An Leuten, die organisieren, fehlt es im Schach nicht. An Leuten, die regulieren, erst recht nicht. Was fehlt, sind Leute, die die frohe Botschaft so verbreiten, dass sie außerhalb der Schachblase ankommt; Leute, die Schach bunt, mitreißend oder einladend präsentieren; Leute, die die Lust wecken mitzuspielen, zuzuschauen oder weiterzulesen.
Das schwierige Verhältnis von Schachspielern zur Kommunikation in eigener Sache lässt sich trefflich an den Preisen ablesen, die im Schach verliehen werden. Preisverleihung beim Denksport heißt in aller Regel, dass wir innerhalb unserer Nische einander auf die Schulter klopfen. Kein Schachpreis ist gezielt darauf ausgelegt, außerhalb der Nische der Verbände und Vereine wahrgenommen zu werden – dort also, wo etwa 90 Prozent aller Schachspielerinnen und Schachspieler zu finden sind.
Neulich hätte es beinahe trotzdem den Richtigen getroffen. Im Sommer 2022 meldete diese Seite exklusiv, das DSB-Präsidium habe beschlossen, Reportergroßmeister Ulrich Stock solle den Deutschen Schachpreis bekommen – endlich ein Multiplikator, dessen Auszeichnung sein Arbeitgeber in der allgemeinen Öffentlichkeit verbreitet hätte.
Im zweiten Halbjahr 2022 muss der DSB-Führung etwas dazwischengekommen sein. Stock erhielt den Preis nicht. Tatsächlich ist die höchste Auszeichnung des deutschen Schachverbands seit drei Jahren nicht mehr verliehen worden.
Auf Anfrage dieser Seite bestätigt der DSB den Beschluss, Stock beim Schachgipfel des vergangenen Jahres auszuzeichnen. Warum der Journalist den Deutschen Schachpreis dennoch nicht bekam, lasse sich heute nicht mehr nachvollziehen. Das neue Präsidium wolle die Auszeichnung „auf jeden Fall nachholen, entweder bei einer der nächsten Veranstaltungen im Raum Hamburg oder beim Schachgipfel 2024“.
Die Schachlobby-Organisation DSB hat ein Leitbild, das als Leitlinie des Handelns Marketing in eigener Sache vorgibt. Andere Lobby-Organisationen, die der Pfeifenraucher, Hut-, Krawatten- oder Brillenträger zum Beispiel, haben so ein Leitbild nicht. Trotzdem sind sie den Schachspielern auf dem Feld der Selbstvermarktung einen wichtigen Zug voraus. Den „Pfeifenraucher des Jahres“ gibt es seit 1969. Bei den Pfeifen vom Schach fehlt dieser No-Brainer seit 1877: die Auszeichnung „Schachspieler(-in) des Jahres“, verliehen an Prominente mit Schachfaible und Strahlkraft in der allgemeinen Öffentlichkeit.
Do you play that game with small pieces on a black and white board?
— MoneyGram Haas F1 Team (@HaasF1Team) June 9, 2022
– Chess, I do ♟#HaasF1 #AzerbaijanGP pic.twitter.com/j1fi4k9kQ0
Unter den Formel-1-Fahrern ist das Schachfieber ausgebrochen. Mick Schumacher (r.) ist mit von der Partie.
Die 20.000 Euro fürs Schachgipfel-Galadinner wären nicht wie bisher ohne Effekt versenkt, sondern im Sinne des Sports und des Spiels investiert, wäre die Gipfel-Gala der feierliche Rahmen, um Jahr für Jahr Schachspieler und -spielerinnen wie Campino, Felix Magath, Eva Habermann, Etienne Gardé, Marco Bode, Peer Steinbrück, Jamal Musiala, Niklas Steenfatt, Smudo, Mick Schumacher oder Annabelle Mandeng öffentlichkeitswirksam zu küren. Würde es Schachspielenden nicht so schwerfallen, ihre Leidenschaft ins Rampenlicht zu rücken, es gäbe diesen überfälligen Preis längst.
Abseits der traditionell verdrucksten Organisationen ist das Schach mit Beginn der Pandemie einladender und sichtbarer geworden. Schach hat ein neues Publikum gewonnen, und mit dem steigenden Interesse steigt die Zahl Einzelner, die dieses Interesse bedienen.
Jetzt hat sich jemand dazugesellt, der diese Entwicklung beobachtet, sie würdigen will und helfen, sie anzuschieben. Der Publizist, Forscher und Schachfreund Dr. Harald Zaun schreibt den mit zweimal 5.000 Euro dotierten „Kommunikatorpreis“ im Schach aus (das Schachgeflüster-Blog hat es schon gemeldet). Die im Schach unterrepräsentierten Frauen zu fördern und zu ermutigen, neue Frauen fürs Schach zu gewinnen, liegt Zaun besonders am Herzen.
Dem Schach verbunden fühlt sich der 61-Jährige schon lange. Darin vertieft hat er sich erst in den Pandemiejahren, und das umso mehr, nachdem er das “Damengambit” gesehen hatte. Jährlich, beginnend im Oktober 2023, will Zaun nun einen Kommunikator und eine Kommunikatorin auszeichnen, jemanden, der oder die Schach unterhaltsam popularisiert. „Aber mit einem gewissen Anspruch“, betont Zaun.
Angelehnt sei der Preis an den (wesentlich höher dotierten) Communicator-Preis in der Wissenschaft. Dafür infrage kämen Kommunikator:innen bzw. Publizist:innen im Schach unabhängig von Genre und Medium: Podcaster, Buchautorin, Streamer/YouTuber, Kolumnistin, Blogger, Journalistin.
Zaun hat eine vierköpfige Jury für die gemeinsame Sache gewonnen: Anita Stangl (Frauenbotschafterin des DSB), Tatiana Flores Bernholz (Schachjournalistin und Weltmeisterin der Behinderten), Sandra Schmidt (Internationale Schachschiedsrichterin und Spielerin) und Helmut Pfleger. Diese vier werden jeweils einen Kandidaten und eine Kandidatin vorschlagen. Zaun selbst will ebenfalls zwei Vorschläge einbringen, sich aus der Entscheidung der Jury aber heraushalten.
Verliehen werden die Preise Anfang Oktober in Frankfurt im Rahmen eines privaten Dinners. Im Sinne der Unabhängigkeit und des privaten Charakters des Preises will Zaun keinen offiziellen Akt.
Sichtbarkeit für die Preise und deren Gewinner:innen will der Wissenschaftskommunikator Zaun durchaus. Ihm schwebt vor, die Schachkommunikatorpreise in das Geschehen auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober einzubinden, wo er als Autor stets präsent ist. Außerdem werden die Preise eine Website bekommen (noch in Entstehung bei Erscheinen dieses Beitrags):
www.schachkommunikatorpreis.com
(Titelbild: ZEIT/privat/US Chess)
[…] hat jetzt den mit 2×5.000 Euro dotierten „Kommunikatorpreis“ im Schach ausgeschrieben. Ohne Pfleger gäbe es diesen Preis nicht. Und säße er nicht in der […]