Die Bundesliga vor den zentralen Runden: Bewegt sich was?

Werden die Viernheimer Hikaru Nakamura ans Brett bringen? Die Baden-Badener Viswanathan Anand? Mit Sicherheit wird sich das erst am Samstag, 24. Februar, um 12 Uhr sagen lassen, 120 Minuten vor dem für die Deutsche Meisterschaft vorentscheidenden Bundesligakampf. Dann werden die Aufstellungen veröffentlicht.

Unabhängig von Nakamura und Anand steht jetzt schon fest, dass vom 23. bis 25. Februar in Viernheim dutzende Spitzengroßmeister an den Brettern sitzen werden. „Die halbe Weltklasse“ und nicht zuletzt die komplette deutsche Nationalmannschaft erwartet Viernheims Vorsitzender und Teamchef Stefan Martin in der südhessischen 35.000-Einwohner-Gemeinde.

Alle 16 Teams der Liga werden am vierten Februarwochenende beim SC Viernheim und dessen Sponsor d-fine zu Gast sein, um die 9. bis 11. Runde der Saison zentral zu spielen. Der Spielplan bringt mit sich, dass Vorentscheidungen fallen und mehrere Vier-Punkte-Matches ausgetragen werden. An der Tabellenspitze wie am Tabellenende haben Meisterschafts- wie Abstiegskandidaten noch keine direkten Duelle gespielt. Dazu wird es erst in Viernheim kommen.

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Eintrittskarten für die Wettkämpfe und das Rahmenprogramm inklusive Kommentar sind ab sofort erhältlich. Rund um die Bundesligamatches werden eine Reihe von Turnieren, Trainings und Vorträgen angeboten, darunter ein vom Niedersächsischen Schachverband ausgerichtetes Blitzturnier am Freitagabend, bei dem die Amateure zum Zug kommen – und die Chance haben, den anwesenden Spitzenkönnern des Denksports am Brett zu begegnen.

Nach Angaben des SC Viernheim leisten etwa 50 der 150 Vereinsmitglieder mehr als 1.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden, um die Veranstaltung zu ermöglichen. Neben den etwa 150 Bundesligaspielern erwartet der Verein etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Jugendturnieren. Dazu das Hochschulturnier mit voraussichtlich etwa 60 Studentinnen und Studenten.

Besondere Aufmerksamkeit wird am Samstag das Match zwischen den beiden dominierenden Mannschaften der Liga auf sich ziehen. Serienmeister OSG Baden-Baden trifft auf Vizemeister und Tabellenführer SC Viernheim. Um sich den 18. Meistertitel zu sichern, müssen die Badener die in der Tabelle einen Punkt vor ihnen liegenden Viernheimer besiegen. Zu diesem Anlass werden die 2700-Großmeister im Dutzend zu besichtigen sein.

Sicher ist es noch nicht, aber gut möglich, dass alle diese Herren vom 23. bis 25. Februar in Viernheim um Bundesligapunkte kämpfen. | Fotomontage: Schachbundesliga

Beide Kontrahenten werden versuchen, die bestmögliche Mannschaft in dieses Aufeinandertreffen der Ligagiganten zu schicken. Die komplette Spitze des Edelkaders ins Gefecht zu schicken, wird allerdings beiderseits nicht ganz einfach.

Viernheims Spitzenmann Hikaru Nakamura etwa, in dieser Saison noch nicht zum Einsatz gekommen, hat gerade erst einen Februar-Schachausflug nach Deutschland abgesagt: An der Weissenhaus Freestyle Chess G.O.A.T. Challenge an der Ostsee (9. bis 16. Februar) nimmt Nakamura nicht teil, um nicht seine Vorbereitung aufs Kandidatenturnier (ab dem 3. April in Toronto) zu unterbrechen. Ob ihn die Viernheimer trotzdem nach Südhessen locken können?

