Der WM-Zyklus und die Causa Dubov: FIDE-Chef Arkady Dvorkovich im Gespräch

Daniil Dubov aus der russischen Nationalmannschaft streichen? “Übertrieben.” Grand Prix in Berlin? Falls nicht, “steht Russland bereit”. Kandidatenturnier in Madrid? “Das Angebot ist jedenfalls sehr gut.” WM-Format ändern? “Wir denken darüber nach.”

Arkady Dvorkovich.

Nach dem WM-Match zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi hat FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich dem russischen Sport-Portal Championat ein ausführliches Interview gegeben. Dvorkovich nutzt die Gelegenheit, als moderate Stimme im “Fall Dubov” aufzutreten, der in Russland kontrovers und teilweise scharf im Ton debattiert wird. Der 49-Jährige blickt zurück aufs Match in Dubai und voraus auf kommende Wettbewerbe.

Dvorkovichs zentrale Aussagen haben wir hier zusammengefasst:

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Carlsen-Sekundant Daniil Dubov – Verrat an Russland?

Solche Dinge passieren. In jeder Sportart gibt es ausländische Trainer, auch Ian hatte ausländische Hilfe. Die einzige Nuance war, dass im Voraus bekannt war, wer Magnus herausfordert. Ich würde allerdings nicht ausschließen, dass Dubov die Vereinbarung mit Carlsen schon getroffen hatte, bevor das Kandidatenturnier beendet war. Die beiden arbeiten seit langem zuammen, es ist ihre persönliche Angelegenheit. Für Daniil war es auch für die eigene Entwicklung wichtig, mit Magnus zusammenzuarbeiten. Ich an seiner Stelle hätte eine Konstellation wie die im WM-Match allerdings vermieden. Mir ist es wichtig, immer im Team meines Landes zu sein. Trotzdem: Die Forderung, Dubov aus der russischen Nationalmannschaft zu streichen, halte ich für übertrieben.

Daniil Dubov beim Grand Swiss 2021 in Riga. | Foto: Anna Shoturman/FIDE

Grand-Prix-Teilnehmer

Daniil Dubov ist der erste Reservespieler für den Grand Prix. Darüber hinaus gibt es zwei Wildcards, eine von World Chess, eine von der FIDE. Wir sind im Gespräch, um nicht denselben Spieler zu nominieren, und werden in Kürze unsere Entscheidung bekanntgeben. Wahrscheinlich wird ein russischer Spieler eine Wildcard bekommen, bestimmt nicht zwei.

Grand Prix Berlin/Belgrad vs Corona

Time to say Berlin?

Eine Garantie, dass die Turniere stattfinden wie geplant, gibt es nicht. Angesichts der Tatsache, dass die Turniere nicht so groß sind und relativ wenige Spieler teilnehmen, hoffe ich aber, dass es keine Probleme geben wird. Bei Serbien bin ich mir ganz sicher, aber Deutschland ist da strenger. Derzeit gibt es jedenfalls keine Umzugspläne. Sollte sich die Situation ändern, ist Russland immer bereit, Turniere auszurichten. Wir hätten auch die bevorstehende Schnellschach- und Blitz-WM nach Russland verlegen können, hätten sie dann aber aufgrund der WADA-Sanktionen nicht als „Weltmeisterschaft“ bezeichnen dürfen. Darum sind wir nach Warschau gegangen. Jetzt versuchen wir, alle Tickets der Spieler, die schon einen Flug nach Kasachstan gebucht hatten, rückerstattet zu bekommen oder umzutauschen.

Kandidatenturnier 2022 in Madrid?

Inoffiziell gibt es an noch anderen Orten Überlegungen, eine Bewerbung ums Kandidatenturnier abzugeben, im mittleren Osten ebenso wie in Amerika. Weil das Angebot aus Madrid kurz nach Ende der Frist eingegangen ist, hätten wir das Recht, uns auch andere Bewerbungen anzuschauen. Ich muss aber feststellen, dass das Angebot aus Madrid sehr gut ist. Außerdem gibt es ja noch die für Ausrichter attraktiven Frauen-Wettbewerbe: Kandidatenturnier und Weltmeisterschaft.

Arkady Dvorkovich (l.) und Ian Nepomniachtchi bei der Siegerehrung. | Foto: Eric Rosen/FIDE

Das WM-Format

Wir denken, dass 14 eine geeignete Zahl von Partien ist. Mehr Stress, mehr Belastung für die Spieler, mehr Möglichkeiten für Wendungen, mehr Gelegenheiten, Fehler zu machen. Zum Ruhetag gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige Leute denken, dass wir nach jeweils zwei Partien einen Ruhetag brauchen. Ich persönlich sehe Vor- und Nachteile. Das Dubai-Format belastet die Spieler stärker, schlecht für sie, gut für die Zuschauer. Außerdem konnten wir im neuen Format an Wochenenden komplett durchspielen. Mit Ruhetagen nach jeweils zwei Partien wäre das unmöglich.

Bedenkzeitregelung

Wir diskutieren, ob wir die Bedenkzeit bei allen Turnieren des WM-Zyklus identisch regeln sollten. Eine kürzere Bedenkzeit als die in Dubai schließe ich im Sinne von Zuschauern und TV-Übertragungen nicht aus. Auf der anderen Seite haben wir in Dubai die längste WM-Spiel der Schachgeschichte gesehen. Das allein hat großes Interesse generiert.

WM-Finanzen

Wir sind glücklich. Unser Dank gilt unseren Partnern von Expo2020, die etwa 90 Prozent der Finanzierung getragen haben. Ich hoffe, dass ihre Investitionen eine gute Rendite erzielen. Sicher ist, dass die Veranstaltung viel Aufmerksamkeit erzeugt hat und im Gespräch war, also das, was sich Sponsoren wünschen. Wir hatten viele Gäste, viel weltweite Berichterstattung. Für die FIDE hat sich die WM in jeder Hinsicht gelohnt – Sichtbarkeit, marketingtechnisch, finanziell.

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