(Aktualisierung, 15. September: Allem Anschein nach hat Aufsteiger SC Heusenstamm zwischenzeitlich seine Mannschaft aus der zweiten Liga zurückgezogen, siehe Kommentarspalte unter diesem Beitrag. Ob er sein Aufstiegsrecht wahrnimmt oder in die Oberliga zurückgeht wie der SV Hockenheim ist offen. Sobald Näheres bekannt ist, wird es in diesen Beitrag eingearbeitet, oder es erscheint ein separater Beitrag.)
Das Aachener Modell würde für Bundesliga-Aufsteiger SC Heusenstamm nicht funktionieren: Die Aufstiegstruppe beieinander halten, die Kosten irgendwie gemeinschaftlich schultern und dann ein Jahr lang ohne Verstärkungen das Abenteuer “stärkste Liga der Welt” genießen, bevor es wieder abwärts geht.
Christian Seel, Spitzenbrett des abgeschlagenen Tabellenletzten aus Aachen, hat seine Bundesliga-Attitüde und die seiner Mitspieler vor einem Jahr im Gespräch mit dieser Seite erläutert:
Der Unterschied zwischen Aachen und Heusenstamm: Die Aachener sind eine reine Amateurmannschaft, die einzige in der ersten Liga. Auch unter den Spitzenmannschaften der zweiten Ligen wären sie als Hobbyschachspieler Exoten (und werden es in der kommenden Saison voraussichtlich wieder sein). Heusenstamm dagegen schickt mehrheitlich Profis ans Brett. Und die haben der ersten Mannschaft jetzt einen denkbar knappen Aufstieg ins Oberhaus des deutschen Schachs beschert.
Die Freude im Verein darüber ist groß, wahrscheinlich würden sich die Heusenstammer nur zu gern mit den Baden-Badener und Viernheimer Platzhirschen messen. Aber den Profis auch in ersten Liga ihr Honorar zu bezahlen, höhere Übernachtungs- und Reisekosten noch dazu, und trotzdem damit rechnen zu müssen abzusteigen, empfindet Vereinschef und Mannschaftsführer Rudolf Benninger nicht als prickelnde Perspektive.
Das erklärte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die ihren Lesern jetzt den potenziell einzigen hessischen Erstligisten vorgestellt hat. Um in der ersten Liga zu bestehen, müssten weitere Profis her, nach Möglichkeit solche aus der 2600-Abteilung. Aber das würde die Angelegenheit noch einmal teurer machen.
Die zu einigen Vereinen oft gehörte Unterstellung, eine reine Legionärsmannschaft ohne Identifikation mit dem Verein zusammengekauft zu haben, trifft auf Heusenstamm nicht zu. “Motiviert bis in die Haarspitzen” sei die Truppe zu Beginn der Aufstiegssaison 2019-21 gewesen, erklärt Benninger.
Woher das kommt, lässt sich dem Aufstiegsbeitrag auf der Vereinshomepage entnehmen. Dem vor sieben Jahren noch in der Hessenliga spielenden Club ist es über sein Open gelungen, im Lauf des sportlichen Aufstiegs sportliche Spitzenkräfte für sich einzunehmen und an sich zu binden.
Während die erste Mannschaft durch die Ligen marschierte, wuchs das Sparkassen-Open, das der Club seit 2015 als solches ausrichtet. Zuletzt (2019) kamen 500 Schachspieler nach Heusenstamm. Zu dieser Entwicklung gibt es in der deutschen Vereinslandschaft eine Parallele, die zu den Schachfreunden Deizisau mit ihrem Neckar-Open, dem Vorgänger des Grenke-Opens. Ohne dieses Turnier, das in den 2010er-Jahren zum größten deutschen Open avancierte, wäre heute nicht knapp ein Viertel der Deizisauer Vereinsmitglieder Großmeister, wäre der Verein nicht durch die Ligen marschiert und wäre jetzt schon gar nicht Europapokalsieger und deutscher Pokalsieger.
Sponsoren gesucht
SF-Deizisau-Chef Sven Noppes hat unlängst im Gespräch mit Sebastian Siebrecht auf Schachdeutschland TV die mit dem Neckar-Open verbundene Deizisauer Wachstumsgeschichte erzählt:
Jetzt erscheint es nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich die Wege trennen, eine Frage des Geldes. Auf der Vereinshomepage hat der SC Heusenstamm einen Aufruf, dem Neu-Bundesligisten als Sponsor zu helfen, veröffentlicht, nicht prominent, fast schon verschämt weit hinten im oben verlinkten Beitrag.
Gegenüber der FAZ stellt Benninger infrage, ob es dem SC Heusenstamm möglich sein wird, sein Aufstiegsrecht wahrzunehmen und in der Saison 2021/22 ganz oben nicht nur dabei zu sein, sondern als sportlicher Konkurrent mitzuspielen: “Ohne neue, größere Sponsoren kann der Klub nicht an der ersten Liga teilnehmen.” Feste Zusagen dafür habe er noch nicht.
Wenn sich potentielle Aufsteiger in die Bundesliga in die Oberliga zurückziehen oder auf das Aufstiegesrecht verzichten, dann stimmt doch etwas am System nicht. Im Grunde genommen sind in der Bundesliga zu viele Vereine.
Der Sprung von der zweiten Liga in die erste Liga ist dadurch sehr groß. Statt 9 Spiele sind es plötzlich 15 Spiele. Damit steigen die Kosten um 66 %, ohne dass man höhere Reisekosten etc. eingerechnet hat. Dann hat man aber noch nicht einmal die Mannschaft verstärkt.
Kommt der Artikel nicht etwas spät? Jetzt, da Heusenstamm ja seinen Rückzug erklärt hat…
Wenn man sich erstmal Pleite gespielt hat und sich Sponsor oder Mäzen zurückgezogen haben, ist der Absturz oft tief. Ein weiter so darf es nicht geben wenn man solide Funktionärsarbeit leisten möchte, oder sich lieber einen Sonnenbrand im blendenden Sonnenlicht holen will. Nachhaltigkeit ist in unserem Sport ein Fremdwort, man bedient sich aus dem obersten Regal. Ich kann die Vereine nur beglückwünschen die nur so hoch Spielen wie sie dass aus eigenen mitteln Stemmen können. Die jetzige Debatte um Heusenstamm ist nicht die erste und nicht die letzte , morgen spricht keiner über Heusenstamm. Gibt es eine Statistik wie viele… Weiterlesen »
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