Das erfolgreichste Spitzensport-Projekt der 2000er-Jahre soll eine Neuauflage erfahren. Mehr als fünf Jahre nach dem Ende der „Schachprinzen“ kündigt DSB-Präsident Ullrich Krause jetzt in seinem Wahlprogramm an, er wolle wieder eine „Prinzengruppe“ einrichten. Und mehr als das. Außerdem folgt Krause einem Vorschlag, den die deutsche Spitzenspielerin Elisabeth Pähtz vor zwei Jahren im Gespräch mit dieser Seite gemacht hat: Auch eine „Prinzessinnengruppe“ soll es geben.
Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Rasmus Svane und Dennis Wagner waren die männlichen Mitglieder der ersten Prinzengruppe, die in den Jahren nach 2008 besonders intensiv gefördert wurden. Alle vier wurden starke Großmeister, deren schachliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Bislang ist Wagner der Einzige aus diesem Quartett, der die 2600 Elo nicht überschritten hat. Donchenko und Svane sind Profis, Matthias Blübaum als deutsche Nummer eins schwankt, ob er nach Abschluss seines Mathematikstudiums auf die Profi-Karte setzen soll.

Hanna Marie Klek und Filiz Osmanodja waren die weiblichen Prinzen. Beide schafften den WGM-Titel und vordere Platzierungen bei internationalen Jugendmeisterschaften, aber beide kamen nicht in die Nähe der Pähtzschen Spielstärke, die eine Profikarriere zu einer realistischen Option machen würde.
Die Arbeit in der Prinzengruppe lief über fast sechs Jahre. Nachdem die Gruppe 2008 gegründet worden war, arbeiteten deren Mitglieder ab 2010 kontinuierlich gemeinsam und mit externen Coaches, darunter Alexander Khalifman, Zoltan Ribli und Yochanan Afek. Auch Daniel Fridman war an der Ausbildung beteiligt, dazu einige der angesehensten A-Trainer des DSB: Michael Prusikin, David Lobzhanidze und Roman Vidonyak coachten die „Prinzen“ bei Welt- und Europameisterschaften.
Ziel des Projekts war, aus den hoffnungsvollsten Nachwuchskräften Nationalspieler zu formen. Im Januar 2016 endete das Prinzen-Programm.
Bei den Jungs ist die Zeit günstig, das Projekt neu aufzulegen. Im deutschen Schach wächst speziell im Jahrgang der 12- und 13-Jährigen einiges heran: Marius Deuer, Leonardo Costa, Sreyas Payappat kamen auf dieser Seite schon vor, und es kann gut sein, dass in diesem Jahrgang weitere Jungs aus Großmeistermaterial geschnitzt sind.


Allerdings müsste im Fall Sreyas Payappat vor dem Eintritt in die Prinzengruppe erst die Föderationszugehörigkeit geklärt werden. Sreyas lebt mit seiner Familie in Hannover, wo sie ihn „Mini-Anand“ nennen. Er spielt für den HSK Lister Turm und wird dort gefördert, gewann 2020 die Deutsche U12-Meisterschaft – und ist doch ein Inder.
Hinsichtlich Einladungen zu Turnieren in Mitteleuropa ist seine Zugehörigkeit zur indischen Föderation sogar ein Vorteil: Norm-Turniere erfordern eine Quote von Spielern unterschiedlicher Nationalitäten. Aber hinsichtlich einer Förderung in der deutschen Prinzengruppe wäre die indische Flagge hinter seinem Namen wahrscheinlich ein Problem.

