Der Hans-Niemann-Report

Chess.com hat jetzt den lange erwarteten Report über Hans Niemann veröffentlicht. 72 Seiten Lektüre zur Vergangenheit des 19-Jährigen auf der Online-Plattform, auch zum Verdacht, er habe am Brett falsch gespielt. Darüber hinaus Details zum Gang der Ereignisse und Einblicke in die Anti-Cheating-Methoden der größten Schachseite. (Dieser Beitrag wird fortlaufend aktualisiert.)

Oct.-2022-Final-H.-Niemann-Report

Zusammenfassungen:

‘Niemann Has Likely Cheated In More Than 100 Online Chess Games’ (chess.com)

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Chess.com release Hans Niemann report (chess24)

Ein bemerkenswerter Abschnitt: Mehr Online-Cheating als zugegeben (offen ist, wie es sich nach 2020 darstellt), aber keine ausreichenden statistischen Hinweise auf Cheating am Brett (was Magnus Carlsen Niemann offen unterstellt). Chess.com kündigt an, mit der FIDE-Ermittlungskommission zusammenzuarbeiten.

Bild
via @anbhanna

Der Report hat sich in diversen Medien niedergeschlagen, in fast allen Fällen mit der von chess.com suggerierten Überschrift “…in mehr als 100 Partien betrogen”, obwohl das nicht wirklich eine Neuigkeit ist – aber geeignet, der eher allgemein interessierten Öffentlichkeit neues Futter zu geben und die Geschichte auf einem oberflächlichen Level weiterzudrehen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ein Text von Richard Forster in der Neuen Zürcher Zeitung: “Der Schachspieler Hans Niemann wird medial als Betrüger abgestempelt – doch die Hetze ist nicht legitimiert.

Eine erste Einschätzung vom Wirtschaftswissenschaftler und Großmeister David Smerdon:

https://twitter.com/dsmerdon/status/1577491534710444032

Großmeister Jonathan Rowson:

Berlins Schachpräsident und DSB-Mitarbeiter Paul Meyer-Dunker:

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acepoint
1 Jahr zuvor

«The heart of this story is not a few online blitz games..» (Rowson)

Ein wesentlicher Part des grundsätzlichen Problems im Umgang mit Cheating beim Schach in einem Satz: Rowson macht aus knapp 100 Partien, darunter auch Events mit Preisgeld, «ein paar Onlineblitzpartien».

solala
solala
1 Jahr zuvor

Ich kann nicht ganz verstehen, warum man Niemann nun noch in Schutz nimmt (und auf Phasen oder Partien herumreitet), seine Aussagen in dem Interview waren doch ganz eindeutig: “Other than when I was 12 years old, I have never, ever, ever – and I would never do that, that is the worst thing that I could ever do – cheat in a tournament with prize money.” -> durch den Report widerlegt “Never when I was streaming did I cheat.” -> durch den Report widerlegt – in 25 Fällen des Betruges hat er gestreamt – und dass er sich daran nicht… Weiterlesen »

Krennwurzn
Krennwurzn
1 Jahr zuvor

“Aber wenn diese Person sich dagegen wehrt, ist ein »Indiz«, das auf das Gegenteil hindeutet, einfach nicht gut genug. Ihre Beweise müssen eindeutig sein. Die menschlichen Opfer von WMDs, das werden wir immer wieder sehen, müssen wesentlich stichhaltigere Beweise erbringen als die Algorithmen selbst.” Dieses Zitat stammt aus dem Buch “Weapons of Math Destruction” (How Big Data Increases Inequality and Threatens Democracy. New York, Crown 2016) der Mathematikerin und Systemkritikerin Cathy O’Neil. Deutsch: Angriff der Algorithmen – Wie sie Wahlen manipulieren, Berufschancen zerstören und unsere Gesundheit gefährden. Leseprobe: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Leseprobe%20Angriff%20der%20Algorithmen.pdf Ich habe das 16/17 im Original nur überflogen, weil es sich… Weiterlesen »

Matthias
Matthias
1 Jahr zuvor

Ist Schach nun das Spiel der Könige oder das Spiel, in dem schwindeln nicht so schlimm ist?
In anderen Sportarten werden sogar beim Training und nicht nur in Wettkämpfen Dopingtests durchgeführt.
Es kann doch einfach nicht sein, dass Online Betrug “nicht so schlimm” ist. Was für ein Haufen von Opportunisten kann so etwas gutheißen?
Da man ja von der Fide nix erwarten kann, bleibt die Hoffnung, dass mehr Spieler so wie Carlsen einen Hintern in der Hose haben, und gegen Niemann einfach nicht mehr antreten.
Säße er mir in einem Open gegenüber, würde ich einfach aufstehen und gehen.

