Jürgen, Head of Arbeitsgruppe

Je mehr Projekte unser Deutscher (!) Schachbund ins Leben ruft, desto mehr fällt auf, dass ausgerechnet das Leuchtturmprojekt inkonsistent benannt ist. Wieso “Schachgipfel”? Offensichtlich müsste es “German Chess Summit” heißen. Das würde ins picture passen, das der DSB zuletzt gepaintet hat.

Vor knapp einem Jahr war es in erster Linie komisch, als beim Deutschen (!) Schachbund die Leiter von Arbeitsgruppen plötzlich “Head of Arbeitsgruppe” hießen. In DSB-Protokollen führte diese Affigkeit zu Bonmots wie “Jürgen ist Head of dieser Arbeitsgruppe”. Ob Jürgens Head vor Peinlichberührtsein rot angelaufen ist, als er das gelesen hat?

Ein komischer Ausrutscher war der “Head of dieser Arbeitsgruppe” nicht, sondern ein erster Schritt auf dem Denglisch Way, der fortan weiter beschritten wurde: Als wenig später die deutschen (!) Kader einen Wettkampf spielten, hieß das nicht “Wettkampf”, sondern “Challenge”. Nicht “Squad Challenge” allerdings, was konsequent gewesen wäre, sondern “Kader-Challenge”.

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Zwischen Mastdarm und Masturbation

Mittlerweile sind die deutschen Wörter vollständig abgeschafft und die Fantasie bei der Namensfindung gleich mit. Die hoffnungsvollsten jungen deutschen (!) Spielerinnen heißen jetzt “Powergirls”, die hoffnungsvollsten jungen deutschen (!) Spieler beiderlei Geschlechts “Rising Stars”. Ob sich demnächst eine neue “Princegroup” dazugesellt?

Powergirls, ts. Wäre es wenigstens ein überraschender, prägnanter, ein verspielter oder nach Ambition riechender Name gewesen. Vielleicht sogar etwas, das mit Schach zu tun hat? Stattdessen greift jemand in die Klischeeschublade und nimmt den ersten Begriff, der ihm in die Finger kommt.

“Powergirls”. Diese Nicht-Idee aus der Klischeeschublade haben schon ein paar andere Leute gehabt.

Über dieser Einfallslosigkeit steht die Sache mit der Deutschen Meisterschaft, die wir nicht haben, zumindest keine, die diesen Namen verdient. Die besten deutschen Spieler ermitteln ihren Meister im “Masters”, ein im deutschen Wörterbuch zwischen Mastdarm und Masturbation verortetes Kunstwort aus dem Profi-Sport, das zwar englisch klingt, das es aber im Englischen nicht gibt. Der Angelsachse findet in seinem Cambridge Dictionary nur den “Master”, und der wird wegen seiner unheilvollen Vergangenheit mehr und mehr geächtet.

Für den Gipfel müssten unsere Verantwortlichen gar kein Blender-Kunstwort wie “Masters” finden oder konstruieren.

In der britischen Schachpresse heißt unser Gipfel längst “Summit”.

“Summit”! Das heißt tatsächlich Gipfel, das steht so im Wörterbuch, und die an der DSB-Spitze ersehnte Professionalität, sogar die ersehnte Wichtigkeit verströmt der Begriff obendrein, ohne aufgeblasen zu wirken. “German Chess Summit” müsste es heißen, eigentlich ein Kein-Gehirner.

Gleichwohl wäre es von unserem planning staff fehlgeleitet und überhastet, seine Leuchtturmveranstaltung schlechthin unmittelbar in “Summit” umzubennen.

Wie exklusiv berichtet, steht der Gipfel vor einem Neuanfang, nachdem in diesem Jahr erstmals die städtische Unterstützung aus Magdeburg weggebrochen ist. Schon für die 2022er-Auflage stand ein Umzug des zentralen Schachfests zur Debatte. Andererseits standen der Deutsche Schachbund und sein leitender AngestChief Executive Officer unter dem Druck der Schachsenioren, möglichst bald Ort und Termin zu verkünden:

Ort und Termin sind jetzt verkündet. Der Gipfel bleibt in Magdeburg im Maritim, vom 11. bis 21. August 2022 wird das deutsche Schach seine Meister und Master ermitteln, und es werden aller Voraussicht nach wieder Zuschauer zugelassen und willkommen sein. Geplant ist nach Angaben des DSB, das Finale der Amateurmeisterschaften in den Gipfel zu integrieren.

Nachdem noch vor wenigen Tagen offen erschien, wie es mit dem Gipfel weitergeht, wird jetzt die überraschend frühe Ankündigung des Gipfels 2022 in Magdeburg der Forderung der Senioren gerecht, bis spätestens Ende September 2021 Planungssicherheit für 2022 herzustellen. Ob das dazu führt, dass die umworbenen Senioren mit ihren 4.000 Hotel-Übernachtungen in Magdeburg mitspielen oder, wie angekündigt/-droht, wieder nach Radebeul abzuwandern, ist gleichwohl unklar. Es stehe noch nicht fest, ob und welche Seniorenmeisterschaften Teil des Gipfels werden, teilte Senioren-Referent Wolfgang Block auf Anfrage dieser Seite mit.

Die Amateure sollen 2022 ihr Finale als Teil des Gipfels spielen. | Foto: Arne Jachmann/DSB

Im DSB-Umfeld wird derweil erzählt, dass erneut UKA bereitsteht, den Gipfel 2022 als Hauptsponsor zu unterstützen. In diesem Jahr war das Unternehmen nach eigener Wahrnehmung kurzfristig eingesprungen, um den Gipfel auch ohne Geld von der Stadt möglich zu machen, dem Vernehmen nach mit 40.000 Euro. Unter ähnlichen Umständen ergibt es Sinn, 2022 den Gipfel noch einmal als solchen laufen zu lassen. Es wird ja kein neuer Impuls benötigt, die Veranstaltung steht.

Der Schachbund will nach eigener Darstellung seinen Gipfel künftig, wie es ursprünglich geplant war, als Produkt behandeln, das es zu vermarkten gilt, ein Produkt, das nach Möglichkeit einen Wettbewerb unter potenziellen Ausrichtern auslöst. Aber das wird 2023 schwieriger, da pandemiebedingt kaum noch an kommunale Mittel zu kommen ist.

Vielleicht hilft es, wenn der Gipfel einen richtig coolen Namen trägt? “German Chess Summit 2023”! Das wäre ein Powermove unserer Federation.

Wenn der Human Resources Manager den City Call auf seinem Handy beendet und am Service Point nach dem Rail&Fly-Ticket fragt: Wolf Schneiders Plädoyer gegen die deutsche Affenliebe zum Englischen.
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Christoph
Christoph
2 Jahre zuvor

Da koennte man jetzt aber auch ganz provokant fragen warum der Beitrag unter “Longreads” und nicht unter “Bits and Pieces” veroeffentlicht wurde.

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