Womöglich dachte Soham Das, er habe sich nun halbwegs konsolidiert, als er im 16. Zug die schwarze Dame nach e7 zog. Klar, sein Leningrader System hätte besser laufen können, aber mit einem Eloplus von 400 Punkten muss der Schwarze nun einmal nach Chancen suchen. Und Chancen schienen ja weiterhin vorhanden zu sein. Jetzt hing erst einmal der weiße Springer auf g5, darum würde sich Weiß kümmern müssen. Danach stünde die schwarze Armee bereit, um rund um den weißen König ein Handgemenge anzuzetteln.
Dann traf den Münchner IM der erste Keulenschlag, einer von vielen: 17.Sd5!
Der Sturmlauf gegen Soham Das war Luisa Bashylinas spektakulärste Partie beim “Swiss Masters” in Baden-Baden, aber bei weitem nicht ihre einzige sehenswerte. Die 15-Jährige von der SG Solingen, die mit einer Elo von 2000 als Außenseiterin in den Wettbewerb gegangen war, erzielte eine Performance jenseits der 2300 – und es war noch mehr drin. Für eine WIM-Norm fehlte es nur an internationalen Gegnern. Nach dieser Vorstellung drängt sich die Frage auf, ob das Sextett der DSB-Kraftmädchen nicht schleunigst zu einem Septett erweitert werden sollte.
Das schachliche Kräftemessen im Kristallsaal des LA8, der Heimat des Schachzentrums Baden-Baden, sollte dem Normerwerb junger Schachmeister dienen, außerdem als Rahmen für die Jahreshauptversammlung des Schachzentrums. Von den im Kader der OSG Baden-Baden reichlich vorhandenen Großmeistern stellten sich vier dem Ansturm des Nachwuchses: Philipp Schlosser, Bilel Bellahcene, Jean-Noel Riff und Roland Schmaltz. Ihnen saßen unter anderem die gerade in Willingen gekürten Deutschen Meister U16 und U18 gegenüber, Jeremy Hommer und Nils Richter. Letzterer hatte zuvor im Gespräch mit dieser Seite angekündigt, dass er nun ein Schachjahr einlegt und den IM-Titel anvisiert.
Am Ende zeigten die etablierten Kräfte den Youngstern, wie hoch die Großmeistertrauben hängen. Die GM belegten die ersten drei der 26 Plätze. Normen gab es nicht, auch wenn bei Niklas Schmider, Georg Braun und Felix Meißner zwischendurch Hoffnung aufgekommen war. Aber es gab eben Luisa Bashylina, die dank 5/9 und ihrer 2315-Performance als Elftplatzierte 127 Elopunkte und den WFM-Titel gewann.
“Swiss Masters” in Baden-Baden, nie gehört? Tja. Angekündigt worden war das Turnier nicht, aber auf den einschlägigen Schachseiten waren die Partien live zu verfolgen. Und wer zufällig die Homepage des Schachzentrums besuchte, stellte fest, dass sich dort sogar der eine oder andere lesenswerte und fein illustrierte Bericht findet. Vielleicht entdecken die Baden-Badener Schach-Macher demnächst noch die Möglichkeit, gezielt auf das eigene Schaffen aufmerkam zu machen, anstatt für zufällige Besucher zu berichten.
Die Idee und vage Planungen für ein Normturnier im Sinne des deutschen Nachwuchs’ kursierten in und um Baden-Baden dem Vernehmen nach seit längerem. Nun hat es, wahrscheinlich der Auftakt einer Reihe, ein solches Turnier gegeben. Es endet just in den Tagen, in denen zum ersten Mal seit Jahren mit dem Baden-Badener Bundesligaspieler Arkadij Naiditsch nur ein Deutscher und kein Spieler unter deutscher Flagge in den Live-Top-100 der Welt zu finden ist (Korrektur, 19. September: Liviu Dieter Nisipeanu ist durch seinen Zweitrundensieg beim Sharjah Masters jetzt Nummer 97.)
Schach-Achse Berlin-Baden-Baden?