Die Baden-Badener Nummer eins Fabiano Caruana hat für die kommende Saison beim designierten Aufsteiger Düsseldorfer SK angeheuert. Ob er jetzt nochmal für Baden-Baden in den Ring steigt? Diese Frage stellt sich auch bei der Nummer zwei Viswanathan Anand. Der Exweltmeister lässt seine aktive Karriere ausklingen. In der Bundesliga ward er zuletzt am 17. Oktober 2021 gesehen. Ob der dem Baden-Badener Schach eng verbundene Inder nun, da es zählt, nochmal antritt?

Der mehrfache Deutsche Meister Francisco Vallejo Pons hat in Moskau Spaß mit Sergey Karjakin.

Was ist mit Francisco Vallejo Pons? Dass der Stammgast bei Sergey Karjakins Propagandaturnieren in Moskau (zuletzt im Dezember 2023) immer wieder in der Bundesliga im Grenke-Hemd antrat, lief über fast zwei Jahre der erklärten Haltung der Liga und nicht zuletzt der Vorbildfunktion ihrer Vereine zuwider. Seit Oktober 2023 hat Vallejo nicht mehr für Baden-Baden gespielt. Sportlich könnte ihn der Titelverteidiger im Match gegen die Viernheimer Supergroßmeisterriege jetzt brauchen. Ob die Baden-Badener das damit verbundene Zeichen senden wollen, zumal in Richtung der in Sachen Ukraine klar positionierten Viernheimer, wird sich im Februar offenbaren.

Die Bundesliga hält ihre Leuchtturmveranstaltung in einer Phase ab, in der auch abseits der Bretter einiges passiert. Der 2023 sportlich aufgestiegene, aber trotzdem in der zweiten Liga verbliebene SV Glückauf Rüdersdorf will weiterhin seinen Aufstieg auf dem Rechtsweg erzwingen. Schachbundesliga-Chef Markus Schäfer hielt sich dazu auf Anfrage dieser Seite bedeckt. Zu einem laufenden Verfahren werde er öffentlich nichts sagen, so Schäfer.

Der Kongress des Deutschen Schachbunds hat sich gerade damit beschäftigt, die stärkste Liga der Welt wieder dem DSB anzugliedern. Der Antrag kam am Ende einer mehrjährigen Phase, in der immer wieder deutlich wurde, dass die Vereine und ihre Liga ihre Leuchtturmfunktion ignorieren, sobald es um die Außendarstellung geht. Ein nationaler Sportspitzenverband, der für so etwas Angestellte hat, könnte ihnen helfen.

Seit Corona/Queen’s Gambit wird Schach immer populärer, immer mehr Menschen verfolgen Schach, aber für die Bundesligisten war das zu keinem Zeitpunkt ein Anlass zu erörtern, wie sich davon profitieren und für die stärkste Liga der Welt ein Publikum aufbauen lässt. Der DSB hat für seine Mitgliedsorganisationen (darunter die Bundesliga) sogar Schach-TV ins Leben gerufen. Selbst anhand dieser Steilvorlage hat die stärkste Schachliga der Welt zu keinem Zeitpunkt erörtert, wie sich rund um die Spieltage ein TV-Programm etablieren lässt. Stattdessen geistert seit Jahren die Idee durch die Liga, Sport1 dafür zu bezahlen (!, fünfstellig, nicht klein), über die Schachbundesliga zu berichten. Die offensichtliche Alternative, selbst etwas Nachhaltiges aufzubauen, ist zu keinem Zeitpunkt erörtert worden.

Mehr Partien, als der Fan gucken kann, und nach sechs Stunden ist für mehrere Wochen alles vorbei. Einen ganzen Spieltag am Stück zu verballern, ergibt keinen Sinn, eines von vielen naheliegenden Themen, die es nie auf die Tagesordnung einer Schachbundesligaverwaltungsversammlung schaffen werden.

Die bislang letzte zentrale Runde 2022 im Weserstadion war ganz wesentlich deswegen ordentlich präsentiert, weil der DSB seine Öffentlichkeitsarbeiter vorbeigeschickt hat. Es gibt kein Anzeichen, dass seitens der Liga jemand diese Hilfe dankend zur Kenntnis genommen hat – geschweige denn erörtert, wie sich so eine Gratis-Zuarbeit dauerhaft sicherstellen lässt. Die zentrale Runde 2024 müssen sie wieder allein stemmen.

