Achtfacher deutscher Meister. 16 Jahre, Fast-Großmeister. Luis Engel ist der einzige deutsche Jugendliche, den Hans-Walter Schmitt in einem Atemzug mit Vincent Keymer nennt.
Nominell sind Engel und Keymer (14) fast gleichauf. Diesen beiden Wunderknaben traut Schmitt zu, sich erfolgreich mit der Jugend-Weltelite zu messen. Und er will ihnen die Gelegenheit geben.
Schmitts Vision für die “Youth Classic 2020”: auf der Bühne ein Rundenturnier, zehn Spieler – Keymer, Engel plus eine Jugend-Weltauswahl. Im Saal mehrere Open. 1.000 Teilnehmer insgesamt, vielleicht 1.500. Ein internationales Schachfest am Taunus.
Schmitt ist bei weitem nicht nur der Nachbar und Vertraute von Visvanathan Anand. Der ehemalige Siemens-Manager hat die “Chess Classic” in Mainz und Frankfurt gegründet und zu einem Erfolg gemacht, als Erster eine 960-Weltmeisterschaft ausgerichtet, jetzt ist er beim “Grenke Classic” mit im Boot.
Wenn so jemand etwas Neues ausheckt, dann gilt es aufzumerken. Schmitt denkt groß und ambitioniert, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass funktioniert, was er vorhat. In diesem Fall wäre das ein Turnier der Jugend-Weltelite, eingebettet in das potenziell größte Jugend-Open der Welt. Aus journalistischer Sicht ist das eine veritable Nachricht, eine Schachgeschichte von internationalem Format, für das deutsche Schach ein Knüller.
Leider versickerte der Knüller fast unbemerkt, niemand hat berichtet, es entstand keinerlei Dynamik. Und das in einer Sportart, in der gefühlt jeder Zweite in irgendeinem Zusammenhang das Etikett “Öffentlichkeitsarbeit” am Revers trägt.
Nur fehlt fast jedem von denen das Handwerkszeug, in erster Linie die Schlüsselqualifikation, Geschichten zu sehen (und sie erzählen zu können idealerweise). Oder die Kenntnis einfacher Kniffe wie dem, das Wichtigste an den Anfang einer Mitteilung zu stellen, nicht ans Ende. Von einem Konzept für Kommunikation ganz zu schweigen. Schmitts Vision und was damit seit der Veröffentlichung passiert ist, spiegelt jedes dieser Defizite trefflich.
Kniefall statt Schlagzeile
Seit dem 5. Juni steht der Plan auf der Website vom Schmitts “Chess Tigers”. Die fristet im Internet allerdings ein arg isoliertes Dasein. In der Liste der populärsten Schach-Websites steht sie sogar weit hinter dieser, das müsste nun wirklich nicht sein.
Und doch hätte ja nur ein Multiplikator auf das geplante Weltklasse-Event aufmerksam werden müssen. Dafür wäre hilfreich gewesen, die Nachricht wäre unübersehbar. Sie steht aber versteckt inmitten einer arg verquasten Mitteilung zum Youth Classic 2019.
Damit sich die Sache herumspricht, haben die Schachtiger schließlich ihre Mitteilung an ihren treuen Sponsor ChessBase geschickt. Der reagierte mit einem Kniefall statt mit einer Schlagzeile und hat erst einmal Schmitts schachliche Meriten aufgezählt, eine Aufzählung, die naturgemäß lang ausfällt, so dass die eigentliche Nachricht noch weiter nach hinten rückte. Dann noch die langweiligstmögliche Überschrift darüber anstatt einer, die neugierig macht. Tja.
“Ich habe von Schmitts Plan nichts gewusst”, sagt Franz Jittenmeier. Und das ist nicht irgendwer, sondern der Betreiber des Schach-Tickers, der täglich verlässlich alles Wissenswerte rund um das deutsche Schach tickert. “Aber ich muss natürlich von einer Sache wissen, damit sie sich auf meiner Seite wiederfinden kann”, sagt Jittenmeier.
Eine Woche lang hat jetzt niemand bemerkt, dass dort ein Ball im Feld liegt, den aufzunehmen sich lohnen würde, ein Indiz für nicht allzu stark ausgeprägten journalistischen Ehrgeiz derjenigen, die über Schach berichten. Einen Hinweis an die richtige Stelle hat auch niemand gegeben, an jemanden, der die Geschichte pfiffig aufbereitet und kontinuierlich bespielt. An chess.com zum Beispiel, das mit Macht in den deutschen Markt drängt und obendrein internationales Jugendschach fördert, weil die Praggnanandhaas und Sarins dieser Welt bei chess.com spielen.
