Montag, 24. Mai, um 14 Uhr, beginnen die technischen Vorbereitungen. Am gestrigen Montag haben sich Vertreter der Verbände zu einem technischen Treffen zusammengeschaltet. Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche sind Schiedsrichterschulungen angesetzt. Am Freitag wird der Ernstfall simuliert, ein Test-Turnier steht an. Am kommenden Montag schließlich beginnt die World-Cup-Qualifikation um 13.30 Uhr mit einer kleinen Eröffnungsfeier, bevor um 14 Uhr die Partien starten.
Seitens des deutschen Verbands muss noch ein technisches Problem gelöst werden, das die Mitropacup-Live-Shows gestört hat: die fortwährenden Verbindungsabbrüche, die Kommentator Klaus Bischoff auf Schachdeutschland TV plagten.
Mittlerweile heißt es, dass es eher nicht, wie anfangs vermutet, an fehlender Bandbreite im Maritim-Hotel gelegen hat. Aber es ist noch nicht klar, woran es stattdessen lag. Unter Verdacht geraten war Klaus Bischoffs Laptop, dessen unerlässlich summende Kühlung den Soundtrack zur Mitropa-Cup-Übertragung beisteuerte. Das Gerät hatte allerdings zwei Wochen zuvor bei der Kaderchallenge zwar vernehmbar summend, aber ohne jeglichen Verbindungsabbruch seinen Dienst verrichtet. Und so rankt sich weiterhin ein Rätsel um das Ruckel-TV aus Magdeburg.
Laut DSB kann es gut sein, dass Klaus Bischoff auch die World-Cup-Qualifikation kommentiert, aber dann eher von zu Hause aus. Und damit die 14 Spieler auf dem Weg zum millionenschweren Schachspektakel in Russland technisch auf der ganz sicheren Seite sind, werden im Magdeburger Spielsaal diesmal LAN-Kabel verlegt.
Von den 14 deutschen Teilnehmern wird einer nicht in Magdeburg präsent sein: Großmeister Vitaly Kunin bestreitet sein Auftaktmatch gegen den italienischen IM Lorenzo Lodici (und im Erfolgsfall alle weiteren Matches) von Moskau aus. Trotz Kunins Fehlen werden 14 Spielern an den Brettern sitzen. Um nicht für seinen einzigen Teilnehmer einen Hybrid-Spielort organisieren zu müssen, hat der Schweizer Verband beim deutschen angefragt, ob für Großmeister Noël Studer in Magdeburg ein Platz frei ist. Studer (Elo 2584) wird zum Auftakt Favorit sein: Es geht gegen den bulgarischen FM Lachezar Yordanov (2325).
Zwei deutsche Spieler sind schon in der zweiten Runde: Matthias Blübaum und Alexander Donchenko bekamen ein Freilos. Die anderen sechs Großmeister werden ihre Matches als nominelle Favoriten bestreiten, während die sechs Nachwuchs-Kader-Kräfte Außenseiter sein werden. U16-Weltmeister Frederik Svane etwa trifft auf den ukrainischen GM Alexander Moiseenko (2620).
Die Auftaktmatches der Deutschen (via chess-results.com):
Rd. | Br. | Nr. | Name | FED | Elo | Pkt. | Ergebnis | Pkt. | Name | FED | Elo | Nr. | ||||
1 | 16 | 40 | GM | Petrosyan Manuel | ARM | 2625 | 0 | 0 | WIM | Sieber Fiona | GER | 2259 | 257 | |||
1 | 18 | 42 | GM | Moiseenko Alexander | UKR | 2620 | 0 | 0 | FM | Svane Frederik | GER | 2438 | 201 | |||
1 | 23 | 47 | GM | Svane Rasmus | GER | 2615 | 0 | 0 | IM | Buksa Nataliya | UKR | 2414 | 215 | |||
1 | 28 | 52 | GM | Braun Arik | GER | 2609 | 0 | 0 | GM | Djukic Nikola | MNE | 2510 | 151 | |||
1 | 33 | 57 | GM | Kollars Dmitrij | GER | 2607 | 0 | 0 | GM | Petrov Marian | BUL | 2464 | 183 | |||
1 | 52 | 76 | GM | Keymer Vincent | GER | 2591 | 0 | 0 | GM | Rasik Vitezslav | CZE | 2451 | 191 | |||
1 | 58 | 82 | GM | Bindrich Falko | GER | 2584 | 0 | 0 | IM | Haria Ravi | ENG | 2440 | 198 | |||
1 | 73 | 97 | GM | Kunin Vitaly | GER | 2567 | 0 | 0 | IM | Lodici Lorenzo | ITA | 2483 | 168 | |||
1 | 89 | 113 | GM | Polak Tomas | CZE | 2553 | 0 | 0 | FM | Bethke Richard | GER | 2332 | 250 | |||
1 | 103 | 127 | GM | Savchenko Boris | RUS | 2538 | 0 | 0 | FM | Krastev Alexander | GER | 2340 | 247 | |||
1 | 112 | 136 | IM | Petrov Martin | BUL | 2524 | 0 | 0 | IM | Buckels Valentin | GER | 2448 | 193 | |||
1 | 118 | 142 | GM | Pechac Jergus | SVK | 2519 | 0 | 0 | IM | Parvanyan Ashot | GER | 2436 | 203 | |||
1 | 134 | 14 | GM | Bluebaum Matthias | GER | 2669 | 0 | 1 | nicht ausgelost | |||||||
1 | 137 | 17 | GM | Donchenko Alexander | GER | 2660 | 0 | 1 | nicht ausgelost |
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