Taktikfuchs2000
Taktikfuchs2000
1 Jahr zuvor

“A few online Blitz games”. Was Herr Rowson schreibt, ist eine so maßlose Untertreibung, dass es an Satire grenzt. Hier geht es um einen mehrfach überführten Cheater, der trotzdem fröhlich immer weiter betrügt und kein Problem damit hat, öffentlich darüber zu lügen. Niemann hat sich selbst diskreditiert und disqualifiziert. Ob er otb betrogen hat, ist unklar. Es ist noch nie in der Schachgeschichte ein Cheater anhand von Daten überführt worden. Selbst Rausis, Feller etc. wurden alle in flagranti erwischt. Da hat Schach eine Achillesferse. Man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass Cheater Idioten sind, die mit einem Handy aufs… Weiterlesen »

Springerpaar
Springerpaar
1 Jahr zuvor

Dieser ganze Skandal ist abgesehen davon, dass das Thema Cheating endlich auf dem Tisch ist und endlich mal angegangen wird, einfach nur noch frustrierend!

Es gibt keine Beweise, sondern nur Indizien. Diese ganzen geheimen Algorithmen, die angeblich Cheating erkennen “wollen”, können nämlich nur Indizien liefern und keine Beweise. Aus den meisten Kommentaren liest man nur Sympathie für die eine oder anderer Seite. Nur die wenigsten schreiben: “Ich weiß es nicht!”

Krennwurzn
Krennwurzn
1 Jahr zuvor

Steigt die Betrugswahrscheinlichkeit mit der Spielstärke?

We estimate that fewer than 0.14% of players on Chess.com ever cheat

aber

As you know, we’ve closed the accounts of hundreds of titled players (including 4 of the top 100 Grandmasters who have confessed to cheating)

Führt Ehrgeiz und Leistungsdruck (Elo) unreife Menschen in den Betrug wie andere Sportler zum Doping?

Alex Dommnich
Alex Dommnich
1 Jahr zuvor

Weil der Nachweis von Cheating im Schach schwierig ist, plädiere ich dafür, die Sache ähnlich wie im Straßenverkehr zu handhaben: Dort kann man seine Fahrerlaubnis auch auf verschiedene Weisen verwirken, indem man zeigt, dass man persönlich oder charakterlich nicht tauglich ist, ein Fahrzeug zu führen. Bei nach Elo gewerteten Turnieren sollte entsprechend nur spielen dürfen, wer, zumindest ein paar Jahre lang, im Schach eine weiße Weste hat, und zwar online und OTB. Der Vergleich mit dem Straßenverkehr hinkt zwar insofern, als es dort um Menschenleben geht, hier nur um Sport. Aber in beiden Bereichen ist es wichtig, die große Mehrheit… Weiterlesen »

eisenherz
eisenherz
1 Jahr zuvor

Guten Tag, keiner von uns weiß, wie groß inzwischen die finanziellen Interessen der großen Spieler und Verkaufsplattformen im Schachgeschäft geworden sind. Wie sehr sich einzelne Beteiligte um diese Kuchen streiten, die anderen auszuschalten, um letztendlich als Monopol der Einzige im Schachmarkt, der Vermarktung und dem Verkauf von Schach übrigzubleiben. Eine Möglichkeit ist, dass die finanziell stärksten Verkäufer von Schach im Internet und von Tournieren, die sich auf eine gehörige Geldsumme einigen könnten und mit diesem Angebot, als außergerichtlichen Vergleich, die Seite Niemann zur Ruhe bringen wollen. Schach ist ein Teil der weltweiten Unterhaltungsindustrie geworden und will mit Neuigkeiten aller Art… Weiterlesen »

