Die Ehe mit Sergey Karjakin? „Ein schrecklicher Jugendirrtum“, sagte Kateryna Dolzhykova jetzt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Print). Mit 20 hat sie 2009 den ein Jahr jüngeren Großmeister aus der Krim-Hauptstadt Simferopol geheiratet, seinerzeit die größte Hoffnung des ukrainischen Schachs. Über Karjakins Umzug nach Moskau und seinen Wechsel zum russischen Verband im selben Jahr zerbrach die Verbindung rasch.
Während Dolzykhova studierte, 2011 ukrainische Meisterin wurde und als Englischlehrerin arbeitete, wurde Karjakin bald zum Agitationsgroßmeister des Putin-Regimes, und das umso mehr, nachdem Russland 2014 die Krim annektiert hatte. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hetzt Karjakin im Sinne seines Diktators, verhöhnt die ukrainischen Opfer des Kriegs und absolviert hinter der Front PR-Termine für die Kremlpropaganda.
Dolzykhova, mittlerweile in Kyiw lebend, wiederholte 2021 ihren Triumph bei der ukrainischen Meisterschaft. Dann brach der Krieg in ihr Leben ein. Nach dem Überfall gab sie dem Drängen ihrer Cousine aus Frankfurt nach, ihre Heimat zu verlassen. Mit ihrem Vater kam sie nach Deutschland. Seit dem Wochenende ist Dolzykhova Deutsche Meisterin. Mit 7,5 Punkten aus 9 Partien distanzierte die 34-Jährige die Konkurrenz um einen Zähler.
Der Titel bedeutet für sie einen weiteren Baustein des neuen Lebens, das sie sich in Deutschland aufbaut. Der Schachsport soll eine tragende Rolle spielen. In ihrem neuen Verein, den SF Oberursel, trainiert sie den Nachwuchs, außerdem die Schachgruppe der „DZ-Bank“. Die FAZ berichtet jetzt, Dolzykhova träume davon, eine Schachschule zu eröffnen. Schachlich sollte das kein Problem sein, sprachlich auch nicht. Die B1-Deutsch-Prüfung hat die passionierte Musikerin schon absolviert. „Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die ich in Deutschland erfahre“, sagt Dolzykhova.
Auch als Schachsportlerin will sie mehr. Eine IM-Norm und die 2400 Elo fehlen ihr noch zum Titel. In der Bundesliga der Frauen wird sie in der kommenden Saison für die SG Solingen am zweiten Brett spielen. In der nationalen Rangliste hat sich Dorzykhova vorerst auf dem siebten Rang einsortiert – hinter Elisabeth Pähtz und Dinara Wagner, die über den Dingen stehen, sowie vier nicht mehr dem Kader angehörigen Routiniers. Dolzykhova will deutsche Nationalspielerin werden. 2024 beim „Masters“ bekommt sie die Gelegenheit, im direkten Vergleich mit den anderen Nationalmannschaftskandidatinnen ihre Ambition zu untermauern.
Eine potenzielle Konkurrentin hat Dolzykhova jetzt schon hinter sich gelassen. Lara Schulze, Deutsche Meisterin 2022, gelang es in Ruit nicht, ihren Titel zu verteidigen. Mit 6 Punkten aus 9 Partien belegte Schulze Rang 4, weniger als sie sich vorgenommen hatte. In ihrem Blogeintrag zur „Deutschen“ geht Schulze gleichwohl vergleichsweise milde mit ihrem Schach ins Gericht. Sie preist die Atmosphäre unter den Teilnehmerinnen und den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer.
Die Bedingungen allerdings, dabei bleibt sie, seien eine „Katastrophe“ gewesen. Zweimal mussten Spielerinnen und Spieler während des Turniers umziehen. Sportschulzimmer im Jugendherbergsstandard und sportlichen Wettkampf in einer überhitzten Turnhalle findet Schulze „für eine Deutsche Meisterschaft nicht angebracht“.
Wesentlicher knapper als bei den Frauen ging es in der Herren-Konkurrenz zu (die eine „offene“ ist, was aber nicht zur Teilnahme von Frauen geführt hat). Der neue Deutsche Meister Vitaly Kunin musste in der letzten Runde die längste Partie des Tages spielen, bis der Widerstand von Christoph Dahl gebrochen war und feststand, dass auch der zweite Titel nach Hessen geht.
Mit 7/9, einen halben Zähler vor einem Verfolgertrio, sicherte sich der 39-jährige Schachgroßmeister und Linguist den Titel. „Endlich“, mag er gedacht haben. Kunin blickt auf mehrere Anläufe und zwei zweite Plätze bei Deutschen Meisterschaften zurück.
Im Fokus der meisten Beobachter des Wettbewerbs standen weniger die favorisierten Großmeister um Turnierfavorit Daniel Fridman (5,5 Punkte, Platz 5), vielmehr die Riege der Ausnahmetalente, die in Ostfildern die Gelegenheit bekam, sich mit der zweiten Garde der besten deutschen Schachspieler zu messen. Marius Deuer (15 Jahre, 6,5 Punkte, Platz 2) etwa, der sich gerade erst den IM-Titel gesichert hat, bestätigte mit einer 2565-Performance, was er unlängst in Biel angedeutet hat: Deuer nähert sich dem Leistungsniveau, das GM-Normen möglich macht.
