Wer sich für skurrile Eröffnungsnamen interessiert, wurde in der fünften Runde des German Masters bestens bedient. Zwischen Lara Schulze und Jana Schneider stand die Frankenstein-Dracula-Variante der Wiener Partie auf dem Brett, allerdings in ihrer zahnlosen Version.
Wer entschiedene Partien mag, kam auch auf seine Kosten: vier bei den Frauen, zwei bei den Männern. Als erste fertig war die Tabellenführerin. Dinara Wagner bot früh in einem Sveschnikow-Sizilianer Sarah Papp an, die Züge zu wiederholen. Nach ihrer Niederlage am Vortag gegen Jana Schneider nahm Papp das Angebot an.
Wagner fand es okay: Remis mit Schwarz, immer ein gutes Ergebnis, sagte sie. Die freien Stunden wolle sie nutzen, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen, außerdem natürlich zur Partievorbereitung. Schließlich will sie das Turnier gewinnen. Als härteste Konkurrentin sieht sie Jana Schneider, die sie in guter Form wähnt.
Die Friedfertigkeit in der fünften Runde hatte für Wagner zur Folge, dass ihre alleinige Tabellenführung nur für einen Tag währte. Hanna Marie Klek schloss dank eines Sieges über Luisa Bashylina zu ihr auf. In ohnehin schwieriger Lage unterlief Bashylina ein taktisches Übersehen, das die Partie sogleich zu ihren Ungunsten beendete.
Auch Jana Schneider schloss auf, was weniger an der Zahnlosigkeit des Dracula lag. Zwar hatte sie sich ein etwas besseres Endspiel erarbeitet, aber das hätte sie wahrscheinlich kaum gewonnen, wäre nicht Lara Schulze das gleiche passiert wie Luisa Basyhlina.
Das Trio an der Tabellenspitze steht nun schon einen vollen Punkt vor der ersten Verfolgerin, Zoya Schleining, der der dritte Sieg am Stück gelang, ein glücklicher, der in erster Linie eine bittere Niederlage für Fiona Sieber war. Erst hatte Sieber ihren beträchtlichen Vorteil vergeben, dann überschritt sie in einem etwa ausgeglichenen Endspiel die Zeit.
Josefine Heinemann gelang der erste Sieg des Turniers, Melanie Lubbes schwarze Serie setzt sich fort.
Aus dem Quintett an der Spitze des Männerfeldes wurde zur Halbzeit ein Duo. Alexander Donchenko und Dennis Wagner stehen dank ihrer Siege jetzt bei 3,5 Punkten. Wagner erarbeitete sich einen Endspielsieg über Jonas Roseneck, Donchenko gelang der zweite volle Punkt mit Schwarz in einer zentralen Partie gegen den Mitfavoriten und Co-Tabellenführer Matthias Blübaum.
Eigentlich hatte Blübaum wieder eine gefährliche Waffe aus seinem kaum erschöpflichen Arsenal etwas krumm erscheinender, aber stets giftiger 1.d4-Abspiele gezückt, den Barry-Angriff mit langer Rochade, und eigentlich hatte es ausgesehen, als könne der Schuss diesmal treffen. Aber bei entgegengesetzten Rochaden fand Donchenko wirksames Gegenspiel, während Blübaum auf der offenen h-Linie nicht weiterkam. Im Verlauf des verwickelten Duells legte Donchenko den lang rochierten weißen König frei und nutzte die Vielzahl taktischer Drohungen, um in ein gewonnenes Damenendspiel überzuleiten.
Rasmus Svane ist einen halben Punkt hinter die Tabellenspitze zurückgefallen. Sein Nimzo-Inder gegen Daniel Fridman war gut, um die Partie auszugleichen. Mehr war nicht drin.
Auch Leonardo Costas Co-Tabellenführung besteht nicht mehr. Im Duell der Youngster mit Schwarz gegen Frederik Svane stand ein Dubov-Tarrasch auf dem Millennium-Brett. Frederik Svane bekämpfte ihn mit dem Spezialabspiel aller DSB-Kaderspieler.
Zu allzu viel führte das nicht – bis Leonardo Costa vom rechten Weg abkam und unter Druck geriet. Aber er hielt, und den einen Moment, in dem Svane locker ließ, nutzte er, um die Partie in ein haltbares Endspiel mit Minusbauer, aber ungleichfarbigen Läufern zu überführen. Svane versuchte es 98 Züge lang, dann teilten die Kontrahenten die Punkte.