Marshall verprügeln II

Der Beitrag mit den Trainingsfragen, zu denen es hier die Antworten gibt:

Antwort 4:

Schwarz hätte erst seinen Bauern auf d5 mittels …e6 (Damengambit) oder …c6 (Slawisch) stützen sollen, bevor er eine Figur entwickelt. 2…Sg8-f6 gibt ohne Not das Zentrum preis.

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Weiß sollte die Einladung annehmen, sich ein perfektes Bauernzentrum e4/d4 zu bauen. Erst schlägt er auf d5, dann folgt e2-e4, und Weiß beherrscht/besetzt alle Zentralfelder, während der Schwarze Zeit verliert, indem er mit seinem Springer herumziehen muss.

Obgleich der schwarze Zug 2…Sf6 nicht so toll ist, hat die Eröffnung einen Namen: die Marshall-Verteidigung, benannt nach dem amerikanischen Schachmeister Frank James Marshall (1877-1944), seinerzeit ein gefürchteter Angriffsspieler. Aber sogar Frank Marshall hat “seine” Verteidigung nicht mehr gespielt, nachdem er sie 1925 gegen den angehenden Weltmeister Alexander Aljechin ausprobiert hatte und fürchterlich verprügelt worden war (die kommentierte Partie findest Du in unserem Youtube-Kanal).

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Tipp für Profis: Nach 1.d4 d5 2.c4 Sf6 3.cxd5 Sxd5 4.e4 Sf6 5.Sc3 e5 schafft es Schwarz doch, sich im Zentrum dagegenzustemmen, und alles ist halb so wild. Aus diesem Grund gilt 4.Sf3! und erst danach e2-e4 als präziser.


Antwort 5:

Ohne Not geben wir unser Läuferpaar nicht her, außer wir bekommen etwas dafür. Und wenn wir schon eine gegnerische Figur gefesselt haben (der schwarze Lb4 fesselte unseren Sc3), dann wollen wir diese Fesselung aufrecht erhalten, um dem Gegner das Leben schwer zu machen.

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Schwarz könnte denken, dass er es immerhin geschafft hat, unsere Struktur zu beschädigen, weil er uns auf c3/c4 einen Doppelbauern verpasst hat (vergleiche Frage 1 und 2). Aber dieser Doppelbauer ist keine Schwäche. Weder ist er isoliert, noch kann Schwarz verhindern, dass wir ihn auflösen (zum Beispiel via c4xd5).


Antwort 6:

Mit dem Läufer auf e5 zurückzuschlagen, sieht natürlicher aus. Von seinem zentralen e5-Posten aus lugt der Läufer in die eh schon geschwächte schwarze Königsstellung, Weiß hat klaren Vorteil. Wenn wir stattdessen mit dem Bauern zurückschlagen, haben wir uns einen verdoppelten e-Bauern eingehandelt, der zudem unseren schwarzfeldrigen Läufer auf g3 einsperrt.

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Und doch ist das hässliche, weniger natürliche d4xe5 der Gewinnzug. Die oben aufgeführten positionellen Erwägungen sind zwar richtig, aber nicht relevant, weil d4xe5 konkret taktisch gut ist. Von e5 aus greift unser Bauer seinen Sf6 an, und nur der deckt seinen g4-Bauern. Zieht der angegriffene Springer, schlägt unsere Dame auf g4 und wird zum Teil unserer Attacke auf den schhwarzen König. Lg3xe5 gäbe Schwarz stattdessen Zeit, mittels …h6-h5 den g4-Bauern zu decken und seinen Laden erstmal zusammenzuhalten.

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[…] Beitrag „Marshall verprügeln“ haben wir den ebenso furchtlosen wie erfindungsreichen Frank James Marshall ja schon als […]

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[…] Konstantinos den Beitrag „Marshall verprügeln“ gelesen, speziell Frage und Antwort […]

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[…] begnadeten Angriffsspieler Frank James Marshall haben wir bislang immer auf der Verliererseite kennengelernt. Der amerikanische Schachmeister, seinerzeit einer der besten der Welt, hat es mehr als verdient, […]

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[…] Zu den Antworten geht’s hier […]

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[…] lehrreiche Meisterpartien verwiesen, ohne die Partie genauer unter die Lupe zu nehmen. Das fing an im Oktober 2017 mit der Partie zwischen Alexander Aljechin und Frank James Marshall, gespielt in Baden Baden 1925, […]

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[…] Marshall verprügeln IIIn der Bodenseeliga ist das krumme 1.d4 d5 2.c4 Sf6 eine durchaus geläufige Zugfolge – ein Grund, warum einst diese Seite entstand. […]