Vertagt: kein Urteil im Fall Jordan

Ohne Urteil endete am Mittwoch nach dreieinhalb Stunden die Verhandlung vor dem Dresdner Amtsgericht gegen Dirk Jordan und dessen Ehefrau Martina wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche. Die beiden Beklagten weisen die Vorwürfe zurück. Am nächsten und wahrscheinlich letzten Verhandlungstag, dem 6. April, soll ab 9 Uhr eine entscheidende Frage geklärt werden: Wusste, wie von Jordan beteuert, das Präsidium des Deutschen Schachbunds von den Nebenabsprachen mit den Hotels? Wäre das der Fall, wäre Jordan entlastet. Zwei Zeugen sollen im Sinne des Beklagten aussagen: Walter Rädler, ehemaliger Vizepräsident des DSB, und Jörg Schulz, ehemaliger Geschäftsführer der DSJ.

Dirk Jordan (67) organisiert weiter Schach. Hier begrüßt er die Teilnehmer:innen der Europäischen Mannschaftsmeisterschaft der Senioren in Dresden, | Foto: Karsten Wieland/Schachfestival Dresden e.V,

Die Staatsanwaltschaft wirft Jordan, wie berichtet, 27 Fälle von Bestechlichkeit vor. Mit mehreren über Deutschland verteilten Hotels hatte Jordan nach Darstellung der Staatsanwaltschaft verabredet, für die vermittelten Übernachtungen Provisionen in Form von Spenden an Jordans Verein „64 Felder“ zu zahlen.

Dieser Verein ohne erkennbare Aktivitäten und engagierte Mitglieder war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ein reines Vehikel für das Empfangen und Weiterleiten von Geld. Ein ehemaliges Vereinsmitglied, Ex-Freund von Jordans Tochter, sagte aus, er sei nun einmal anwesend gewesen und habe sich nicht gewehrt, als Jordans ihn gebeten hätten, Vereinsmitglied zu werden. In der Rückschau sei es naiv gewesen, sich darauf einzulassen.

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Allein „64 Felder“ soll im Lauf der Jahre 189.000 Euro von Hotels bekommen haben, berichtete die Sächsische Zeitung. Am Mittwoch in Dresden standen nur Zahlungen aus den Jahren 2015-2018 in Höhe von gut 69.000 Euro zur Debatte. Oberstaatsanwältin Karin Schreitter-Skvortsov machte deutlich, dass Jordan noch auf andere Weise von der Deutschen Amateurmeisterschaft profitierte: Das für diese Veranstaltungen nötige Material kaufte der DSB bei Jordans Dresdner Firma „Euro Schach“.

Jordan ließ sich selbst zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft ein, was nach übereinstimmenden Berichten von Prozessbeobachtern zu einem fast einstündigen Monolog über seine Vita und seine Verdienste für das Schach führte. Zur Sache sagte Jordan eher wenig. Das Geld von den Hotels „habe ich immer als Spende empfunden“. Ähnlich wie ihr Mann äußerte sich Martina Jordan zu den 64 Fällen mutmaßlicher Geldwäsche, die sie betrieben haben soll: An Strafbarkeit habe sie nie gedacht.

60 Euro Tagespauschale: Das DSAM-Orgateam 2016. | Foto: Deutscher Schachbund

Wie alle anderen ehrenamtlichen Organisationshelfer der DSAM hat Jordan eine Tagespauschale von 60 Euro vom DSB bezogen. Das Geld von den Hotels will er nicht für sich eingeplant haben. Er habe es gebraucht, um mit seinen Vereinen Kinder- und Jugendarbeit möglich zu machen, erklärte Jordan. Der Deutsche Schachbund betreibe solche Arbeit schließlich nicht. Sein Verein hätte sie betrieben – hätten nicht die Behörden im November 2019 nach der Durchsuchung die Vereinskonten eingefroren.

Im Verlauf des ersten Verhandlungstages kam heraus, dass die Behörden mit ihrem Vermögensarrest gegen Jordan zunächst 179.000 Euro sichergestellt hatten, damit er sie nicht dem Zugriff der Strafverfolger entziehen kann. Mehr als 100.000 Euro sind weiterhin eingefroren.

Jordan, seit 2009 Träger der goldenen Ehrennadel des DSB, gab an, in den zur Verhandlung stehenden Jahren beim Verband nie nach Nebenabrechnungen mit Hotels gefragt worden zu sein. Er habe auch nie davon berichtet. Das Präsidium habe von seiner Regelung mit den Hotels gewusst. „Darüber gibt es sogar ein Protokoll“, sagte Jordan auf Nachfrage von Richter Thomas Hassler.

