Die Mächtigen des deutschen Schachs treffen sich Ende Mai/Anfang Juni in Magdeburg, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Das ist ein schöner Anlass, die drängendsten Probleme des deutschen Schachs aufzuzählen – und zu prüfen, ob irgendeines von denen beim Bundeskongress zur Debatte steht.
Das Ergebnis dieser Prüfung können wir vorwegnehmen. Keines dieser Probleme steht auf der Tagesordnung.
Na gut, eines vielleicht, aber das ist ausgerechnet das, das unter vier Augen geklärt werden sollte, anstatt in einer vom Wahlkampf zerrissenen Versammlung zerredet und für Stimmenfang simplifiziert und missbraucht zu werden. Dazu später mehr.
Immerhin sitzen einige der Probleme des deutschen Schachs mit am Tisch. Angesichts solcher Offenbarungen von Ahnungslosigkeit und Wichtigtuerei regen wir an (flehen geradezu), unmittelbar vor Beginn des Bundeskongresses Zettel an die Funktionäre auszuteilen. Darauf müssen sie die Namen aller deutschen A-, B- und C-Kaderspieler notieren. Wer nicht mindestens die Hälfte der besten/hoffnungsvollsten deutschen Schachmeister benennen kann, muss gehen. Solche Leute haben in der höchsten deutschen Schachversammlung nichts zu suchen.
Es würde leer im Saal. Aber mit den wenigen, die blieben, ließe sich etwas Zukunftsfähiges aufbauen, denn das wären diejenigen, die sich für die Sache interessieren. Schritt zwei wäre, die Tagesordnung von bürokratischem Mumpitz zu befreien, sie den Notwendigkeiten anzupassen. Dann würde eine lange, lange Sitzung folgen, und am Ende wären wahrscheinlich Weichen so gestellt, dass es das Schach voranbringt.
Schach braucht Gesichter
Um zu gedeihen (und nichts ist wichtiger als das), braucht das Schach Zugpferde. Gesichter von Sportlern, mit denen sich Begeisterung und Engagement wecken lassen. Selbst wenn wir den größten Hoffnungsträger des deutschen Schachs noch außen vor lassen – solche Gesichter gibt es. Dieses zum Beispiel. Oder dieses.
Wie der Schachbund sich jeden Tag aufs neue weigert, seine Zugpferde anzuspannen, sie in den Fokus zu rücken, ihre Geschichten zu erzählen, wie er sich damit Wachstum, Identifikation und Engagement versagt, ist für den geneigten Beobachter schwer zu ertragen. Wir machen ihnen ja an dieser Stelle gelegentlich sogar vor, wie man auch beim Schach Spitzensportler abfeiern kann, dass emotionale Berichterstattung und ein Brettspiel einander nicht ausschließen.
So etwas klicken die Leute an, aber beim Schachbund machen sie lieber amtliche Mitteilungen. Oder gar nichts, weil gerade Wochenende ist oder nach 17 Uhr. Und dann fällt halt der aktuelle Bericht über die einzig ungeschlagene Mannschaft bei der Schacholympiade aus.
Fehlende Begeisterung und Beweglichkeit sind ein generelles Problem beim Schach. Wer Begeisterung nicht spürt, dem fällt es schwer, sie zu wecken. Und beim Schach auf allen Ebenen herrschen eher Verhuscht- und Verstocktheit vor. Kaum ein Schachspieler verlässt morgens das Haus mit der Attitüde, den Tag zu nutzen, um für das beste Spiel der Welt zu trommeln.
Klar, beim Schach sind in erster Linie Amateure am Werk. Kann man von denen professionelle Arbeit erwarten? Natürlich nicht. Aber auch allein mit Begeisterung für die Sache lässt sich auch eine Menge bewegen. Die Deutsche Schachjugend zeigt das immer wieder.
Die Mauer muss weg
DSJ-Präsident Malte Ibs signiert jedes Jahr 150 Dankesbriefe an diejenigen, die sich am meisten ehrenamtlich für das Jugendschach eingesetzt haben. So lange Menschen an die DSJ gebunden sind (und das sind bei weitem nicht nur Jugendliche), arbeiten sie mit Feuereifer fürs Schach. Ein Übergang solch engagierter Leute zum DSB findet kaum statt, dort fehlt diese Begeisterung, und ein Dankeschön für ehrenamtlichen Einsatz gibt es auch nicht. Noch so ein drängendes Problem: Bei der DSJ machen sie vieles besser, sprudeln nur so vor Ideen und Engagement, aber bei den Großen kommt davon nichts an.
Die Mauer muss weg, stattdessen bräuchten wir Einfallschneisen von der DSJ Richtung DSB, um den DSB gezielt zu verjüngen und beweglich zu machen. Blöd nur, dass der DSB-Präsident und der DSJ-Präsident gerade nicht miteinander reden, auch das ein Riesenproblem des deutschen Schachs. Dazu später mehr.
