Giri gehackt

Der Twitter-Account von Anish Giri war am frühen Sonntagmorgen für etwa eine Stunde unter fremder Kontrolle. Der Hacker oder die Hackerin nutzte die Gelegenheit, öffentlich aus den privaten Nachrichten Giris zu zitieren, diverse Kollegen des Elitegroßmeisters mit Andeutungen über Drogenkonsum oder sexuelle Neigungen zu diskreditieren und die Telefonnummern einiger Schachmeister inklusive der von Giri selbst zu verbreiten. Offenbar hat Giris Account unter fremder Kontrolle auch mehrere anstößige Privatnachrichten versandt.

Der Spuk begann damit, dass Giris Profil ihn plötzlich als holländische Nummer zwei auswies. Bald zeigte sein Profilbild obendrein das Antlitz von Sergey Karjakin. Es folgte im Abstand von jeweils wenigen Minuten eine Serie von Tweets, beginnend mit diesem, der zwar mittlerweile gelöscht ist, den aber Carlsens Chefsekundant Peter Heine Nielsen öffentlich gemacht hat:

Auf eine Antwort, ob er mehr offenbaren soll, wartete der Hacker nicht. Der folgenden Reihe von Screenshots aus Giris Nachrichten (die dieser Seite vorliegt) ließ sich unter anderem entnehmen, dass Giri und Hikaru Nakamura sich intensiv über das drohende Verbot, die Logos ihrer Sponsoren beim Grand Prix zu zeigen, ausgetauscht haben.

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Der schachliche Part dieses Austauschs erscheint authentisch zu sein. Nakamura bestätigt im Wesentlichen, was FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich in der Grand-Prix-Pressekonferenz auf Nachfrage dieser Seite erklärt hat: Die Spieler sollten sich verpflichten, der FIDE bei der PR für ihr „Jahr der Frauen“ zu helfen, im Gegenzug könnten sie ihre Sponsoren beim Grand Prix präsentieren. Allerdings waren Teile des Wortlauts gezielt verändert, um Nakamuras Image zu beschädigen. Der Hacker suggerierte, Nakamura bediene sich hinter den Kulissen eines grob rassistisch gefärbten Slangs.

Erst Giri-, dann Carlsen-Helfer: Jorden van Foreest (links). | Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess

Weite Teile der ins Licht der Öffentlichkeit gezerrten Privatnachrichten zeigen einen bis dahin unbekannten Konflikt zwischen Anish Giri und Magnus Carlsen. Anish Giri hat die Existenz dieses Konflikts jetzt bestätigt. Im Zentrum steht sein Landsmann Jorden van Foreest, die niederländische Nummer zwei.

Van Foreest hat im vergangenen Jahr erst Anish Giri als Sekundant zugearbeitet, um Giri aufs Kandidatenturnier vorzubereiten. Später wurde er Teil des Teams Carlsen, das den Weltmeister für seine Titelverteidigung gegen Ian Nepomniachtchi präparierte. Giri wirft nun Team Carlsen vor, seine Kandidaten-Vorbereitung für das WM-Match genutzt zu haben, und fordert eine Kompensation. Peter Heine Nielsen bestreitet, dass Giris Repertoire eine Rolle bei der WM-Vorbereitung gespielt hat.

https://twitter.com/SergeyKaryakin/status/1492792839985680390
Karjakin war es nicht.

Während dem falschen Twitter-Giri nach einer Stunde die Ideen ausgingen, was außer Anzüglichkeiten und “Karjakin” sich noch twittern ließe, wurde der echte Giri aus dem Schlaf geklingelt. Gegen 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit übernahm er die Kontrolle über seinen Account, löschte die falschen Nachrichten, entfernte den Karjakin und teilte mit, dieses sein ein „Hack“ gewesen.

https://twitter.com/anishgiri/status/1492784271332974592

Unter denen, die Nachrichten vom falschen Giri bekommen hatten und deren Telefonnummer der Hacker verbreitete, war auch der weltgrößte Schach-YouTuber Levy Rozman. Mister “Gotham Chess” sicherte sogleich seine Accounts und wechselte seine Telefonnummer.

In Mitteleuropa hat es kaum jemand mitbekommen, in Indien verfolgte und debattierte derweil ein großer Teil der Schachszene das neueste Schachdrama. Der Hashtag #Anish schaffte es sogar bis auf Rang acht der indischen Twitter-Trends.

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Westfalia
Westfalia
2 Jahre zuvor

Naja, ob es wirklich ein Hacker war, würde ich mindestens hinterfragen