Bei den Mädchen kommt die Prinzessinnengruppe deutlich zu spät. Jana Schneider (seit dem Mitropa-Cup die neue deutsche Nummer zwei nach DWZ), Annmarie Mütsch, Lara Schulze, Fiona Sieber (alle nicht Genannten mögen verzeihen) wären nicht erst seit Mütschs Gewinn der U16-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren Kandidatinnen für besondere Förderung. Ein Quartett mit ähnlichem Potenzial kristallisiert sich in jüngeren Jahrgängen noch nicht heraus.
Das ist eine gute Idee, gut angelegtes Geld
Absolut sinnvoll!
Dem kann ich mich vollumfänglich anschließen. Zu meiner Freude ein Bericht ohne Zutaten.
2 Fragen am Rande:
Was ich gerne noch wüsste: Warum wurde “das erfolgreichste Spitzensport-Projekt der 2000er-Jahre” (volle Zustimmung!) seinerzeit eigentlich eingestellt?
Es gab ja, siehe hier in den Kommentaren, 2013 eine Nachfolgegruppe, die “Juniorprinzen”. Erst scheint die versandet zu sein, dann das ganze Projekt. Keine Ahnung, woran es lag.
Es ist ja nicht so – auch wenn der Eindruck vielleicht entsteht – dass es sonst keine Förderung gibt: Es gibt Landeskader (im bayerischen auch einige aus meinem Verein). Es gibt den Bundeskader – im DC-Kader Deuer, Costa und 12 andere (Sreyas Payappat nicht, auch dafür müsste er wohl Schachdeutscher werden). “Prinzen” ist dann noch eine Stufe höher, für einen kleineren Kreis, nur sinnvoll wenn sich Spieler dafür empfehlen. Auf allen Ebenen kann es sein, dass Spieler wieder ausscheiden – freiwillig oder weil sie die Erwartungen bezüglich Leistung/Fortschritte, Motivation, Verhalten in der Gruppe usw. nicht (mehr) erfüllen. Letzteres wird dann… Weiterlesen »
[…] ist insbesondere die Meistergruppe von Interesse. Ein Großteil des potenziellen nächsten Prinzen-Jahrgangs hat sich dort versammelt, außerdem zwei der besten Schachspielerinnen, die wir haben. Und die […]
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[…] Die Prinzen sind tot, es leben die Prinzen […]
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Diese Initiative kommt allerdings um Jahre zu spät, insbesondere für den Bereich der jungen Mädchen. Scheint so, als wolle Herr Krause damit im Wahlkampf punkten.
Selbstverständlich will er das. Kann man ihm das vorwerfen oder wird die Initiative dadurch verkehrt? Wohl kaum.
Diese Initiative kommt spät – aber besser spät als nie.
Bei den Mädchen hat die Initiative einen starken Jahrgang verpasst: Schneider, Mütsch, Schulze, Sieber wären vor ein paar Jahren eine tolle Gruppe gewesen. Jetzt frag’ ich mich, ob man eine Prinzessinnengruppe erzwingen muss, wenn man keine Prinzessin mit 2500-Potenzial hat. Außerdem gebietet die Verantwortung für die Mitglieder solcher Gruppen, dass ab einem gewissen Alter über berufliche Perspektive reflektiert wird. Du kannst nicht junge Leute anhalten, jede Menge Lebenszeit ins Schach zu stecken, wenn die Chance recht groß ist, dass es für Schach als Beruf nicht reichen wird. Mit Wahlkampf hat das nicht so viel zu tun. Vielleicht ist das ein… Weiterlesen »
Im Sinne der Berufsqualifikation ließe sich die Gruppe um die Ausbildung einer gewissen Medienkompetenz erweitern. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung finden viele Schachspieler*innen Verdienstmöglichkeiten in der Übertragung, der Kommentierung und der Selbstinszenierung auf den diversen Plattformen. Aber das nur ein Gedanke der mir dazu gekommen ist 😉
Schach als Beruf wäre wohl auch für Schneider/Mütsch/Schulze/Sieber eher unrealistisch – da sehe ich auch bei stärkerer Förderung vor einigen Jahren nicht unbedingt 2500-Potenzial [Paehtz war nur ab und zu mal in dieser Elo-Region].
Auch Streaming und andere Selbstinszenierung im Internet ist wohl eher Hobby mit gewissen Einnahmen als finanziell tragfähiger Beruf, außer man heißt Hikaru Nakamura. Es gibt inzwischen einfach zu viele.
Diese Förderung darf nicht zu Lasten von Schulausbildung gehen. Nach dem Abitur (oder einem anderen Abschluss) ist früh genug um zu entscheiden, ob man ein Dasein als Schachprofi anstrebt oder jedenfalls vorübergehend versucht.
Guido Springer hat bei “Mein Club: Unbezahlbar!” von anderen Selbsterfahrungen berichtet.Vielleicht sollte man Möglichkeiten finden die Erfahrungen bezüglich Schachlehrer als Beruf zu kommunizieren, so dass andere darauf aufbauen können. Diese Informationsweitergabe könnte auch honoriert werden, damit da richtig Schwung reinkommt.
Medienschulung und Ausbildung zum Schachlehrer ist doch ne ganz andere Abteilung als Eliteförderung. Die Prinzengruppe gab es (und wird es geben), um Talente gezielt zu so starken Spielern/Spielerinnen zu machen wie möglich. Da sind erstmal Scheuklappen gefragt. So ein Programm kannste nicht mit anderen Sachen verwässern, dann kannst du es auch lassen. Wahr ist, dass die besten deutschen Schachspieler medial ein Riesendefizit haben. Dass ein Fridman oder Nisi komplett unsichtbar sind, anstatt ihre Marke aufzubauen, geschenkt. Aber bei einem Donchenko oder von mir aus auch Kollars, die am Anfang stehen, find ich das unbegreiflich. Mit denen hat nie jemand darüber… Weiterlesen »