Topfit trotz Pizzaservice?

Emanuel Lasker war am Ende. Das tropische Klima in Havanna zehrte an seiner Energie und der Rückstand im Match an seiner Psyche. Eine Chance, das Ding zu drehen, sah der 52-Jährige nicht mehr. Also gab Lasker das WM-Match 1921 gegen José Raúl Capablanca beim Stande von 5:9 auf, obwohl noch zehn weitere Partien angesetzt waren.

Anatoli Karpow war am Ende. Acht Kilogramm soll er während des Matches 1984 gegen Garry Kasparow abgenommen haben. “Ein gebeuteltes, gebeugtes, müdes Hutzelmännchen” sah die Wochenzeitung Zeit zu den letzten Partien ans Brett kommen, bevor FIDE-Chef Florencio Campomanes nach fünf Monaten und 48 Partien beide Kontrahenten aus dem Ring nahm.

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Jetzt geht’s los: So sieht unser Hauszeichner Willum Morsch das Match in London.

Zwei Mal in der gut 130-jährigen Geschichte der Schach-Weltmeisterschaft endete ein Match vorzeitig, 1921 und 1984. Die anderen Male haben die Kontrahenten bis zum Ende durchgehalten, und das werden sie auch im November 2018.

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Ist Schach Sport?

Die Matches sind kürzer geworden. Auch wenn Spitzenschach heute intensiver ist als noch vor wenigen Jahzehnten, auch wenn die Kurzdistanz von 12 Partien diese Intensität noch befördert: Wir dürfen davon ausgehen, dass Carlsen und Caruana die Belastung eines WM-Matches körperlich bewältigen.

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Pizza macht einen flachen Bauch, das Beweisfoto: Magnus Carlsen soll sich unlängst von seiner Freundin getrennt haben. Zum Glück gibt es jetzt eine Dating-App für Schachspieler. Da müsste er nur dieses Sixpack-Bild reinstellen und würde fortan die meisten Wettbewerber nicht nur nach Elo ausstechen.

Beide sind physisch in Topform, weil es dazu im modernen Schach keine Alternative gibt – ein Aspekt, der gerne übersehen wird, wenn wieder einmal die Debatte “Sport oder nicht Sport” tobt. Wer beim Schach in der Weltspitze bestehen will, der muss in jeder Hinsicht fit sein. Darum bildet ganzheitliches Schachtraining auch den Aspekt ab, den Körper in Form zu halten. Übrigens: Weil Schachmeister fit sein müssen, leben sie länger als der Durchschnittsmensch, und das etwa in dem Maße, wie es auch für andere Spitzensportler gilt.

Der Körper gerät beim Wettkampfschach ordentlich in Aufruhr, auch wenn das von außen kaum zu sehen ist. Als vor Jahren in der NDR-Talkshow Jan Gustafsson Barbara Schöneberger erklärte, dass man beim Schach Gewicht verliert, erwog die üppige Moderatorin sogleich eine Schachdiät. Das Publikum kicherte, aber die Idee ist nicht abseitig.

Es ist ja nicht nur die Energie, die der Körper beim Schach verbrennt, weil die Pumpe pocht und die grauen Zellen im roten Bereich drehen. Internist und Großmeister Helmut Pfleger hätte Schöneberger genauer erklären können, was beim Schach im Körper vor sich geht. Schon in der Schach-Steinzeit hat Pfleger untersucht, welche Kapriolen im Wettkampf der Adrenalin- oder Blutfettspiegel schlagen.

Pro Partie verbrennt der Körper mehr als 1.000 Kalorien

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Isle of Man ausgangs der Eröffnung: MVL geht schon die Pumpe, Anand noch in der Vorbereitung.

Ganz so genau und fundiert haben sie jetzt beim Open auf der Isle of Man nicht hingeschaut, dafür transparenter. Vor jeder Runde bekamen ausgewählte Spieler einen Pulsmesser am Handgelenk befestigt. Während der Partie konnte sich die Zuschauer dann selbst davon überzeugen, dass allein hinsichtlich Energieverbrauch Wettkampfschach moderater Bewegung gleicht. 1.000 und mehr Kalorien verzehrt der Schachmeister während einer Partie, abhängig davon, wie lang und intensiv sie ist.

Wie die Kontrahenten in London diese während der Partien verbrannten Kalorien wieder reinbekommen, ist im Fall des Titelverteidigers transparenter als bei seinem Herausforderer. Während Caruana sich im Stillen vorbereitete, ließ Carlsen manchen Einblick zu. “Pizza, Poker und Premier League” standen bei Team Carlsen nach dem täglichen Schachtraining auf der Agenda.

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Schachtraining, oft ein einsames Vergnügen. Magnus Carlsen versüßt es sich mit Pizza.
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3 Jahre zuvor

[…] Dazu kommen außerschachliche Aspekte. Wer sich wie der Schreiber dieser Zeilen übergewichtig, untrainiert und nikotinabhängig ans Brett setzt, der endet nicht in der Bundes-, sondern in der Bodenseeliga (und zockt mit seiner Lebenserwartung). Ambitioniertes Schach bedingt körperliche Fitness und ausgewogene Ernährung. […]