Die FIDE im Fokus

Sieben Deutsche in FIDE-Kommissionen berufen”, meldet der Deutsche Schachbund, eine erstaunliche Zahl – und noch untertrieben. Wenn nicht Arkadij Naiditsch klammheimlich die Nationalität gewechselt hat, sind in den Kommissionen des Weltschachverbands sogar acht Deutsche vertreten. Bislang waren es vier.

Ralph Alt. | Foto: Wikipedia

Wenn wir noch genauer hingucken, sind seit Anfang Juli sogar neun Deutsche in FIDE-Kommissionen vertreten. Der neunte im Bunde ist Ralph Alt, einstiger Bundesturnierdirektor, Richter, Staatsanwalt. Alt soll laut einer Mitteilung der FIDE vom 2. Juli Vorsitzender des Ermittlungskomitees werden, das der Ethik- und Disziplinarkommission der FIDE angeschlossen ist. FIDE-Präsident Arkadij Dvorkovich hatte den Deutschen vorgeschlagen, jetzt haben seine Gremien diesen Vorschlag abgesegnet.

Das Verhältnis des DSB zur neuen FIDE-Führung unter Arkadij Dvorkovich ist so gut, dass der Deutsche Schachbund gemäß der Mitteilung auf seiner Homepage von sich selbst beeindruckt ist. Die Führungsriege des deutschen Schachs freut sich obendrein über mehr Einfluss in den FIDE-Gremien, ein erklärtes Ziel aus dem Verbandsprogramm des Krause/Fenner-Präsidiums.

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Alle Augen auf den FIDE-Präsidenten: Marcus Fenner und Ullrich Krause mit Arkadij Dvorkovich beim Grand Prix in Hamburg. | Foto: FIDE

Weniger Einfluss war schwerlich möglich. Nach dem gescheiterten Versuch Robert von Weizsäckers vor zehn Jahren, sich selbst als ECU- und Anatoli Karpov als FIDE-Präsident zu installieren, war der Deutsche Schachbund international bedeutungslos. 2014 gelang es zwar von Weizsäckers Nachfolger Herbert Bastian, sich selbst ins FIDE-Präsidium zu lavieren, aber ob seines Vorgehens zerbrach ihm daheim das DSB-Präsidium, während Bastian bei FIDE-Sitzungen ausschließlich durch Anwesenheit auffiel.

2018 unter Ullrich Krause schien sich der DSB die Voraussetzungen, in der internationalen Irrelevanz zu verharren, selbst zu schaffen, indem er einmal mehr aufs falsche Pferd setzte. Seinerzeit trat der einstige stellvertretende Ministerpräsident Russlands Arkadij Dvorkovich an, die Post-Iljumschninov-FIDE zu übernehmen, einen aufgeblähten, korrupten Apparat von Pöstchenschiebern, angeführt vom einstigen Iljumschinov-Vize Georgios Makropoulos.

Der Weg zurück ins internationale Schach

Ohne jede Debatte, ohne es der Öffentlichkeit mitzuteilen, entschied DSB-Präsident Ullrich Krause 2018, dass der DSB bei der Wahl des FIDE-Präsidenten Makropoulos unterstützt. Der hatte den Deutschen laut einem Bericht der FAZ für den Fall seiner Wahl als Dankeschön zumindest zwei Posten bei der FIDE versprochen. Als Krauses Entscheidung öffentlich wurde, begründete er sie damit, die Nähe Dvorkovichs zum Kreml sei ihm nicht geheuer.

Nachdem Dvorkovich gewählt war, suchte Krause (beim Grenke Chess) die Nähe des neuen FIDE-Präsidenten, um auszuloten, ob trotz der Makropoulos-Unterstützung des DSB eine Zusammenarbeit mit dem Weltverband möglich ist. Der Russe gab sich pragmatisch, sagte, dass der mitgliederstarke deutsche Verband Teil seiner Pläne sei. Später suchte Krause den Austausch mit Dvorkovichs Vize, dem französischen Schachpräsidenten Bachar Kouatly. Von dem brachte er unter anderem die Erkenntnis mit, dass eine von tausenden Schachspielern besuchte Veranstaltung wie der Gipfel keine roten Zahlen schreiben muss. Der Verband müsse sie nur wie ein Produkt verkaufen.

Mit diesen beiden Begegnungen war der Weg für Marcus Fenner geebnet, der im Frühjahr 2018 auf der Brücke des Tankers DSB aufgetaucht war und sehr bald den Platz am Steuer übernahm. Der polarisierende neue Geschäftsführer ist wahrlich kein Mann des Mittelmaßes. Manches kann er exzellent, anderes gar nicht, das ist auf dieser Seite hinlänglich dokumentiert. In der Spalte mit den Dingen, die er kann, muss spätestens jetzt der Eintrag “Bei internationalen Funktionären Eindruck machen” hinzugefügt werden.

Netzwerken in den Niederlanden: DSB-Geschäftsführer Marcus Fenner (2.v.l.) mit FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky (l.) und Marleen van Amerongen (2.v.r.), Vorsitzende des Königlich-Niederländischen Schachverbands. | Foto: DSB

An Krauses Kontaktaufnahme anknüpfend, vertiefte Fenner den Kontakt zum Weltverband. In Amsterdam traf er sich mit FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky zum Gedankenaustausch, in Hamburg beim Grand Prix unter anderem mit Dvorkovich. Diese Entwicklung mündete nun in die Berufung von sieben Deutschen in FIDE-Kommissionen – plus Naiditsch, der seinen Sitz in der wichtigen, weite Teile des FIDE-Budgets steuernden Kommission für Planung und Entwicklung behält, aber offensichtlich nicht mit einem DSB-Ticket im Weltschach unterwegs ist, im Gegenteil.