Die beiden Vertreter des Jahrgangs 2011 (!), Christian Glöckler (4,5 Punkte, Platz 16) und Alfred Nemitz (4,5 Punkte, Platz 18), mischten munter mit. Für den sensationell gestarteten Glöcker sah es nach zwei Auftaktsiegen anfangs gar aus, als segele er auf Normkurs, und die Frage sei nur, für welchen Titel. Am Ende ging dem Elfjährigen dann doch ein wenig die Luft aus. Glöckler beendete das Turnier mit zwei Niederlagen.
„In mittlerer Zukunft“ IM werden, dafür sei Christian auf einem guten Weg, erklärte Vater Jens Glöckler der Eßlinger Zeitung, die etwa zur Mitte des Turniers unter dem Titel „Elfjähriger mischt die Schach-Elite auf“ (für Abonnenten) berichtete. Wegen seines überragenden Schachtalents ist Christian Glöckler ähnlich wie seinerzeit Vincent Keymer regelmäßig von der Schule freigestellt (und trotzdem ein guter Schüler). Die Mitschülerinnen und -schüler finden das okay, sie freuen sich mit Christian Glöckler über dessen Erfolge.
Eine Auswahl der besten Kombinationen (und verpassten Gelegenheiten) von den Deutschen Meisterschaften:
Christoph Dahl (2336) – Jakob Meister (2439)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.18
Schwarz hat eine Figur mehr. Wenn Weiß das ändern kann, sollte er dank des Bauernduos auf g3/h3 auf Gewinn stehen. Wie gehts? Weiß zieht und gewinnt.
(Du willst lösen? Klick aufs Brett!)
Nikolas Wachinger (2446) – Alexander Graf (2543)
94th German Championship 2023 Ostnfildern-Ruit, 2023.08.17
Auch hier hat Schwarz eine Figur mehr, zwei sogar, wenn wir den aus der Partie ausgeschlossenen La2 nicht mitzählen. Trotzdem… Weiß zieht und gewinnt.
Jaroslaw Krassowizkij (2445) – Arne Bracker (2267)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.17
Schwarz hat, Ihr ahnt es, zwei Figuren mehr. Hier geht es für Weiß darum, ein ausgeglichenes Materialverhältnis herzustellen.
Gengchun Wong (2257) – Magnus Arndt (2405)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.16
An seinem nächsten Zug überlegte Gengchun Wong sehr lange. Zu Recht, es muss ja erstmal durchgerechnet werden, ob das, was in der Luft liegt, tatsächlich funktioniert. Weiß zieht und gewinnt.
Gengchun Wong (2257) – Jakob Herrmann (2068)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.19
Nochmal Gengchun Wong in Aktion. Der erste weiße Zug liegt auf der Hand. Auf den zweiten muss man erstmal kommen.
Alfred Nemitz (2228) – Collin Colbow (2409)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.14
U12 gegen U18, und auf dem Brett ein ziemliches Durcheinander. Der Deutsche Meister U18 zog hier …Dd6 und verlor. Ihm war ein Trick entgangen, mit dem er hätte gewinnen können.
Marius Deuer (2440) – Samuel Weber (2276)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.14
Zu einfach bisher? Na, dann wollen wir mal schauen, ob du findest, was Marius Deuer gefunden hat. Wie kommt Weiß weiter?
Die gleiche Partie ein paar Züge später. Weiß ist weitergekommen. Jetzt geht es darum, den vollen Punkt einzufahren. Wie geht das?
Christoph Dahl (2336) – Vitaly Kunin (2532)
94th German Championship 2023 Ostfildern-Ruit, 2023.08.20
Die entscheidende Partie aus der letzten Runde. Weiß hat in diesem Endspiel einen Bauern mehr, aber der König ist in Gefahr. Nach langem Kampf unterlief Weiß mit dem letzten Zug Dd3 schließlich ein Fehler. Wie gewann Vitaly Kunin die Partie und damit die Deutsche Meisterschaft?
(Titelfoto: Paul Meyer-Dunker/Deutscher Schachbund)
Danke für diesen Bericht, der etwas Leben in diese mir bis zum Ende der Meisterschaft unbekannten Namen haucht. Andere Portale oder offizielle Seiten beschränken sich leider auf reine Ergebnismeldungen.
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[…] Nun also Politiker. Karjakin sei bekannt als „echter Patriot, der seine feste Haltung mit Taten bewiesen hat“, pries ihn Aksionov anlässlich der Verkündung, wer künftig die Krim im Föderationsrat vertritt. Auf eine Weise traf es einen Einheimischen. Karjakin ist in der Krim-Hauptstadt Simferopol geboren worden. Bis 2009 spielte er unter ukrainischer Flagge. Seinerzeit war er kurz mit der aus der Ukraine stammenden, heutigen deutschen Spitzenspielerin Kateryna Dolzhykova verheiratet. […]