Marcus Fenner, ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds. | Foto via DSB

Dem widersprach der als Zeuge geladene Marcus Fenner, ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds: „Es gibt keinerlei Hinweis in einem Präsidiumsprotokoll. Ich habe mir sämtliche Protokolle angeschaut.”

Fenners Nachfolgerin Anja Gering, langjährige DSB-Mitarbeiterin, erklärte ebenfalls, sie habe von Jordans Absprachen nicht gewusst. Sie sei enttäuscht gewesen, so Gering. Jordan sei bewusst gewesen, mit welch knappen Mitteln der DSB-Wirtschaftsdienst habe auskommen müssen. Das zusätzliche Geld aus der DSAM hätte der DSB nach Gerings Einschätzung gut gebrauchen können.

Fenner erklärte, ihm sei die DSAM suspekt vorgekommen, weil ihm die Verträge aus DSB-Sicht schlecht verhandelt erschienen seien: keine Freizimmer, keine anderen Vorzüge für den Verband – ein Auslöser für den Verdacht auf Nebenabsprachen, der im April 2018 aufkam. Aber solche Absprachen haben laut Fenner Jordan ebenso wie die Verantwortlichen der Hotels gegenüber dem DSB wiederholt bestritten. Mutmaßlich aus diesem Grund hat der DSB neben der Hauptsache gegen Dirk Jordan auch Verfahren gegen mehrere Hotels angestrengt.

Im Juli 2018 war es das H4-Hotel in Hamburg-Bergedorf gewesen, das anlässlich der ebenfalls von Jordan organisierten Deutschen Seniorenmeisterschaft gegenüber dem DSB nicht mauerte, sondern seine Verabredung mit Jordan offenbarte. Speziell bei den Schachsenioren stand seinerzeit die DSB-Spitze für ihr harsches Vorgehen gegen den beliebten Organisator in der Kritik. Nicht nur der damalige Seniorenreferent Gerhard Meiwald sagte gemäß einem ChessBase-Bericht, es sei ein „offenes Geheimnis“, dass Jordan mit der DSAM Geld verdient.

“Werden das Geld zeitnah erstatten”: DSB-Schreiben an die Teilnehmer:innen der Seniorenmeisterschaft im Juli 2018.

Gegen Ende des ersten Verhandlungstags benannte Jordans Verteidiger Christian Holtermann einen weiteren Zeugen, der bestätigen soll, dass das DSB-Präsidium von Jordans Vorgehen wusste: Walter Rädler, der Vizepräsident Verbandsentwicklung war, als im April 2018 beim DSB der Verdacht aufkam, Jordan könne mit der DSAM in die eigene Tasche wirtschaften. Neben Rädler werden zwei weitere Zeugen aussagen: Jörg Schulz, seinerzeit DSJ-Geschäftsführer, und Klaus Deventer, seinerzeit Stellvertreter des DSB-Präsidenten.

Am Gründonnerstag geht es mit diesen drei und womöglich noch anderen Zeugen weiter. Sollte in zwei Wochen ein Urteil fallen, wird das den seit 2019 ruhenden Zivilprozess gegen Jordan und dessen Vereine wieder in Gang setzen.

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BaronvonSchöntau
BaronvonSchöntau
1 Jahr zuvor

Vor zehn Jahren habe ich – was doch Schachspieler nicht alles tun – einmal beim Ramada-Cup teilgenommen. Ein kluger Freund, den ich fragte, ob er mitspielen will, sagt: Nö, da geht’s doch nur darum, dass sich Hotels und Veranstalter wechselseitig die Taschen vollstopfen. Ich hab’s naiv und schachselig doch gemacht. Beim Finalturnier in Kassel ist mir dann die hölzerne, selbstgefällige und im Grunde sichtbar desinteressierte Haltung und Sprechweise des Herrn Jordan aufgefallen. Unerträglich z. B. die Siegerehrung. Er redete, als säßen Unmündige vor ihm. Vielleicht hatte er ja recht mit dieser Einschätzung. Ich weiß, dass die Erzählung einer solchen Erfahrung… Weiterlesen »

