Zuletzt hat er gelegentlich online gespielt, bei der Champions Chess Tour etwa, aber am Brett ist Alireza Firouzja seit mittlerweile fast einem halben Jahr nicht aufgetaucht. Den Grund dafür hat er jetzt in einem Stream der Italienerin Alessia Santeramo offenbart: Firouzja erwägt eine Zweitkarriere als Modedesigner.
Über duale Karriereplanung war an dieser Stelle gelegentlich die Rede. Allerdings stets im Zusammenhang mit Talenten, deren Weg nicht vorgezeichnet ist, weil nicht klar erscheint, ob es für Schach als Beruf reichen wird.
Bei Firouzja ist das klar. Der 19-Jährige ist ein Ausnahmetalent, wie es global jede Generation nur wenige Male hervorbringt. Der im Iran geborene Franzose könnte in den kommenden zwei Dekaden von einem erklecklichen Auskommen mindestens als Top-Ten-Spieler leben und für alle weiteren Dekaden vorsorgen.
Sein Beispiel zeigt, Karriereplanung ist nicht nur eine Sache des künftigen Einkommens, auch eine des Herzens und der Leidenschaft – der Berufung. Offenbar fokussiert sich die Leidenschaft von Alireza Firouzja nicht allein auf das Spiel und den Sport, in dem er jetzt schon zu den Besten der Welt zählt.

Das Gerücht, der jüngste 2800er jemals und einstige Weltranglistenzweite mache jetzt in Mode, kursiert schon seit Monaten. Nur hatte das trotz aller Spekulation, warum er etwa die Blitz- und Rapid-Weltmeisterschaft 2022 auslässt, nie jemand für bare Münze genommen. Firozja erschien allen Beobachtern als zu begnadet am Brett, als dass er etwas anderes machen könnte. Allein während der Champions Chess Tour hat er im Spätsommer 2022 bei seinen bislang letzten Auftritten am Brett binnen weniger Wochen mehr als 350.000 Dollar verdient.
Seitdem ward er am Brett nicht mehr gesehen. Nur online tauchte er gelegentlich auf, bei „Titled Tuesdays“ etwa oder zuletzt beim Airthings Masters, wo er sich für die K.o.-Runde qualifizierte, dann aber klar dem etwa gleichaltrigen Arjun Erigaisi unterlag.
Trotz solcher Misserfolge will er das Schach nicht aufgeben, das sagte Firouzja Im Gespräch mit Schach-Streamerin WFM Alessia Santeramo vor einem Online-Match gegen Praggnanandhaa in aller Deutlichkeit. Aber er hat eben eine weitere Beschäftigung gefunden, der er sich intensiv und mit Leidenschaft widmet. „Professionell“ könne man das noch nicht nennen, sagt der 2021 in Frankreich eingebürgerte Ausnahmeschachspieler zu seinen ersten Gehversuchen auf einem neuen Feld. Aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint.
„Ja, ich bin jetzt seit zwei Jahren in dieser Branche. Es ist eine ziemlich ernste Sache. Ich verbessere mich von Tag zu Tag, es ist eine Art richtiger Beruf“, sagt Firouzja. Details zu seiner neuen Arbeit gab er nicht preis, aber erklärte, dass sie ihn Zeit fürs Schach kostet. „Ich möchte gerne beides verfolgen.“ Auf eine Bitte von chess.com, seine Karriereplanung genauer zu erläutern, hat Firouzja bislang nicht reagiert.
Er wäre bei weitem nicht der erste Weltklassespieler, der neben dem Schach anderen Berufungen folgt oder gar das Schach aufgibt. Multitalent Emanuel Lasker etwa fühlte sich auf einer ganzen Reihe von Feldern berufen, in erster Linie dem der Mathematik. Nachdem Mikhail Botwinik 1948 den Weltmeistertitel gewonnen hatte, zog er sich für drei Jahre zurück, um sich wissenschaftlicher Arbeit zu widmen. Das Jahr seiner Promotion war auch das Jahr seiner ersten Titelverteidigung 1951. Um ein Haar hätte Botwinik das Match gegen David Bronstein verloren, eine Folge fehlender Praxis und Vorbereitung.
Diese Reihe ließe sich lange fortsetzen, über den Psychologen Reuben Fine, den Richter Wolfgang Unzicker, den Papyrologen Robert Hübner oder den Banker Joel Lautier.
Auch weitere Weltmeister ließen sich anführen. Der ausgebildete Opernsänger Wassili Smyslow etwa hat Schallplatten und CDs mit Arien und klassischen Romanzen aufgenommen. Bis ins hohe Alter gab der schachweltmeisterliche Bariton Konzerte. Garry Kasparow hatte sich schon der Opposition gegen Wladimir Putin verschrieben, als er noch aktiver Turnierspieler war. Nach seinem Rücktritt vom Schach 2005 hat er sich auf die politische Arbeit konzentriert.
(Titelfoto: Stev Bonhage/FIDE)
Aus grauer Vorzeit gibt es jedenfalls noch Max Euwe, ebenfalls Mathematiker, und den Arzt Siegbert Tarrasch. Zwischendrin ist Taimanov, in doppelter Hinsicht: Wikipedia nennt ihn auf Deutsch Pianist und Schachspieler, auf Englisch Schachspieler und Pianist. Conrad Schormann sagt ja, dass die Liste unvollständig ist – wohl immer noch.
Aus der aktuellen “ziemlich erweiterten Weltklasse” fällt mir spontan nur der Nuklearphysiker Malakhov ein, sowie der Banker Georg Meier.
In welcher Bank arbeitet Meier?
Er hat als Risk Controller für – :Überraschung – Grenke Bank AG gearbeitet. Das und seine Ausbildung – International Business und Economics in Texas, Wien und Stockholm – wurde, wenn ich mich nicht ganz täusche, öffentlich erwähnt, auch von ihm selbst.
Gerade habe ich es anhand seines Linkedin-Profils überprüft. Das ist vielleicht nur dann sichtbar, wenn man auch einen Account hat. Daher sollte ich womöglich nicht verraten, was er nun beruflich macht. Nur soviel: für mich überraschend und dabei, um keine falschen Gerüchte zu verbreiten, wahrlich keine Schande (nicht z.B. Rüstungs- oder Ölindustrie sondern eher “das Gegenteil”).
Das LinkedIn-Profil ist öffentlich zugänglich: https://de.linkedin.com/in/georg-meier-67823134/en – er arbeitet bei der GIZ, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Staatliche Firma.
Aronian ist musisch sehr bewandert, Anand in Astronomie. Sehr viele kennen sich sehr gut mit Filmen aus. Andere sind Sprachtalente.