Nachtrag, 21: März: Der Deutsche Schachbund hat zum Antrag der AfD dieses Statement veröffentlicht:

Die Bundesregierung soll die Bereitschaft einer deutschen Stadt sondieren, 2028 oder später eine Schacholympiade auszurichten. Das steht in einem Antrag der AfD, mit dem sich jetzt die im Bundestag vertretenen Fraktionen befassen müssen. Deutschland sei prädestiniert, 20 Jahre nach Dresden 2008 wieder eine Schacholympiade auszurichten, heißt es.
Offenbar hat die Schacholympiade 2022 in Chennai diese Initiative ausgelöst. Die Antragsteller, angeführt vom in jüngerer Vergangenheit mit Russlandpropaganda aufgefallenen Eugen Schmidt, hatten ihren Antrag kurz danach, im November 2022, fertiggestellt. Eingereicht haben sie ihn erst jetzt. Einer deutschen Ausrichterstadt winkten Renommee und steigende Besucherzahlen, argumentiert die AfD. “En passant” mache eine Schacholympiade in Deutschland nachhaltig Werbung für das Spiel der Könige.
Ausführlich zitiert der Antrag die Bilanz der vier Millionen Euro teuren Schacholympiade 2008 in Dresden, für die sich nach Angaben der Veranstalter mehr als 450 Journalisten aus aller Welt akkreditiert hatten. Dresden war seinerzeit Vorreiter für etwas, das heute Standard ist: Nicht nur die Züge wurden live ins Netz übertragen, es gab auch bewegte Bilder zu sehen. 450.000 Menschen schauten zu.
Solche Zahlen würden heute bei weitem übertroffen. Schach sei im 21. Jahrhundert “zu einem Aktiven- wie Zuschauersport im Internet geworden”, der Millionen Zuschauer weltweit erreiche. “Das gilt speziell für eine Schacholympiade, die zu einer hybriden Veranstaltung par excellence geworden ist.”
“In enger Kooperation mit dem Deutschen Schachbund” soll die Bundesregierung nun eine schacholympiataugliche deutsche Stadt finden und ermuntern. Gemeinsam mit DSB und dieser Stadt gelte es, “frühzeitig ein Finanzierungskonzept für die geplante Schacholympiade in Deutschland zu entwickeln, das primär zur Akquise geneigter institutioneller Sponsoren taugt und das sich zugleich offen zeigt für eine ergänzende Förderung der Veranstaltung durch öffentliche Mittel”.

Die Initiative der Rechtspopulisten ist nicht deren erster schachlicher Vorstoß. Ende 2022 hatte sich die AfD mit der Frage beschäftigt, ob Onlineschach als gemeinnützig gelten kann:
Auch der gerade erst in München beendete Grand Prix der Frauen mag in letzter Konsequenz die Folge eines Antrags aus der AfD-Ecke sein. Zwei Stadtrat-Abgeordnete der AfD-Splitterpartei LKR hatten sich 2018 dafür eingesetzt, möglichst eine WM nach München zu holen:
Nun ist es ja so, dass ein Vorschlag nicht per se schlecht ist, nur weil er von schlechten Menschen gemacht wird.
Leider glaube ich, dass kaum etwas eine Schacholympiade in Deutschland so nachhaltig verhindern kann, wie das Eintreten der AfD für eine solche.
O.K., vielleicht noch die Tatsache, dass der DSB führungslos und finanziell in Bedrängnis ist.
Der Deutsche Schachbund (DSB) wäre gut beraten, die Initiative einer demokratisch gewählten Partei nicht von vornherein zu diskreditieren. Man muss die betreffende Partei nicht mögen, aber man sollte die Grenzen der Sachlichkeit in seinen Äußerungen einhalten und insbesondere keine Unterstellungen zu tätigen, die einer sachlichen Grundlage entbehren. Leider ist es in dem besten Deutschland aller Zeiten so weit gekommen, dass 2 plus 2 nicht mehr 4 sein darf, wenn diese Äusserung von der falschen Seite kommt und nichts geeigneter ist, eine Schacholympiade in Deutschland zu verhindern, als wenn die AfD sich dafür stark macht.
Hier wäre jetzt anzumerken, dass die sog. AfD sich mit Schachgeschichte – naja so lala, aber reicht schon – auskennt, das schachliche Tagesgeschehen aber nicht so beachtet. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ausgerechnet der seit Jahren von Intrigen und Skandalen gebeutelte DSB hier zum Ansprechpartner der Wahl gekürt wird. Dann lieber eine schöne Stadt aussuchen und den entsprechenden Landesverband in Boot holen.
Mir persönlich wäre es aber lieber, die AfD-Initiative verläuft sich im Sand, weil sich keiner der Verbände mit dieser Aufgabe belasten will.
Wer soll denn das organisieren? Wer soll das austragen? Wo sollte das überhaupt gespielt werden? Es gibt in D dafür keine Kapazitäten – und zum Glück auch keine Neigung, sich mit der AfD gemein zu machen.