Den norwegischen Schachverband Sjakkforbundet erwartet ein nie dagewesener Geldsegen: eine Million Euro jährlich fünf Jahre lang vom Glücksspielkonzern Kindred Group. Nicht ohne Gegenleistung allerdings: Norwegens Verband würde sich fünf Jahre lang zum Glücksspiel-Lobbyisten machen müssen. Und so steht vor dem Geldsegen, wenn die Norweger ihn den wollen, eine intensive, kontroverse Debatte, bevor beim norwegischen Schachkongress am 7. Juli eine Entscheidung fällt.
Die Führungsriege des Verbands ist sich schon einig: “Das beste Kooperationsabkommen, das das norwegische Schach je geschlossen hat”, teilte Sjakkforbundet jetzt mit. Aber nun, da das geplante Abkommen öffentlich ist, deutet sich an, dass es auf eine Zerreißprobe hinauslaufen könnte. „Eine massive Kontroverse“ sieht Großmeister und Journalist Jonathan Tisdall kommmen. Torstein Bae, Schachexperte des norwegischen Rundfunks, sagt: „Schach hat sich in den vergangenen 10, 15 Jahren einen guten Namen gemacht. In erster Linie durch Magnus Carlsen, aber auch durch viele andere. Diesen Namen für einen kurzfristigen Geldsegen zu verkaufen, ist traurig.“
Schon seit Herbst 2018 laufen Verhandlungen. Auf Seiten der Schächer ist sogar schon geplant, wie das Geld verwendet werden soll. 200.000 Euro jährlich sollen etwa an Vereine und lokale Schachveranstaltungen fließen, 150.000 in Projekte, um das norwegische Schach weiterzuentwickeln oder 150.000 in die Kasse, um die Finanzen des Verbands auf eine gesündere Basis zu stellen.
Im Gegenzug muss der Schachverband an mehreren politischen Veranstaltungen teilnehmen, um für die Kindred-Agenda zu werben. Kontakte und Netzwerke des Schachverbands will der Konzern für seine Sache nutzen dürfen. Außerdem muss der Verband an Veranstaltungen teilnehmen, wenn diese von Kindred organisiert werden. Sportverbandschefin Berit Kjøll hat zu Protokoll gegeben, dass ihrer Meinung nach die geplante Kooperation auf versteckte Werbung für ausländische Glücksspielunternehmen hinauslaufe und als solche illegal sei. „Ist sie nicht“, sagt Schachpräsident Morten Madsen und bittet die Verantwortlichen des Sportverbands, „Zeit damit zu verbringen, sich auf den Inhalt einzulassen“.
WM-Match 2020 Teil der Vereinbarung
Auch die Weltmeisterschaft 2020 könnte betroffen sein. Laut norwegischem Rundfunk ist in den Vertragsentwurf eine WM-Klausel eingebaut, allerdings ist nicht klar, was genau die beinhaltet. Allemal haben die Organisatoren des potenziellen WM-Orts Stavanger schon bekanntgegeben, dass sie noch Geld brauchen, um das Match 2020 zu stemmen. Das gesamte Volumen des Matches soll etwa 5 Millionen Euro umfassen, 2 davon aufzubringen vom Veranstalter. Dessen Uhr steht aber erst bei 750.000, die die Stadt zugesagt hat. Schon die WM 2018 hatte der Glücksspielanbieter Unibet unterstützt, eine Kindred-Tochter.
Die Kindred Group mit Hauptsitz in Malta erwirtschaftet mit 1.400 Mitarbeitern mehr als 800 Millionen Euro Jahresumsatz. Jetzt erhofft sich die Gruppe Zugang zum streng regulierten norwegischen Markt, auf dem es bislang nur zwei Akteure in staatlicher Hand gibt: die Unternehmen Norsk Tipping und Norsk Rikstoto.
Umfrage: Mehr als drei Viertel für das Abkommen
Weil andere skandinavische Länder ihr bislang ähnlich straff angelegtes Glücksspiel-Korsett gelockert haben, Dänemark 2012, Schweden Anfang 2019, hält Kindred die Zeit für günstig, in Norwegen ähnliches anzustreben. Dass dafür manches dicke Brett wird gebohrt werden müssen, zeigt schon die geplante, auf fünf Jahre angelegte Kooperation mit dem norwegischen Schachverband, der jüngst seinen Jahresumsatz auf gut 250.000 Euro bezifferte.
Mit einer siebenstelligen Summe vor Augen haben sich die Schachfunktionäre die Argumentation von Kindred schon zu eigen gemacht, bevor die Kooperation beschlossen ist. Ein Lizenzmodell statt des gegenwärtigen Monopols würde zu höheren Steuereinnahmen für den Staat und höheren Beiträgen für Sport und Freiwilligenarbeit führen, teilt Sjakkforbundet mit. Bei einer ersten Internetumfrage zum Thema in Norwegen von der Schachzeitschrift „Mattgopatt“ haben bislang mehr als drei Viertel der Befragten für die Kooperation mit Kindred gestimmt.
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