Apropos Pragg und Sarin: Auch ChessBase India hätte die Geschichte mit Kusshand aufgegriffen. Ein Weltklasse-Jugendturnier wäre naturgemäß mit einigen Indern besetzt, außerdem ist der Organisator ein Vertrauter des indischen Volkshelden Anand, der 2020 gewiss als Magnet und Frontfigur mit von der Partie sein wird. Mehr Indien-Bezug geht kaum.
Die Zuständigkeiten im DSB-Schneckenhaus
“Neues Weltklasse-Turnier in Deutschland”, so eine Nachricht müsste sogar den Deutschen Schachbund aus seinem Schneckenhaus locken, sind doch zwei seiner Zugpferde involviert. Allerdings fragen sie sich beim Schachbund noch, wer solche Angelegenheiten betreut. Öffentlich wahrnehmbar ist der Verband kaum, an dafür Zuständigen mangelt es ihm nicht.
Der DSB hat jetzt einen Vizepräsidenten für Öffentlichkeitsarbeit, einen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit und einen Geschäftsführer, der dem Vernehmen nach Öffentlichkeitsarbeit als sein Hoheitsgebiet betrachtet. Darüber schwebt ein Präsident, bei dem erst noch einsickern muss, dass er zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als Anführer und Chef gefragt ist, weniger als Moderator. Ullrich Krause sollte das genannte Trio schleunigst sortieren und einnorden, damit es nicht mit Kompetenz- und Hierarchiefragen Zeit verschwendet, sondern sich Wichtigem zuwendet: Schach ins Gespräch bringen.
Öffi-Overkill bei der Schachjugend
Bei der Schachjugend können sie sich außer der dort üblichen Begeisterung in diesem Fall kaum etwas abschauen. Die DSJ veranstaltet gerade Deutsche Meisterschaften in Willingen. Dort sind so viele eifrige Helfer am Werk, dass darüber ein wenig Fokus und Linie verlorengehen, ein Öffi-Overkill. In ihrem Eifer haben sie so viele Kanäle aufgemacht, so viele Rubriken erdacht, dass über dem täglichen Bespielen und Füllen derselben die Gesichter des Schachs und ihre Geschichten zu wenig gezeigt und erzählt werden.
Die beiden Jugendschach-Rennpferde Vincent Keymer und Luis Engel haben sie trotzdem vor der Kamera. Wenn ein Hans-Walter Schmitt diese beiden nächstes Jahr gegen die Besten der Welt galoppieren lassen möchte, dann müssen sie natürlich befragt werden, was sie davon halten.
Ländermeisterschaft und Youth Classic: ein Konflikt
Dass das nicht passiert ist, ist allerdings weniger ein Versäumnis der Interviewer. Die wussten wahrscheinlich nicht von Schmitts Plan, weil der ja so gut versteckt ist. Das Versäumnis liegt eher bei der Marketingabteilung von Schachfirma Schmitt, die niemanden in Willingen gebeten hat, Keymer und Engel vor laufender Kamera auf die “Youth Classic” anzusprechen. Auch das wäre ein Weg gewesen, dafür zu sorgen, dass die Sache noch einmal Fahrt aufnimmt. Bei der Gelegenheit hätten beide Seiten darüber sprechen können, wie sich Jugend-Ländermeisterschaft und Youth Classic entzerren lassen. Nach jetzigem Stand kollidieren die beiden, das kann niemand wollen.
Die offenen Turniere sollen 2020 einen Rahmen für das Weltklasseturnier bilden. Damit es 2020 ordentlich voll wird, sollten schon zum “Youth Classic 2019” möglichst viele Leute kommen. Ein Jahr später bringen sie dann ihre Freunde mit.
Nur sollten die potenziellen Teilnehmer eines jungen Schachfestivals von Vincent Keymer und Luis Engel hören, was in Bad Soden geplant ist. Das hätte viel mehr Gewicht, als wenn ein alter Sack vom Bodensee davon erzählt.
[…] die weitgehend ohne Effekt im Apparat versickern. Dazu kommen Zuständigkeitsfragen. Am 14. Juni hätte Henning Geibel auf dieser Seite lesen […]
[…] international ein deutsches Lebenszeichen auszusenden, verfolgt Schmitt ja längst einen neuen Plan, wieder einen, der funktionieren würde: ein Rundenturnier mit den weltbesten Jugendlichen, zum […]
[…] Schach beinahe etwas entstanden, das wäre ein Knüller von internationalem Format gewesen: Keymer und Engel gegen den Rest der Welt – ein Rundenturnier der weltbesten Jugendlichen, eingebettet in ein (Jugend-)schachfestival. […]