Thorsten
Thorsten
1 Jahr zuvor

Hornberger Schießen. Natürlich wussten viele Funktionäre, dass Jordan Geld verdient mit der DSAM. Wer weiß ich nicht und die werden nicht Schlange stehen, um hier zu rufen. Vielleicht wussten sie nicht wie lukrativ das Geschäftsmodell Jordan war. Natürlich wusste Jordan, dass er etwas Illegales, mindestens illegitimes, betreibt. Warum sonst die Vereins-Konstruktionen? Es gibt noch die Frage der möglicherweise fälligen Steuern, falls er mit seinen Schachaktivitäten als Gewerbetreibender angesehen werden muss. Aber: Der Schachbund wird keinen Cent bekommen aus der Konstruktion. Wie sieht es eigentlich beim Maritim und den zwei Gipfeln dort aus? Haben Fenner/Krause Zimmer ausgehandelt für den DSB? Gab… Weiterlesen »

peters
peters
1 Jahr zuvor

Mich erinnert die Sache Jordan immer mehr an Franz Beckenbauer. Dieser hat 2006 die Fussball-WM nach Deutschland geholt, aber alle im Glauben gelassen, er arbeite ehrenamtlich. Nach und nach kam raus, dass da einige Millionen versickert sind, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in seine private Tasche. Und Korruption und Bestechungen ohne Ende. Hat ihn nicht ein ärztliches Gutachen vor einer Gerichtsverhandlung gerettet? Und Ermittler, die eine langjährige Frist verstreichen liessen? Man war 2006 froh, dass es eine tolle Veranstaltung gab, aber Beckenbauer hat uns allen den Stinkefinger gezeigt, eigentlich tut er das bis heute. Jordan hat auch ganz sicher tolle Veranstaltungen gemacht,… Weiterlesen »

von und aus dem Walde
von und aus dem Walde
1 Jahr zuvor

Anscheined konnte man mit der von Hernn Jordan organiserten Turnierserie damals, wenn auch nicht reich werden, aber immerhin profitabel arbeiten.

Vor dem Hintergrund der Finanzmisere des Deutschen Schachbunds wäre es mal interessant, wie sich das heute darstellt. Bringt die DSAM dem Schachbund Einnahmen, eine schwarze Null oder ist sie ein Zuschussgeschäft?

bintolerant
bintolerant
1 Jahr zuvor

Bin Schacheinsteiger und wollte in einen Schachverein eintreten.Wenn ich das hier alles lese,möchte ich solche Organisationen mit offensichtlich korrupten Strukturen nicht mit Mitgliedsbeiträgen unterstützen.Da spiele ich lieber online.

trackback

[…] Vertagt: kein Urteil im Fall Jordan […]

Walter Rädler
Walter Rädler
1 Jahr zuvor

Bin am Donnerstag nicht vor Ort, da ich in Portugal schon seit Monaten einen Urlaub gebucht habe. Das hat mein Anwalt auch dem Gericht mitgeteilt. Ich bin dann einmal weg!

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Sehr interessant, sehr nett berichtet, der hiesige werte Inhaltegeber weiß sozusagen alles.
Ansonsten könnte das mit dem “offenen Geheimnis” stimmen, ich selbst habe Herrn Dr. Jordan als freundlichen Menschen und Schachliebhaber kennengelernt, war auch mal in seiner ostdeutschen (Geht dieser Begriff hier?) Wohnung im sog. Plattenbau, sofern ich mich korrekt erinnere, was der Fall sein könnte.
Herr Dr. Jordan hat sehr viel für das Schach getan.
Zu strafrechtlich relevantem Tun habe ich keine Meinung, warte weiteren Bericht ab.
Mit freundlichen Grüßen, mit freundlichen Schachgrüßen, “Gut Holz!” (Geht diese Formel?) und so
Ludger Keitlinghaus

Raik Schirmer
Raik Schirmer
1 Jahr zuvor

Ich kann mir echt nicht vorstellen, daß der DSB nichts von solch völlig üblichen Nebenabreden (wenn es um solche Größenordnungen geht) wußte, völlig unabhängig von Protokollen etc.
Einfache Anwendung der Logik, des Nachdenkens hätte da gereicht, was für Schachspieler eigentlich ein MUSS sein sollte ❗

Matthias
Matthias
1 Jahr zuvor

Warum soll jemand, der sich damit die ganze Arbeit macht, nicht auch etwas davon haben?
Naja, nun ist der DSB selbst pleite.
Deutschland und seine Schachfunktionäre. Ein Trauerspiel. Zum Fremdschämen.
Beim uns im Schachbezirk sind sie auch mal vor Gericht gezogen: Weil bei einem Mannschaftskampf festgestellt wurde, dass eine Meldefrist nicht ganz genau eingehalten wurde. 🙂