Peter
Peter
1 Jahr zuvor

Ich finde den chess.com Report insgesamt ganz ordentlich, mindestens in einer Sache allerdings übertreiben sie ein wenig – wenn sie nämlich darauf verweisen wollen, dass man in aller Regel (seit R.Fischer) spätestens mit 15 Jahren Großmeister wird, wenn man in die Weltelite aufsteigen will: Greats like Fischer, Kasparov, Carlsen, and almost all of the modern GMs who havebeen established as top five players, were notable GMs by age 15 at the latest. Hier eine Auswahl von Gegenbeispielen aus den Top-5 der letzten 15 Jahre: Anand (GM mit 18), Kramnik (17), Iwanchuk (19), Aronian (17), Topalov (17), Ding Liren (17), Morozevich… Weiterlesen »

Last edited 1 Jahr zuvor by Peter
Frank Hoppe
Frank Hoppe
1 Jahr zuvor

Schade das Du die englischen Texte nicht (teilweise) übersetzt.

Ich hatte vor einigen Monaten ein Lichess-Turnier mitgespielt und gesehen, das einer meiner Gegner (mit > 2400), gegen den ich gewann, streamte. Mein Interesse war natürlich groß, was er wohl zu unserer Partie sagen würde. Nach der Partie meldete er mich als Cheater! Ohne Folgen für mich, weil ich erstens natürlich ohne Hilfe spielte und zweitens Lichess nichts gefunden hat. Mehr dazu.

Gerhard Lorscheid
Gerhard Lorscheid
1 Jahr zuvor

Mit Corona wurde Online Schach propagiert und damals gab es schon die Hinweise, dass bei allem außer Blitz beschissen und nicht verhindert werden kann. Die Aussage, dass nur 0.14% auf chess.com bescheißen ist reines Marketing. 2021 wurde die württembergische Schnellschach trotz Warnungen online durchgeführt – die Cheating Diskussion startete sofort nach dem Turnier. Es gibt keinen Nachweis, dass Niemann offline betrogen hat und offensichtlich hält es seine Rating obwohl ihm die ganze Welt auf die Finger schaut. Er gewinnt in St. Louis bei extremen Checks, Verzögerung der Übertragung und Abschottung der Turnierteilnehmer. Wenn jemand behauptet er betrügt offline muss er… Weiterlesen »

Manfred Menacher
Manfred Menacher
1 Jahr zuvor

Es gilt die Unschuldsvermutung und damit basta! Hunderttausende würden als Unschuldige im Gefängnis sitzen, wenn das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung nicht existieren würde. Es ist ein Menschenrecht so lange als unschuldig zu gelten bis die Schuld bewiesen wurde.

Michael Portlu
Michael Portlu
1 Jahr zuvor

Betrüger braucht kein ehrlicher! Nirgends!! Soll mit anderen Betrügern betrügen.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Sofern ausgeschlossen werden kann, dass ein Spieler in einem Turnier der Weltklasse aus dem Publikum Signale empfangen haben könnte (oft ist der Turniersaal hell und das Publikum abgedunkelt), ist aus meiner Sicht eine vor Turnierbeginn von den Spielern unterzeichnete Verpflichtungserklärung erforderlich, die auch forensische Untersuchung erlaubt.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Interessant, besonders interessant, sind aus meiner Sicht Einschätzungen zu 1.) besonders wichtigen Partien (und ob sie von einem potentiellen Cheater gewonnen (immer oder oft) worden sind) und 2.) zur Partieanalyse, wenn sie von einem potentiellen Cheater bereit gestellt wird – und ob diese zum Partieverlauf, zum Sieg in der Partie, passen, ob auch Varianten angeben werden können, ob sich so Erklärung seitens des Partie-Gewinners findet.

“Cheating 2.0” (Kommentatorenfreund ‘Krennwurzn’ hat diesen Begriff entwickelt) funktioniert schon a bisserl anders, deshalb gilt es hier vielleicht auch anders als mit sozusagen gewohnten statistischen Mitteln nachzuschauen.