Tatsächlich stehen im Kongressantrag „Rückführung der Bundesliga in den DSB“ viele richtige Dinge, die jahrelange Versäumnisse und fehlenden Kooperations- und Gestaltungswillen auf beiden Seiten spiegeln. Die pikierte Reaktion des Schachbundesliga e.V. und die fast einhellige Ablehnung des DSB-Kongresses sind ein sicheres Zeichen, dass hier jemand einen wunden Punkt getroffen hat. Darüber reden wollte niemand. Es passierte das, was im organisierten Schach zuverlässig passiert: keine Diskussion, wir ändern nichts und machen weiter wie immer.

Und so bleiben die Schachbundesligisten noch weitere Jahre in ihrem Teufelskreis gefangen. Sie hätte ja so gerne einen Sponsor für ihre Liga, würden dem sogar die Namensrechte geben, haben aber ansonsten nichts anzubieten, weil auf Vereins- wie auf Dachvereinsebene nichts entwickelt wird, das sich anbieten ließe (mit einer Ausnahme, siehe weiter unten). Wer immer mit dieser Liga und ihren Vereinen eine Partnerschaft einginge, müsste erstmal reinbuttern, um den Dachverein und seine Spitzen- bzw. Traditionsclubs präsentabel und wahrnehmbarer zu machen.

So perspektivarm und unterentwickelt das Gesamtgefüge daherkommt, es gibt ein paar gute Zeichen. Der laufende Prozess in Sachen „einheimisch ausgebildete Spieler“ und „Jugendförderung“ ist natürlich ein exzellentes Beschäftigungsinstrument für Schachbeamte mit Formalpassion und obendrein eine willkommene Einnahmequelle für Juristen mit Schachfaible, ließe sich ätzen. Aber er ist auch mehr als das.

Kirchweyhe sei Dank, es gibt jetzt zumindest in Teilen so etwas wie eine gemeinsame Identität in der Bundesliga. Eine limitierte zwar, aber eine gute.

Peter Orantek und seinem SK Kirchweyhe sei Dank, in der jüngeren Vergangenheit bildet sich unter den 15 anderen Vereinen zunehmend der Konsens heraus, dass Erstligisten im Schach keine veralteten Retortenclubs sein sollten, denen ein Mäzen sein Spielzeug in Form einer ersten Mannschaft überstülpt. Wer ganz oben mitspielt, sollte Nachwuchs gewinnen und fördern und damit der Substanz des Schachs und des eigenen Clubs dienen. Wer das nicht tut, hat seit Neuestem im Kreis der Bundesligisten ein Imageproblem. Das war nicht immer so.

Seelsorger Ilja und die Supergroßmeister: Spieltagsrückblick des SC Viernheim.

Beim Meisterschaftsanwärter Viernheim läuft seit einiger Zeit ein in der Bundesligageschichte wahrscheinlich bislang einmaliger Versuch, das Gegenteil des verbreiteten Modells des Geld im Schach versenkenden Mäzens. Die Unternehmensberatung d-fine sponsert gezielt Schach in der Annahme, im Denksport schlaue Köpfe für die eigene Belegschaft zu finden. Die Viernheimer bemühen sich nun mehr als alle anderen Bundesligisten, sich und damit ihren Sponsor sichtbar zu machen. Sie wollen einen relevanten Gegenwert für das Sponsoring erzeugen und diesen gegenüber dem Sponsor aufzeigen.

Nicht zuletzt fällt der jetzt schon stärksten Liga der Welt demnächst ein Geschenk in Form der stärksten Mannschaft der Welt in den Schoß. Der Düsseldorfer SK hat aus den aktuellen Top 10 der Welt 6 Spieler und zahlreiche weitere Supergroßmeister in seinen Reihen, darunter Weltmeister Ding Liren, darunter 5 Teilnehmer des kommenden Kandidatenturniers. Erklärtes Ziel der von Wadim Rosenstein finanzierten Mannschaft: „Deutscher Meister werden.

