Früher reichte es, die einschlägigen Schachmagazine zu verfolgen, um über die neuesten Coups des Schachweltmeisters auf dem Laufenden zu sein. Heute geht es nicht ohne einen gelegentlichen Blick in die Wirtschaftsnachrichten.
Erst schloss sich Magnus Carlsens Unternehmen Play Magnus mit chess24 zusammmen, dann kam die Trainingsplattform Chessable dazu. Bald gebar die Play-Magnus-Gruppe mit CoChess ein weiteres Kind unter ihrem Dach.
Und jetzt das:
Etwa 40 Millionen Dollar soll der Börsengang in die Kasse spülen.
Zwei Wochen nach dem Interview über die Turbulenzen rund um die Grenke-Gruppe war es schon wieder an der Zeit, unseren Börsen- und Finanzexperten Thorsten Cmiel zu konsultieren. Cmiel erklärt uns im Interview, was die Idee hinter einem Börsengang ist, welche Pläne die Play-Magnus-Gruppe verfolgen mag, und er spürt der Frage nach, welche Geschäftsmodelle sich aus unserem alten Spiel entwickeln lassen.
Thorsten, die Play-Magnus-Gruppe will an die Börse gehen. Warum?
Um Wachstum zu finanzieren. Durch einen Börsengang kommt Geld rein. Mit dem Geld kannst du arbeiten, indem du Entwicklungen vorantreibst, dein Geschäftsmodell ausbaust, gegebenenfalls Akquisitionen finanzierst. Für die Zukunft bringt der Börsengang außerdem den Vorteil mit sich, dass das Unternehmen nun eine eigene Währung hat, Aktien nämlich. Was immer die Pläne der Play-Magnus-Gruppe sind, sie könnte durch einen Börsengang sicherstellen, dass sie weiter wachsen kann.
Was für einen Einfluss hat ein Börsengang auf die Besitzverhältnisse?
Grundsätzlich hat ein Börsengang für ein Unternehmen zunächst einen einmaligen Finanzierungseffekt. Die Alt-Eigentümer reduzieren ihren Anteil zugunsten neuer Aktionäre und damit ihren Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens. Dafür bekommen sie eine Entschädigung in Form von Geld.
Schon in den Tagen, bevor die Play-Magnus-Aktie gehandelt wird, sollen Anteile an der Play-Magnus-Gruppe verkauft werden. Ist das üblich?
Das ist nicht ungewöhnlich. Vorabbeteiligungen von Finanzinvestoren stellen sicher, dass ein Börsengang funktioniert. Meistens sind es Banken oder Investorengruppen, mit denen vorab ausgehandelt wird, dass sie einen bestimmten Anteil der Aktien übernehmen und längerfristig als strategische Partner halten.
Die Aktie soll am „Merkur Markt“ der Börse in Oslo gehandelt werden. Was ist das?
Das ist sozusagen die Anfängerbörse für junge Unternehmen, in der nicht ganz so hohe Anforderungen an die Publizität gestellt werden. Damit sind die Berichtspflichten gemeint, wobei auch junge Unternehmen testierte Bilanzen und Quartalsberichte vorlegen müssen. Wenn die Gruppe wächst und falls sich zudem der Aktienkurs gut entwickelt, kann die Gruppe in einigen Jahren in einen höheren Index aufsteigen. Dann interessieren sich plötzlich Profis und Fondsmanager für das Unternehmen.
Gibt es so etwas wie den Merkur-Markt auch an anderen Börsen, in Deutschland etwa?
In Deutschland steht ganz oben der DAX, der Deutsche Aktienindex, das ist sozusagen die Bundesliga. Darunter gibt es andere Segmente, den MDAX zum Beispiel, den wir von der Grenke AG kennen. Der repräsentiert die zweite Liga, um im Bild zu bleiben. Junge Unternehmen notieren oft zunächst im Freiverkehr. Früher gab es mal das Wachstumssegment „Neuer Markt“ …
… das war nicht so erfolgreich.
Genau. Den „Neuen Markt“ gibt es in der Form in Deutschland nicht mehr. Nachfolger ist der TecDAX. Damals hatte man die Idee, speziell für junge Unternehmen, Start-ups, den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Mit der Folge, dass Posterversender mit kaum Umsatz plötzlich an der Börse Milliardenillusionen schufen. Damals verbrannten die Unternehmen teilweise täglich Geld ohne Sinn und Verstand. Und irgendwann gab es ein böses Erwachen, da die meisten Kurse von Hoffnungen getrieben wurden. Jeder kaufte, was er bekommen konnte, und Aktien waren das Gesprächsthema auf den meisten Partys. Dann kam der Crash, und viele Geschäftsmodelle erwiesen sich als nicht nachhaltig. Theoretisch könnte mit „Play Magnus“ an der Börse zunächst ebenfalls ein überzogenes Kursfeuerwerk entstehen. Die Norweger sind ja einigermaßen verrückt nach Magnus, wer weiß. Dann gilt es, vorsichtig beim Einstieg zu sein.
Rein nach Umsatz ist die weltweit operierende Magnus-Gruppe gar nicht so bemerkenswert. Der Jahresumsatz betrug zuletzt nach eigenen Angaben 7 Millionen Dollar, das entspricht dem eines eher kleinen Mittelständlers.
Ich finde das schon ordentlich, vor allem nach so kurzer Zeit. Jetzt hofft die Gruppe auf starkes Umsatzwachstum. Entscheidend wird langfristig sein, wie profitabel sie ist, also ob es gelingt, stetige Gewinne zu erzielen und in noch weiterer Ferne mal Dividenden für Aktionäre zu erwirtschaften.