Nicht zuletzt die Jordan-Affäre hat den Blick auf den Umstand gelenkt, dass eine Debatte über Ehrenamt und Professionalität lange überfällig ist. Jetzt hat die DSB-Führung die Chance verstreichen lassen, diese Affäre konstruktiv zu nutzen, um eine ebensolche Debatte anzustoßen, zu moderieren und voranzutreiben. Es war ja eine der seltenen Gelegenheiten, in denen Engagement und Interesse vorhanden war, aber nach einem kurzen Anflug von Mitteilungsfreude haben sie sich beim DSB wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen.
Unsichtbare Nationalspieler
Bestandteil einer Debatte über Professionalität müssten auch und gerade diejenigen sein, die Schach (halb)professionell spielen. Ebenso wie der Schachbund beim Anspannen seiner potenziellen Zugpferde versagt, versagen die Spieler beim Marketing in eigener Sache. Es findet nicht statt. Vor Jahren hatten sie beim DSB die Idee, den Nationalspielern einen separaten Öffentlichkeitsarbeiter und Vermarkter zur Seite zu stellen. Exzellente Idee! Was ist daraus eigentlich geworden?
Nisipeanu, Meier, Blübaum, Fridman, Svane bildeten zuletzt die Nationalmannschaft, die in Batumi als einzige im Konzert der fast 200 Schachnationen ungeschlagen blieb. Eine Homepage, ein Blog, eine Facebookseite betreibt und pflegt keiner dieser fünf Herren. Na gut, wenn die Nationalspieler öffentlich unsichtbar sind, buchen wir halt woanders eine Simultanvorstellung, wenn der SC Überlingen sein Budget für das Schachprogramm der Landesgartenschau 2020 verteilt.
Wieso wird der Schachpräsident alle zwei Jahre gewählt? Vier wären besser. Im föderal strukturierten deutschen Schach mit all seinen Instanzen und Bedenkenträgern hat es der Mann an der Spitze (eine Frau wäre mal gut) ohnehin schwer genug, Dinge anzustoßen, zu bewegen, zu steuern. Und dann muss er auch noch alle zwei Jahre Wahlkampf machen. Es gäbe wirklich wichtigere Sachen zu tun: das Schach voranbringen.
Team Krause und Team Pfenning
So oder so, in einer Woche wird ein Präsident gewählt. Es trifft Team Krause auf Team Pfenning. Beide Seiten haben ihr Programm vorgelegt. Leider repräsentieren die Programme kaum eine Entscheidungsgrundlage für die seit Wochen umworbenen Wähler.
Der Wahlkampf kreiste um zwei, drei Themenkomplexe. Nicht das Wahlprogramm, sondern die Tendenz der Delegierten in diesen Angelegenheiten wird die Wahl entscheiden.
(Wird fortgesetzt. In Teil II: Worum es bei der Präsidentenwahl wirklich geht.)
Bei der Überschrift denkt man, hier jage wieder einmal jemand einem Schachboom durch einen neuen Bobby Fischer nach. Autor Schormann argumentiert aber zu intelligent, um diesem nur durch besondere, nicht wiederholbare Umstände zustande gekommenen Phänomen nachzugehen. Es geht im Kern – völlig richtig – um die mangelhafte Öffentlichkeits-Tätigkeit des deutschen Schachs, um es einmal bewusst nicht auf den “DSB” einzugrenzen. Kaum vorstellbar, aber es gibt wohl tatsächlich Turniere mit mehr als vielleicht 100 Teilnehmern, einige aus mehr als xy km angereist, die keinen Voraus-Artikel nebst Telefonanruf bei den (!) regionalen Sport-Redaktionen nebst Bildern und Einladung der Journalisten (plus Begleittext, was… Weiterlesen »
@Gustaf M.:Musst du mir für Doofe erklären, wohin ich das { hyphens: auto; } packe. Silbentrennung fänd ich auch gut
Netter Vorschlag mit der Abfrage der Namen von Kaderspielern 😉
Leistungssport und Breitensport sollten sich wirklich gegenseitig mehr inspirieren, anstatt zu sehr auseinander zu streben – und zwar nicht in Bezug auf Elo (da natürlich gern), sondern in Bezug auf gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Interesse. Mehr Miteinander als Gegeneinander. Gegenseitiges Verständnis ist wichtig dafür.
…btw befürchte ich umgekehrt wäre das Ergebnis einer Abfrage der Namen von Funktionären bei den Kaderspielern möglicherweise auch nicht all zu erfolgreich. 😉
[…] wir Einfallschneisen von der DSJ zum DSB, um den DSB zu verjüngen und beweglich zu machen“, stand hier schon vor einem Jahr. Das stimmt immer […]