Es wäre erstaunlich, würden diese Herren und ihre Mitstreiter nicht die zweite Liga West gewinnen.

Vorausgesetzt, Baden-Baden und Viernheim ergeben sich nicht kampflos, steht der Liga eine Saison 2024/25 mit einem Dreikampf um die Deutsche Meisterschaft bevor. Nicht, wie jetzt in Viernheim, „die halbe Weltklasse“, sondern fast die komplette Weltklasse wird beteiligt sein, wenn in der kommenden Saison 15-mal an verschiedenen Austragungsorten in Deutschland um Bundesligapunkte gekämpft wird. Daraus müsste sich etwas machen lassen. Großartig fürs Schach wäre, wenn dieser Dreikampf nach 2024/25 weiterginge.

Aber erstmal gilt es, die Zweikampf-Saison 2023/24 zu Ende zu spielen. Die anstehende zentrale Runde in Viernheim wird nicht die einzige dieser Serie sein. Nachdem es in der Saison 2022/23 nicht zu einer zentralen Endrunde gekommen war, hatte der SC Viernheim angeboten, 2023/24 eine zentrale Zwischenrunde auszurichten. Anfang Oktober beschloss die Mitgliederversammlung der Schachbundesliga, dieses Angebot anzunehmen. Außerdem entstand eine zentrale Endrunde in Hannover. Viernheim trat sein Heimrecht an den letzten beiden Spieltagen ab, sodass am Wochenende 27./28. April 8 Teams in Hannover beim HSK Lister Turm die letzten beiden Spieltage bestreiten werden.

Sollte Viernheim Meister werden, müssen sie das in Hannover feiern. Gewinnt Baden-Baden, steigt die erste Meister-Party in Mülheim.

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joschi
joschi
2 Monate zuvor

Spannung? Gibt es noch Uninteressanteres als das Bündeln von Spitzengroßmeistern in einem Team, um dann die Liga damit zu dominieren? Baden-Baden hat über viele Jahre damit der Bundesliga keinen Gefallen getan und immer wieder Spannung (und Publikumsinteresse) minimiert. Rosenstein hat nichts daraus gelernt. Nach der Weltmeisterkrone will er wohl noch Deutscher Meister werden. Ich empfehle ihm, sich auch gleich selbst aufzustellen! Er kann sich dann auch gleich den entsprechenden Pokal aussuchen, den er gerne hätte, und diesen finanzieren. Bleibt zu hoffen, dass Geld keine Tore schießt. Als würden wir die Super-GMs nicht schon oft genug sehen… Das kann nur interessant… Weiterlesen »

Victor Busch
Victor Busch
2 Monate zuvor

Die Austragung vieler Spieltage an einem kompakten Wochenende finde ich großartig: der Fan kann bei seiner PartnerIn leichter ein Schach-Wochenende zum Zusehen reservieren ein Besuch vor Ort ermöglicht das Sehen einer großen Zahl von Spielern und ein Treffen der “Community” die Weltspitze reist viel eher an, wenn es nicht um ein, sondern um 3 oder 5 Spiele geht (Amerikaner, Inder wollen schließlich nicht ständig im Jetlag leben) es gibt viel mehr Partien zu sehen es lohnt sich mehr für Sponsoren, da mehr Zuschauer und Medien vor Ort die Medien sind viel besser einzubinden, wenn die Liga an einem Ort stattfindet,… Weiterlesen »

Walter Rädler
Walter Rädler
2 Monate zuvor

GIbt es eine Ausschreibung für die Zentrale Runde in Viernheim. Welches Hotel ist gut? Ein so großes Hotel wie in Berlin wird es vermutlich nicht geben, denke ich. Welche Zusatzveranstaltungen gibt es? Hier war ich von Berlin mit seiner Ausschreibung immer sehr verwöhnt.