Zwar ist das nur eine Momentaufnahme – Alexander Donchenko und Matthias Blübaum sind schon wieder aus ihrer Leistungsdelle gekrabbelt, Vincent Keymer wird bald die Top 100 entern – dennoch ist es auch ein Indiz: Das deutsche Schach produziert zwar reihenweise Titelträger, hat aber auf dem 2650+-Elitelevel ein erhebliches Defizit. Regelmäßige Möglichkeiten für den Nachwuchs, sich mit arrivierten Meisterspielern zu messen, wären ein Baustein, um den besten Talenten den Weg nach oben zu ebnen, auf dass der/die eine oder andere auf dem Elitelevel ankommt.
Vor diesem Hintergrund repräsentiert das Baden-Badener Normturnier den Auftakt einer Entwicklung, die Hoffnung macht. Es könnte ja viel Gutes daraus entstehen, würden mit den Baden-Badenern und dem Deutschen Schachbund die beiden Kraftzentren des deutschen Schachs an einem Strang ziehen, ihre Ressourcen koordinieren und gelegentlich bündeln. Nur bewegte sich das Verhältnis dieser beiden in den vergangenen Jahren zwischen unterkühlt und nicht existent, wie sich zuletzt am Scheitern des Baden-Badener Versuchs, Naiditsch zum deutschen Verband zurückzuholen, ablesen ließ.
Aus dem Nebeneinander könnte nun ein Miteinander werden. Das Baden-Badener Turnier ist ganz wesentlich der Zusammenarbeit von Hanna Marie Klek und Bundesnachwuchstrainer Bernd Vökler zu verdanken, und das Timing ist bestimmt kein Zufall: Nur wenige Tage nach der Siegerehrung in Baden-Baden beginnen jetzt im Olympiapark in Berlin zwei weitere, vom DSB organisierte Normturniere für den deutschen Nachwuchs. Auch das soll keine isolierte Veranstaltung, sondern Auftakt einer Reihe sein.
Nach “Masters” und “Powergirls” hat beim Deutschen (!) Schachbund offenbar immer noch niemand gemerkt, wie albern-beliebig derlei Bezeichnungen sind. Mit den “Rising Stars” ist jetzt das nächste Projekt geboren, das einen flachen Namen trägt, aber für eine Sache mit Substanz steht: Norm-Chancen im Wettkampf gegen starke, internationale Widersacher.
Live-Partien der aufgehenden Sterne
(Titelfoto: Kevin Högy/Schachbund)
Ich bin ganz guter Dinge. Wir haben Talente und mit GM Gerald Hertneck einen Referenten für Leistungsschach, der sich auskennt und auch Schach lebt. Ich kenne Gerald schon richtig lange, ich war neun und er war zwölf und hat beim Ferienschachkurs den Leiter erst im Simultan und dann im 1:1 geschlagen. Lasst ihn machen und alles entwickelt sich in die Richtung. Die Schach-Prinzessinnen ist in die erste Richtung und einen Sponsor hat Gerald auch gleich besorgt, Chapeau!
Ich habe eine kritische Anmerkung zu diesem und auch vorangegangenen Artikeln:
Warum ist es nicht mehr möglich, die Notation zu veröffentlichen. Warum müssen es, auch hier, immer mehr Videos sein?
Ein Video kann gut ergänzen, hemmt aber die eigenen Überlegungen ähnlich wie eine Engine, weil immer etwas vorgekaut wird.
Dass es an internationalen Gegnern mangelte, ist kein Zufall. Das hatte schon vor der letzten Runde die Normhoffnungen aller deutschen Spieler zunichte gemacht, trotz mehrerer herausragender Leistungen, bei denen Normen drin gewesen wären. Die Idee des Turnieres ist ja ganz nett, bei der Durchführung hätte man, wenn man so explizit das Erreichen von Normen ermöglichen will, vielleicht nicht 18 Deutsche bei 26 Teilnehmern mitspielen lassen sollen. Dass sechs deutsche Gegner jegliche Normen (für Deutsche) verhindern, hätte da Bedenken auslösen müssen. Übrigens wurde das Turnier tatsächlich etwas mehr als eine Woche vorher auf der Website des Schachzentrums angekündigt, inklusive eines Aufrufs,… Weiterlesen »
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