Die Play-Magnus-Gruppe hat vor dem Börsengang mitgeteilt, wie viel sie nach eigener Einschätzung wert ist: gut 70 Millionen Euro. Aber hängt ihr Wert nicht von der Höhe des Aktienkurses ab?
Der Kurswert wird per Angebot und Nachfrage am Markt ermittelt. Davon zu unterscheiden ist eine Unternehmensbewertung nach objektiven Kriterien. Die Play-Magnus-Gruppe hat tatsächlich bereits Vorstellungen für eine solche Bewertung für das Unternehmen herausgegeben. Angenommen wird ein Gesamtwert von 796 Millionen Norwegischen Kronen. Das entspricht knapp 72 Millionen Euro für das Gesamtunternehmen nach dem Kapitalzufluss durch neue Mittel, der mit 400 Millionen Kronen angesetzt ist. Die Bewertung des Unternehmens entspricht also ungefähr dem Zehnfachen der Umsätze.
Ist diese Bewertung realistisch?
Um als Außenstehender den Wert und das Potenzial eines Unternehmens einzuordnen, müsste man nach vergleichbaren Unternehmen schauen, die etwas Ähnliches tun, und deren Zahlen bereits vorliegen, weil sie an der Börse notiert sind. Als beispielsweise in Deutschland Borussia Dortmund an die Börse ging, mussten die Anleger auf börsennotierte Clubs in England schauen, um das Unternehmen Borussia Dortmund und seinen Wert einordnen zu können. Daneben gab es natürlich die Fans, denen waren solche Fragen vermutlich egal. Bei der Play-Magnus-Gruppe geht so ein Peer-Vergleich nicht, es gibt ja keine andere börsennotierte Schachfirma. Vielleicht zieht man vergleichbare Unternehmen aus der Gaming-Branche oder App-Entwickler heran.
Spieleentwickler haben den Vorteil, dass die Spieler das Spiel kaufen müssen, bevor sie spielen können. Schach ist gewiss eine wachsende Nische, aber das Spiel ist schon da, online sowieso. Wie soll daraus ein großes Geschäft werden, etwas, das Umsätze generiert wie das Gaming-Business?
Tatsächlich müssen die Play-Magnus Strategen kreativ sein und neue Ideen entwickeln, wie beispielsweise die hohen Downloadzahlen der Play-Magnus-Apps dauerhafte Einkünfte bringen sollen. Eine Beteiligung an dem Unternehmen wäre zurzeit sicherlich als spekulativ einzuordnen. Andererseits ist die Play-Magnus-Gruppe keine Luftnummer, wie wir sie vor zwanzig Jahren am „Neuen Markt“ gesehen haben. Das Unternehmen ist bereits etabliert, der wachsende Schachmarkt ebenfalls, speziell in Norwegen, wo zur Prime Time stundenlang Schach im TV läuft. Jetzt müssen wir sehen, was daraus geschäftlich wird. Ich finde das äußerst spannend zu beobachten.
Chess24 sucht schon einen neuen Kreativ-Direktor, um das Schach-Broadcasting auf ein neues Level zu heben.
Bei Play Magnus werden offenbar Schach-Übertragungen als wichtiger Baustein gesehen. Ich kann das nicht beurteilen, sehe aber das Potenzial. Bezahlinhalte oder Werbung bei Schachinhalten könnten langfristig eine Rolle spielen. Aber wir wissen alle, dass viele gute Inhalte noch kostenfrei zu sehen sind. Es muss also nachgelegt werden, zudem sind in verschiedenen Ländern angepasste Strategien notwendig.
Play Magnus plant auch, weitere Schachunternehmen zu kaufen.
Das ist vielleicht der spannendste Aspekt. Die Norweger werden sich genau umschauen, welche Unternehmen sich auf dem Schachmarkt tummeln, und welche von diesen in ihr Portfolio und zu ihrer Strategie passen würden. Play Magnus könnte zum Beispiel beschließen, die „Perlen vom Bodensee“ zu kaufen. (lacht)
Magnus soll bestimmen, was hier steht? Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre.
Du müsstest dir halt Gedanken machen, wie viel Geld dir deine Unabhängigkeit wert ist. Oder, wichtiger Punkt, wie viele Aktien. Vielleicht bieten sie dir Aktien an, und dann liegt es an dir zu überlegen, welche Entwicklung dieser Aktie bevorsteht und wann du eventuell aussteigen willst über die Börse. Allerdings wären die „Perlen“ aus norwegischer Sicht viel eher ein Übernahmekandidat, wenn eine GmbH dahinterstünde.
Ja? Gegenbeispiel: Peter Doggers betrieb einst Chessvibes, ein Einzelkämpfer mit seinem Schachmagazin, nur an der Nordsee statt am Bodensee. Dann kam chess.com, hat Doggers für die eigene Seite eingekauft, das war das Ende von Chessvibes.
Es sind diverse Konstellationen und Partnerschaftsmodelle denkbar, nach denen so eine Übernahme ablaufen könnte. Vielleicht findet die Geschäftsleitung von Play Magnus die Perlen viel zu kritisch, also kauft man dich raus, damit endlich Ruhe ist.
Bei künftigen Umsatzquellen im Schach musste ich an Patrick Wolff im Perpetual Chess Podcast denken: Während einer Übertragung erhält der Zuschauer Bewertungen von Engines einschließlich einer Prognose, welchen Zug der Spieler machen und wie das Spiel ausgehen wird. Auf dieser Grundlage können Zuschauer dann wetten. (so meine Erinnerungen). Und klingelt da nicht etwas beim Thema Wetten?
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