Mit freundlichen Grüßen
Ludger Keitlinghaus

Friedrich Lehmann
Friedrich Lehmann
1 Jahr zuvor

Wird chess.com auch einen Report über diese Angelegenheit veröffentlichen? Da ging es um etwas mehr als um nur 100 online Blitzpartien:

https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_v._Scheinberg

Laut https://www.chesstech.org/2022/scheinberg-family-commits-until-2026/ ist das ein chess.com Investor.

Interessant, dass Schach in zunehmenden Maße von der Gambling Industrie dominiert wird (Unibet, Superbet, PokerStars).

If I speak, I’ll be in big trouble …

trackback

[…] der 72-seitige “Hans-Niemann-Report” von chess.com zu Hans Niemann, veröffentlicht vor Beginn der US-Meisterschaft, kommt vor. […]

trackback

[…] Jahr in Reykjavik eine bemerkenswerte Partie gegen Niemann verloren, die laut norwegischem Rundfunk im Hans-Niemann-Report von chess.com aufgeführt wird (die Suche nach „Gretarsson“ in besagtem Report ergibt keinen Treffer, Anm. d. […]

trackback

[…] Der Hans-Niemann-Report […]

Brett
Brett
1 Jahr zuvor

Also, wenn ich jemandem die Geldbörse aus der Tasche klaue, dann ist das ganz doll schlimm.
Wenn ich ihm aber online das Konto leerräume, dann ist das irgendwie nicht sooo schlimm. Ist doch nur vituell.
Schachlogik find ich super.

cyronix
cyronix
1 Jahr zuvor

An sich wäre es nicht schwer einen nicht überprüfbaren algorithmus zu schreiben für jemanden der schon den Rest geschafft hat, immer den besten Zug zu finden …
er kann einfach zwischendrin immer Züge spielen, die die Bewertung verschlechtern, wo aber die Partie dennoch klar gewonnen bleibt, etwa Bewertungsabfall von +4 auf +3, etc. …. dann kann man garnichts mehr beweisen … viel Spass damit, dass automatisch zu erkennen zu wollen, dass ist wahrscheinlich schwerer als eine gute Schachengine zu schreiben 🙂

Martin Rieger
Martin Rieger
1 Jahr zuvor

Gerade gelesen:

Nach der Auftaktrunde (gestern) der US-Meisterschaften trat er (Niemann) zwar zum Interview an, verweigerte aber jede Auskunft über seine Partie und sorgte so wieder für Schlagzeilen: “Es war eine so schöne Partie, dass ich sie nicht zu beschreiben brauche.”

Auffälliger geht’s wohl nicht mehr.

MartinRieger
MartinRieger
1 Jahr zuvor

Der beste Beweis wäre doch ein doppelrundiges Blitzturnier mit ca. 9-11 Teilnehmern aus der Weltspitze zusammen mit Niemann wo in einem übertragungssicheren Turniersaal gespielt wird und alle Teilnehmer vor dem Eintritt gescannt werden wie im Flughafen. Und dann, da wäre ich mir zu 100% sicher, würde Niemann Letzter werden. Er hat nachweislich bei seiner Erklärung gelogen, wie soll man ihm jetzt noch glauben? Dazu seine bizarres “Schachspricht für sich selbst”, seine “Analyse” nach der Partie, sein kometenhafter Aufstieg, sein manchmal 100% korrektes Enginespiel. Das glaubt doch kein Mensch! Ich kann Carlsen völlig verstehen und würde gegen so eine Person auch… Weiterlesen »

Friedrich Lehmann
Friedrich Lehmann
1 Jahr zuvor

Das Hans Niemann Dossier enthält nicht viel Neues. Er hatte ja schon zugegeben, in zwei Perioden online betrogen zu haben. Genau diesen Umfang hatte ich nach dem Interview erwartet. Aber chess.com versucht ihm jetzt einen Strick daraus zu drehen, dass er nicht akkurat und unter enormen Druck alle 100 Blitz Fälle aus dem Kopf und kohärent in chronologischer Reihenfolge aufgelistet hat. In einem informellen Interview. chess.com zieht die Sache also auf eine irrelevante bürokratische Ebene und wäscht sich selbst, Carlsen sowie die ganz zufällige Play Magnus Übernahme rein. chess.com spielt das Dossier dem Wall Street Journal zu, welches pünktlich zur… Weiterlesen »