Das coronabedingte Aus für Vincent Keymer beim Tegernsee Masters nimmt dem Wettkampf der besten deutschen Schachmeister das Sahnehäubchen. Aber jetzt wird Keymer trotz Quarantäne doch mit von der Partie sein – als Kommentator. Am Mittwoch wird er laut Turnierdirektor Sebastian Siebrecht an der Seite von Klaus Bischoff auf dem ChessBase-Twitch-Kanal durch die Partien führen.
Und so bekommen die Zuschauer eben doch ein Sahnehäubchen, nur ein anderes. Schon unlängst bei der Banter Series von chess24 hat Vincent Keymer gezeigt, dass mit ihm nicht nur ein exzellenter Spieler, sondern auch ein exzellenter Schacherklärer heranwächst, jemand, dem es Freude macht, anderen sein Wissen und seine Gedanken zu vermitteln.
Nachdem er bei besagter Serie Niclas Huschenbeth mit einem 5:1-Matchsieg aus dem Turnier gekegelt hatte, blieb er den Zuschauern eine Viertelstunde erhalten, weil er Lust hatte, noch einmal die kritischen Momente des Wettkampfs durchzugehen. Verpflichtet war er dazu nicht.
chess24 buchte Keymer sogleich für eine Geschwätzblitz-Session. Und auch die war für den Zuschauer ein schachlicher, instrukiver Hochgenuss. Die Klarheit, mit der der 15-Jährige Konzepte abwägt, die Schnelligkeit, mit der er die kritischen Züge benennt und einordnet (und das, während er spielt!), macht ihn zu einem außergewöhnlichen Kommentator.
Dass er ein außergewöhnlicher Spieler ist, mit seinen 2591 Elo noch dazu ein pandemiebedingt unterbewerteter, steht außer Frage. Im Turnier am Tegernsee, erst sein viertes in diesem Jahr, kam er nur dazu, eine Partie zu spielen, eine sehenswerte:
Am Unterhaltungswert der Begegnung hat Ashot Parvanyan erheblichen Anteil. Auch gegen den Weißriesen Keymer blieb der junge Mann aus Kiel seiner Königsindischen Verteidigung treu. Das führte zu einem spektakulären Scharmützel in der Bajonett-Variante, an deren Ende Parvanyan mit einer Null dastand.
Die Auslosung hatte Parvanyan ein Doppelschwarz zu Beginn beschert. Und das führte nach dieser ersten Null gleich zu einer weiteren – aber nicht dazu, dass er nun durchgereicht wurde. In der dritten Runde, erstmals mit den weißen Steinen, besiegte Parvanyan den brasilianischen GM Alexander Fier und darf sich nun zurück im Turnier wähnen. Ob er die angepeilte GM-Norm noch im Auge hat?
“Dieter neigt zu Schwarz-Überraschungen”
Zentrale Begegnung der dritten Runde war die zwischen Alexander Donchenko und Liviu Dieter Nisipeanu. Mit am Tisch saß Matthias Blübaum, auch wenn er sich dort nicht materialisierte.
“Mit Schwarz neigt Dieter dazu, seinen Gegnern Überraschungen vorzusetzen”, sagt deren Nationalmannschaftskollege und Beobachter Georg Meier. In diesem Fall wählte Nisipeanu eine Variante, mit der Matthias Blübaum schon zwei Mal gut gegen Alexander Donchenko ausgesehen hatte:
Einen Tisch weiter saß Blübaum tatsächlich. In seiner Schwarzpartie gegen den jungen Belgier Daniel Dardha dürfte er nach seinem schnell ausgeführten 23…Lc7 mit einiger Sorge diese Stellung betrachtet haben.
Weiß muss ja nur 24.d5+ spielen, die Angelenheit wäre reichtlich unklar, und es wäre äußerst fraglich, ob Blübaum noch in die Nähe von Gewinnchancen hätte kommen können.
Stattdessen machte der Belgier der deutschen Nummer eins ein griechisches Geschenk, 24.a4 Td5! 25.De2:
25…Lxh2+!, und Schwarz ist schon ganz nah am Gewinn, der er wenig später nach Hause brachte.
Jetzt führen Blübaum und Donchenko mit jeweils 2,5/3 das Turnier an. Und so werden wir am heutigen Dienstag am Tegernsee Zeuge einer ähnlichen Konstellation, wie wir sie unlängst in Magdeburg gesehen haben: Matthias Blübaum trifft auf Alexander Donchenko, und auf dem Spiel steht die Vorentscheidung um den Turniersieg.
Partiebeginn: 15 Uhr.
(Titelfoto: Christian Bossert/Schachzentrum Baden-Baden)
Ist die Inkubationszeit nicht bald vorbei ? Und spielt er dann wieder mit ?