Deutsche in den Kommissionen der FIDE:

  • Uwe Bönsch – Trainers’ Commission (Member)
  • Boris Bruhn – Chess in Education Commission (Member)
  • Klaus Deventer – Fair Play Commission (Member)
  • Marcus Fenner – Global Strategy Commission (Councillor)
  • Gregor Johann – Rules Commission (Member)
  • Thomas Luther – Commission for the Disabled (Chairman)
  • Arkadij Naiditsch – Planning and Development Commission (Member)
  • Jens Wolter – Arbiters’ Commission (Member)

Thomas Luther und Klaus Deventer sind keine neuen Namen in dieser Liste, beide hatten die genannten Posten längst inne. Auch sind die umbesetzten Kommissionen nicht ganz neu, das Personalkarussell dreht sich schon seit Wochen. Die eine oder andere Kommission hat längst in neuer Besetzung getagt, zum Beispiel die für “Chess in Education” mit dem DSB-Vizepräsident für Verbandsentwicklung Boris Bruhn.

Weil der beim DSB nichts entwickeln darf, aber mit Schulschach und Schach als Bildungsinstrument ein Steckenpferd pflegt, hat der DSB in den vergangenen Monaten erfolgreich daran gearbeitet, Bruhn in der zu seiner Passion passenden Kommission zu platzieren. Einen anderen Deutschen hat das seinen Sitz gekostet.

Mit der Ablösung Stefan Löfflers endet in der Bildungskomission die Tradition unbequemer Einwürfe des DSB-Vertreters. | Foto: Georgios Souleidis/Grenke Chess

Stefan Löffler ist im internationalen Schach bekannt als Direktor der London Chess Conference, national als Autor unter anderem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kommissionsdirektor Smbat Lputian, Vorkämpfer des Schulschachs in Armenien, hatte Löffler einst als international vernetzten, ideenreichen Schachfreund in sein Gremium berufen, formal als Vertreter des DSB. Vor einem Monat teilte FIDE-Direktor Victor Bologan Löffler mit, er sei raus.

Löffler schrieb seinen Mitstreitern zum Abschied, er werde durch einen qualifizierten Mann ersetzt – der für eine Organisation steht, die in Sachen Schulschach alles andere als glänzt: “Boris is Vice President of the German Federation that is currently separating at high financial and reputational cost from its Youth Association (school chess in Germany belongs to the domain of the Youth Association, not the federation itself). Boris brings in his experience as an assistant school teacher, teacher trainer and ECU course lecturer.”

Verbände und die Bildung

Seine Ablösung sieht Löffler als Symbol. Mehrfach hat sich der Wien und Lissabon lebende Deutsche in der Bildungskommission dafür ausgesprochen, das Thema “Schach in der Bildung” mit unabhängigen, innovativen Organisationen und Akteuren zu verknüpfen. Von den nationalen Verbänden solle es die FIDE fernhalten, weil die es mehrheitlich weder verstünden noch für wichtig erachteten. Die Tradition derlei unbequemer Einwürfe vom DSB-Vertreter wird Bruhn eher nicht fortsetzen.

Nicht ganz neu im FIDE-Kontext ist auch der internationale Schiedsrichter Jens Wolter. Als Wertungsreferent in Schleswig-Holstein hatte er mit makelloser und engagierter ehrenamtlicher Arbeit auf sich aufmerksam gemacht, das führte ihn zur Bundesebene, wo er nach wie vor als “FIDE Rating Officer” den Draht zum Weltverband hält. Außerdem war Jens Wolter Hauptschiedsrichter beim Grand Prix in Hamburg.

Jens Wolter (im Anzug, r.) hat auch beim Grenke-Open als Hauptschiedsrichter fungiert. Hier klärt er mit Arakdij Naiditsch (l.) Regelfragen. | Foto: Thomas Marschner

Dass Wolter nun Mitglied der FIDE-Schiedsrichterkommission ist, nahmen seine einstigen Vereinskameraden vom SV Bargteheide mit Freude zur Kenntnis. Bargteheides Schach-Chronist und -Beobachter Henning Geibel teilte sogleich mit:

“Unser langjähriges Mitglied und Eigengewächs Jens Wolter war bis vor wenigen Tagen passives Mitglied unseres Vereins. Er ist nicht nur ein guter und vor allem als Jugendlicher sehr erfolgreicher Spieler, sondern auch in vielfältiger Weise für das deutsche Schachleben ehrenamtlich tätig. So ist er u.a. Internationaler Schiedsrichter sowie Internationaler Organisator (von Schachturnieren) und bekleidet bereits seit einigen Jahren das für den Deutschen Schachbund außerordentlich wichtige Amt des FIDE Rating Officers, d.h. des wichtigsten Verbindungsmannes zwischen DSB und FIDE. Wie heute auf der Seite des Deutschen Schachbundes zu lesen ist, ist er nun auch in die Schiedsrichter-Kommission der FIDE aufgenommen worden und bekleidet daher künftig ein wichtiges Amt auf internationaler Ebene. Seine früheren Vereinsmitglieder aus Bargteheide gratulieren ihm dazu sehr herzlich und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg!”

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